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66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des ASVG betreffend die Höhe der für die Überführung der Dienstnehmer eines Kreditinstituts aus einem betrieblichen Pensionsversorgungssystem in die gesetzliche Pensionsversicherung zu entrichtenden Überweisungsbeträge; keine Verletzung des Vertrauensschutzes durch Schaffung und rückwirkende Inkraftsetzung eines neuen Überweisungstatbestandes; teils Abweisung, teils Zurückweisung des Gerichtsantrags mangels Präjudizialität bzw unrichtiger Abgrenzung des AnfechtungsumfangesRechtssatz
Abweisung des Antrags des Bundesverwaltungsgerichtes, soweit er sich gegen §311a ASVG idF BGBl I 44/2016, den Klammerausdruck "(Ende der Pensionsversicherungsfreiheit des Dienstverhältnisses)" in §312 Abs1 erster Satz ASVG idF BGBl I 18/2016 sowie die diese Bestimmungen betreffende Inkrafttretensbestimmung des §696 Abs1 Z1 ASVG idF BGBl I 18/2016 richtet.
Im Übrigen Zurückweisung des Antrags.
Mangelnde Präjudizialität der Bestimmungen des §308, §311 Abs5 und 9 sowie §696 Abs5 ASVG.
Die Wortfolge "mit 1. Februar 2016" in §696 Abs1 Z1 ASVG regelt auch das Inkrafttreten anderer, vom Gesetzesprüfungsantrag nicht betroffener Normen, ohne dass die Beseitigung dieser Wortfolge - gegebenenfalls - zur Herstellung eines verfassungskonformen Zustandes erforderlich wäre. Insoweit ist der Antrag daher zu weit.
Keine Verletzung des aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Grundsatzes des Vertrauensschutzes durch die Neuregelung gemäß §311a ASVG.
Der Verlust der für die gesetzliche Normierung der Pensionsversicherungsfreiheit maßgebenden Pensionsansprüche aus anderen Gründen als dem des Ausscheidens aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ist von §311 ASVG dem Wortlaut dieser Bestimmung nach jedenfalls nicht mitumfasst.
Im vorliegenden Fall wurde durch Betriebsvereinbarung zwischen der Belegschaft und dem Dienstgeber vereinbart, für jene Dienstnehmer, deren Dienstverhältnis über den 31.12.2016 hinaus andauert, die unkündbare Betriebsvereinbarung über das "ASVG-Äquivalent" einvernehmlich zu beenden und ua den davon betroffenen Dienstnehmern in einer Höhe, die sich in Abhängigkeit von der Nähe zum möglichen Pensionsstichtag nach dem ASVG bestimmt, eine Abfindung für die dadurch entstehenden finanziellen Nachteile zu leisten. Dass diese Abfindungszahlungen nur die Differenz zwischen der erwartbaren Betriebspension und der künftigen "ASVG-Pension" abgelten sollten, tut im Zusammenhang mit dem zu klärenden verfassungsrechtlichen Problem insoweit nichts zur Sache, als nach dem Willen der Vertragspartner der Betriebsvereinbarung die Pensionserwartungen der Dienstnehmer durch den neu entstehenden Anspruch auf eine ASVG-Pension erhalten bleiben sollten; ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob die Abgeltungszahlungen im Sinne der zu §879 ABGB ergangenen Rechtsprechung des OGH zum Vertrauensschutz in angemessener Höhe vereinbart wurden: Entscheidend ist nämlich, dass ein solcher Fall - die Gültigkeit der Betriebsvereinbarung vorausgesetzt - in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht jenem eines schlichten Verlustes des betrieblichen Pensionsanspruches als Folge des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis im Sinne des §311 ASVG nicht gleichzuhalten ist.
Die Anwendung des §311 ASVG ist daher weder nach dem Wortlaut dieser Bestimmung möglich noch aus Gleichheitsgründen per analogiam geboten.
Aus bloßer Verwaltungspraxis (oder auch Rechtsprechung der Höchstgerichte allein) ist schon aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen auf einen bestimmten Inhalt des Gesetzes ableitbar.
Damit ist dem Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes ob der Verletzung des Vertrauensschutzes durch die Rückwirkung der am 13.04.2016 kundgemachten, aber mit 01.03.2016 in Geltung gesetzten Regelung des §311a ASVG idF der Novelle BGBl I 44/2016 der Boden entzogen.
Der Gesetzgeber hat mittels Schaffung des §311a ASVG die Erhaltung der (mit einem Teil ihrer Höhe abgefundenen) künftigen Pensionsansprüche für die betroffenen Bediensteten durch Übertragung in die gesetzliche Sozialversicherung trotz des Fortbestandes des (nun nicht mehr pensionsversicherungsfreien) Dienstverhältnisses abweichend von den Voraussetzungen des §311 ASVG überhaupt erst ermöglicht und damit rückwirkend eine die beschwerdeführende Partei des Anlassverfahrens begünstigende Vorschrift geschaffen.
Schlagworte
Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Überweisungsbetrag, Betriebspension, Bedarfsgesetzgebung, Rückwirkung, Vertrauensschutz, VfGH / Präjudizialität, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:G132.2017Zuletzt aktualisiert am
20.03.2019