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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 98/18/0377 E 21. September 2000 98/18/0380 E 21. September 2000Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des S B, (geb. 30.10.1983), in Adnet, vertreten durch Dr. Claudia Csaky, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Franz-Huemer-Straße16/Rochusgasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 8. Juli 1998, Zl. Fr-5783/1/97, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 8. Juli 1998 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
In der von seiner Mutter eingebrachten Berufungsschrift habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass er entgegen erstinstanzlicher Ausführungen nicht erst seit dem Frühjahr 1996, sondern bereits seit dem 22. November 1994 in Hallein mit seinen Eltern und Geschwistern wohnen würde, da seine Eltern - auf Grund der bedrohlichen Kriegssituation - Bosnien hätten verlassen müssen. Sein Lebensunterhalt wäre durch seinen unterhaltspflichtigen Vater gesichert, der - laut beiliegender Lohnbestätigung eines näher genannten Unternehmens - über ein Nettoeinkommen von S 18.048,-- verfügte. Es würde demnach das vom Sozialamt berechnete Mindesteinkommen von S 17.807,-- überschritten werden. Eine Rückkehr nach Bosnien erschiene für seine Mutter und seine Geschwister derzeit nicht durchführbar, da das von seinem Vater beschriebene Haus in einem näher genannten Ort nicht ihm, sondern seinen Großeltern gehören würde und auch nicht dem entsprechen würde, wovon er gesprochen hätte.
Der Beschwerdeführer sei Fremder im Sinn des FrG, weil er die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze. Laut Aktenlage befinde er sich seit November 1994 im österreichischen Bundesgebiet. Sein Aufenthalt in Österreich beruhe auf mehreren Sichtvermerken bzw. Aufenthaltsbewilligungen seiner Eltern. Außerdem sei aus der Aktenlage ersichtlich, dass sein Vater bei dem besagten Unternehmen in Salzburg einen monatlichen Akkordlohn von
S 14.048,-- verdient habe. Nach den Berechnungen des Sozialamtes der Bezirkshauptmannschaft Hallein müsste jedoch ein Monatseinkommen von mindestens S 17.807,-- erzielt werden, um von einer ausreichenden Deckung des Familienunterhalts sprechen zu können. Es liege daher eindeutig ein Versagungsgrund vor, ohne dass es hiezu näherer Ausführungen bedürfe. Die der Berufung beigelegte Bestätigung des besagten Unternehmens über ein monatliches Nettoeinkommen von S 18.048,-- (inkl. 47 Überstunden durchschnittlich) sei im gegenständlichen Verfahren ohne Relevanz, weil das Arbeitsverhältnis mit 31. Oktober 1997 befristet gewesen sei und sich über den derzeitigen Gehalt des Vaters des Beschwerdeführers keine Unterlagen im gegenständlichen Akt befänden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Da sich der Beschwerdeführer nach den vorgelegten Verwaltungsakten während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält (vgl. den Antrag Aktenblatt 66 ff), kann er gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht. Gemäß §10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 leg. cit.) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 1) der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt.
2. Würde (u.a.) durch eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 FrG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist nach § 37 Abs. 1 leg.cit. ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. darf (u.a.) eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, wobei bei dieser Abwägung insbesondere auf die in § 37 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG genannten Umstände Bedacht zu nehmen ist.
3.1. Diese vorliegend gebotene Zulässigkeitsprüfung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. hat die belangte Behörde zur Gänze unterlassen. Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich, weil im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer zu Gute kommenden privaten und familiären Interessen an einem Verbleib in Österreich nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Behörde bei Unterbleiben dieses Versäumnisses zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gekommen wäre.
3.2. Darüber hinaus ist Folgendes festzuhalten:
Die belangte Behörde hat bezüglich der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Mittel festgestellt, dass sein Vater, bezogen auf einen unbestimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt einen monatlichen Akkordlohn von S 14.048,-- verdient habe, und die Ansicht vertreten, dass die Bestätigung über ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters von S 18.048,-- ohne Relevanz sei, weil das diesem Nettoeinkommen zu Grunde liegende Arbeitsverhältnis mit 31. Oktober 1997 befristet gewesen sei. Damit hat es die belangte Behörde aber verabsäumt, das zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - und damit für ihre Beurteilung - maßgebliche Einkommen des Vaters gemäß § 39 Abs. 2 AVG festzustellen. Zwar begegnet die Heranziehung des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes für die Beurteilung der Frage eines nicht gesicherten Unterhaltes im Sinn des § 10 Abs. 2 FrG keinen Bedenken (vgl. in diesem Sinn das zum AufG ergangene, aber auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 30. April 1996, Zl. 95/18/0345, mwH). Die belangte Behörde hat diesbezüglich aber lediglich die nach den sozialhilferechtlichen Regelungen zustehende Gesamtunterstützung betragsgemäß ausgewiesen, jedoch nicht dargelegt, auf welchem Weg sie zu diesem Betrag gelangt ist. Der bloße Hinweis auf "Berechnungen des Sozialamtes der Bezirkshauptmannschaft Hallein" vermag derartige konkrete Darlegungen nicht zu ersetzen. Von daher ist die den Spruch des angefochtenen Bescheides tragende Begründung nicht nachvollziehbar.
4. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998180379.X00Im RIS seit
03.04.2001