TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/21 2000/20/0277

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Veröffentlicht am 21.09.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des RA in Graz, geboren am 27. September 1970, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. Mai 2000, Zl. 216.685/0-III/07/00, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste am 27. August 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 31. August 1999 Asyl. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. April 2000 wurde sein Antrag abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei.

Die belangte Behörde traf folgende Feststellungen:

"Festgestellt wird, dass der Asylwerber am 17.7.1999 eine Frau des Nachbardorfes mit dem Auto angefahren hatte, welche in der Folge verstarb. Der Unfall ereignete sich dergestalt, dass der Asylwerber die Frau, die die Straße überquerte, in der Dunkelheit übersah und anfuhr. Hinsichtlich des Unfallherganges gibt es keine Zeugen. Der Asylwerber blieb nach der Kollision mit der Frau jedoch nicht stehen, da er befürchtete, von Einwohnern dieses Dorfes, welche mit den Einwohnern seines Heimatdorfes seit sechs Jahren verfeindet sind, getötet zu werden. Er fuhr deshalb nach dem Unfall sofort zur Polizeistation und kehrte in der Folge mit den Polizeibeamten zum Unfallort zurück. Dort wurde er von den Polizeibeamten vor den Bewohnern des Nachbardorfes beschützt. In der Folge war der Asylwerber wegen des Unfalles zwei Wochen lang in der Polizeistation inhaftiert, da es eine Untersuchung wegen des Verdachtes gab, dass er die Frau absichtlich getötet haben könnte, zumal die Familie der getöteten Frau den Asylwerber des Mordes bezichtigte."

Die belangte Behörde führte aus, dass die vom Beschwerdeführer angeführten Ereignisse in keinem Zusammenhang mit asylrelevanten Motiven stünden. Die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria begründete die belangte Behörde damit, dass der Beschwerdeführer eine Bedrohung seiner Person durch seinen Heimatstaat nicht dargetan habe. Es habe nicht erkannt werden können, dass die staatlichen Stellen Nigerias einen befürchteten Racheakt wegen des Unfalltodes der Frau billigen würden. Vielmehr ergebe sich klar, dass Polizeibeamte den Beschwerdeführer vor den aufgebrachten Dorfbewohnern beschützt hätten. Konkrete Hinweise, dass der Beschwerdeführer wegen des von ihm verschuldeten Unfalls eine unmenschliche Strafe zu gewärtigen hätte, lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Ein befürchteter Racheakt von Dorfbewohnern wegen der vom Beschwerdeführer bei einem Unfall getöteten Frau würde nicht auf einem der in der Flüchtlingskonvention genannten asylrelevanten Motive beruhen. Dasselbe gilt für durch nigerianische Behörden angestrengte Untersuchung wegen des Verdachtes, dass der Beschwerdeführer die Frau absichtlich getötet haben könnte. Die belangte Behörde hatte den Asylantrag des Beschwerdeführers daher schon aus diesen Gründen abzuweisen.

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 AsylG von Amtswegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 FrG zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Was eine vom Beschwerdeführer befürchtete Verurteilung wegen der Tötung der Frau bei dem genanten Unfall betrifft, so ist seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer ein Strafverfahren befürchten müsste, aus welchem sich für ihn eine Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG ergeben könnte. Überdies liegen keine Hinweise darüber vor, dass der Beschwerdeführer wegen des von ihm verschuldeten Unfalls eine unmenschliche Strafe zu gewärtigen hätte.

Zur Befürchtung des Beschwerdeführers, die Bewohner des Nachbardorfes könnten sich wegen der Tötung der Frau an ihm rächen und die Behörden seines Heimatlandes wären nicht in der Lage, ihm Schutz zu gewähren, ist auf die Feststellung der belangten Behörde zu verweisen, dass die staatlichen Stellen Nigerias einem befürchteten Racheakt wegen des Unfalltodes der Frau entgegentreten würden, wie ja Polizeibeamte den Beschwerdeführer schon bisher vor den aufgebrachten Dorfbewohnern beschützt haben. Bei der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in einen Staat, in dem eine Staatsgewalt aufrecht ist, ist eine von Privaten ausgehende Bedrohung - im vorliegenden Fall ein möglicher Racheakt wegen der Tötung einer Frau bei einem Unfall - nur dann eine Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG, wenn der Staat keinen ausreichenden Schutz gewähren könnte, was nach den Feststellungen nicht der Fall ist.

Vor dem Hintergrund dieser Verfahrensergebnisse war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, weitere Ermittlungen vorzunehmen. § 28 AsylG begründet keine über den § 37 AVG hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise auf einen Sachverhalt, aus dem eine Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG abgeleitet werden kann, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Ermittlungen über mögliche Gefahren anzustellen, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1998, Zl. 98/01/0222). Im vorliegenden Fall fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die nigerianische Staatsgewalt, deren Polizeibeamten den Beschwerdeführer bereits bisher vor den Bewohnern des Nachbardorfes beschützt hätten, in Zukunft zu einem solchen Schutz nicht in der Lage wäre. Der Beschwerdeführer hat auch nicht vorgebracht, dass er auch in keinem anderen Landesteil Nigerias vor der Rache der Bewohner des erwähnten Nachbardorfes sicher wäre.

Die Beschwerde rügt ferner das Unterbleiben weiterer Ermittlungen "über die allgemeine Menschenrechtssituation im Heimatland des BF", verabsäumt jedoch, konkrete tatsächliche Behauptungen darüber aufzustellen, zu welchen eine andere Entscheidung ermöglichenden Ergebnissen die Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 616 f).

Das weitere Vorbringen der Beschwerde, die belangte Behörde habe unberücksichtigt gelassen, dass die Tatsache des Asylantrages bereits ausreiche, um im Heimatland des Beschwerdeführers einer unmenschlichen Behandlung im Sinn des § 57 FrG ausgesetzt zu werden, kann wegen des verwaltungsgerichtlichen Neuerungsverbotes keine Berücksichtigung finden.

Weil bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 21. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000200277.X00

Im RIS seit

29.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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