Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rajab A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 16. Mai 2017, GZ 151 Hv 22/17p-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rajab A***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (A./) und des Vergehens (vgl jedoch RIS-Justiz RS0112161 [T1], RS0090601 [T3]) der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 7. Februar 2017 in W*****
A./ Mag. Alice O***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er ihren Kopf mit der Hand erfasste und sie zu sich zog, sie zu Boden brachte, ihr seine Zunge in den Mund presste, sie im Gesicht abschleckte, sie in die Nase biss, sie mit seinem Gewicht fixierte, sich sodann mit einem Bein zwischen ihre Beine drängte und so mit seinem Körper zwischen ihre Beine gelangte, um in weiterer Folge ihre Leggings und Unterhose herunterzuziehen und an ihr den Beischlaf durchzuführen oder sie zumindest mit dem Finger vaginal zu penetrieren, wobei es nur aufgrund der massiven Gegenwehr und der lauten Hilfeschreie des Opfers beim Versuch blieb;
B./ grob fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit anderer, nämlich der beiden Kinder der Mag. Alice O***** herbeigeführt, indem er die zu Punkt A./ angeführte Tat beging, als die Genannte gerade den mit ihren Kindern besetzten Doppelkinderwagen auf einem Weg neben der Neuen Donau schob, wobei sie diesen aufgrund des Angriffs loslassen musste, ohne die Möglichkeit zu haben, ihn durch Betätigung des Bremsmechanismus zu sichern, und die Kinder nur deshalb nicht in die Neue Donau rollten, weil trotz abschüssigen Geländes der Kinderwagen zirka zwei Meter vom Flussufer entfernt durch den grasigen Untergrund zum Stehen kam.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt:
Zu Schuldspruch A./ unternimmt die Mängelrüge (Z 5) den Versuch, der einen Vergewaltigungsvorsatz leugnenden Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen, übt jedoch bloß – im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige – Kritik an der den Tatrichtern vorbehaltenen Beweiswürdigung, ohne einen Mangel im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.
Dem Vorwurf, die Konstatierungen wären ohne Beweisergebnisse getroffen worden und beruhten lediglich auf Vermutungen (Z 5 vierter Fall), zuwider hat sich das Schöffengericht betreffend die innere Tatseite – logisch und empirisch einwandfrei – auf die lebensnahe Betrachtung des äußeren Tatgeschehens, welches auf der „äußerst glaubhaften, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Darstellung“ der Zeugin Mag. Alice O***** basiere, insbesondere des von ihr geschilderten Aufzwängens ihrer Beine durch den Beschwerdeführer, gestützt (US 9). Dieser Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wissen und Wollen begegnet unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken, zumal ein solcher bei leugnenden Angeklagten methodisch in der Regel nicht zu ersetzen ist (RIS-Justiz RS0116882).
Inwiefern die bekämpten Feststellungen aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) sein sollten, bleibt offen (vgl RIS-Justiz RS0099431).
Soweit die Mängelrüge ausführt, das Erstgericht hätte seine Überzeugung von der Unglaubwürdigkeit der Einlassung des Angeklagten nicht auf den Umstand stützen dürfen, dass dieser – anders als bei seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung – bei seiner polizeilichen Vernehmung angegeben hatte, sich an den Vorfall gar nicht erinnern zu können, sondern lediglich mit jemandem gestritten zu haben (US 10), bekämpft sie neuerlich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0106588). Indem der Nichtigkeitswerber aus den Verfahrensresultaten andere, für ihn günstigere Schlüsse – etwa, dass er die ihm unbekannte Frau nur habe küssen wollen – fordert, wird kein aus Z 5 beachtliches Begründungsdefizit aufgezeigt (RIS-Justiz RS0098362 [insbesondere T7, T9]).
Der weitere Einwand, aus der von der Zeugin bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung eingezeichneten Endlage des Kinderwagens ergäbe sich die vom Gericht zu Schuldspruch B./ getroffene Konstatierung der Gefahr des Weiterrollens des Kinderwagens in die Donau nicht (Z 5 vierter Fall), wendet sich – durch die sinnentkleidete Hervorhebung eines einzelnen Aspekts des Geschehens – prozessordnungswidrig gegen die aus dem Umstand, dass sie gezwungen war, den Doppelkinderwagen auf abschüssigem Gelände in der Nähe des Flussufers ohne Betätigung des Bremsmechanismus loszulassen, vom Erstgericht denkrichtig abgeleitete konkrete Gefahrenlage (US 8, 11; RIS-Justiz RS0099455). Der Vorwurf der Scheinbegründung trifft nicht zu.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Dieses wird zu berücksichtigen haben, dass das Erstgericht bei der Ausmessung der Strafe zu Unrecht in Anschlag gebracht hat, dass der Angeklagte „jede Einsicht in das von ihm gesetzte Verhalten vermissen ließ“, wobei er „sogar bei seinem Opfer eine Mitverantwortung zu erkennen vermeinte“ (US 13; § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; vgl RIS-Justiz RS0090897).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E119435European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00087.17M.0921.000Im RIS seit
05.10.2017Zuletzt aktualisiert am
05.10.2017