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50/03 Personen- und GüterbeförderungNorm
KflG §7 Abs1 Z4 litb, §14 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch die - einen Konkurrenzschutz bewirkende - Regelung des KflG betr einen Ausschließungsgrund für die Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer (grenzüberschreitenden) Kraftfahrlinie; keine unsachliche Differenzierung zwischen Personenbeförderungsleistungen in einen EWR-Staat und in einen Nicht-EWR-StaatRechtssatz
Abweisung der Anträge des Verwaltungsgerichtes Wien auf Aufhebung des §7 Abs1 Z4 litb KflG.
Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, bei Erteilung einer Kraftfahrlinienkonzession auf die Auswirkungen der geplanten neuen Kraftfahrlinie auf den bereits bestehenden Autobusverkehr Bedacht zu nehmen, auch wenn damit ein Konkurrenzschutz verbunden ist (vgl VfSlg 12236/1989).
Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er zur Erreichung des im erheblichen öffentlichen Interesse gelegenen, übergeordneten Zieles eines möglichst gut funktionierenden Systems des linienmäßigen Personenverkehrs den Autobussektor wirtschaftlich lebensfähig erhalten möchte. Zur Erreichung des Zieles einer optimalen Versorgung der Bevölkerung mit einer öffentlichen Personenverkehrsdienstleistung ist eine Regelung verfassungsrechtlich zulässig, die im Ergebnis auch einen Konkurrenzschutz bewirkt. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass Konzessionen nur für bestimmte Strecken erteilt werden, ferner, dass die Konzessionsinhaber besonderen Pflichten unterworfen sind, wie der Betriebs- und Beförderungspflicht sowie dem Tarif-, Beförderungsbedingungs- und Fahrplanzwang, und darüber hinaus, dass eine Ausnahme hinsichtlich des im Wesentlichen touristischen Zwecken dienenden Kraftfahrlinienverkehrs vorgesehen ist.
Durch die angefochtene Bestimmung des §7 Abs1 Z4 litb KflG soll verhindert werden, dass durch eine Parallellinie ein derartiger Konkurrenzkampf in Gang gesetzt würde, bei dem weder der bestehende Konzessionär noch der neu hinzutretende Mitbewerber wirtschaftlich überlebensfähig wären. Abgesehen von für den bestehenden Konzessionär möglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten käme es möglicherweise zur Einstellung der betreffenden Linie und sogar dazu, dass die Verkehrsbedürfnisse überhaupt nicht mehr befriedigt würden.
Daher keine Bedenken im Hinblick auf Art6 StGG.
Soweit sich das Verwaltungsgericht Wien gegen die konkreten Umstände im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betriebsführung der (bestehenden) Kraftfahrlinie wendet bzw Bedenken gegen die konkrete gesetzliche Regelung hinsichtlich der "ernsthaften Gefährdung" in §7 Abs1 Z4 litb KflG hegt, hat das Verwaltungsgericht Wien zu Unrecht die Rechtsvorschrift des §14 Abs2 KflG nicht mitangefochten.
Die Erbringung von Beförderungsleistungen in einen EWR-Staat einerseits und in einen Nicht-EWR-Staat andererseits sind nicht miteinander vergleichbar. Im EWR-Raum bestehen für die Erbringung von Personenbeförderungsdienstleistungen weitgehend harmonisierte Regeln insbesondere im Hinblick auf Marktzugang, Berufszugang und Lohn- und Sozialvorschriften, Lenk- und Ruhezeiten. Solche Regelungen gibt es für die Erbringung von Personenbeförderungsdienstleistungen in einen Nicht-EWR-Staat nicht.
Da somit die Wettbewerbsvoraussetzungen für Personenbeförderungsdienstleistungen in EWR-Staaten und in Nicht-EWR-Staaten unterschiedlich sind, bestehen gegen die unterschiedliche Regelung der beiden Bereiche keine gleichheitsrechtlichen Bedenken.
Ungeachtet der Frage, ob in der angefochtenen Regelung überhaupt eine "Durchführung des Rechts der Europäischen Union" (Art51 Abs1 GRC) gesehen werden kann, liegt keine Verletzung von Art15 Abs2 und Art16 GRC vor.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien stellen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art19 AEUV und das Beihilfeverbot des Art107 AEUV keinen Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung eines nationalen Gesetzes dar.
Keine Bedenken im Hinblick auf das völkerrechtliche Territorialprinzip bzw Art3 und Art9 B-VG.
§7 Abs1 Z4 litb iVm §14 KfIG knüpft die Genehmigungszulässigkeit nicht an eine bestimmte Haltestelle auf dem Staatsgebiet eines Nicht-EWR-Staates; §7 Abs1 Z4 litb KflG sieht auch nicht die Prüfung der wirtschaftlichen Situation auf dem Staatsgebiet eines Nicht-EWR-Staates vor. Die Behörde hat vielmehr gemäß §7 Abs1 Z4 litb KflG die Auswirkungen auf eine von österreichischem Staatsgebiet ausgehenden bzw auf österreichisches Staatsgebiet führenden grenzüberschreitenden Beförderung durch eine andere (weitere) von österreichischem Staatsgebiet ausgehende bzw auf österreichisches Staatsgebiet führende grenzüberschreitende Beförderung zu beurteilen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Gewerberecht, Kraftfahrlinien, Konzessionserteilung, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht, Völkerrecht, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:G243.2016Zuletzt aktualisiert am
20.03.2019