TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/21 98/18/0417

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Veröffentlicht am 21.09.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;
FrG 1997 §44;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 29. März 1956 geborenen M P, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. September 1998, Zl. SD 355/98, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. September 1998 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, vom 2. Februar 1998 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid des Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. März 1995 erlassenen Aufenthaltsverbotes für die Dauer von zehn Jahren gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit September 1991 im Bundesgebiet befinde, sei am 17. Februar 1993 vom Jugendgerichtshof Wien wegen gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer (bedingen) Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dies habe ihn aber nicht davon abgehalten, neuerlich straffällig zu werden. Mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 28. März 1994 sowie mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 14. November 1994 sei der Beschwerdeführer jeweils wegen versuchten Diebstahls zu Geldstrafen rechtskräftig verurteilt worden. Daraufhin sei gegen ihn mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 10. Februar 1995 sowie im Instanzenzug mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 1995 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen worden. Dabei sei auf die privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers Bedacht genommen worden. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe sich in seinem Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 95/18/0807, mit der familiären Situation des Beschwerdeführers auseinander gesetzt und dessen gegen den zweitinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Dessen ungeachtet sei der Beschwerdeführer trotzt bestehenden Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet verblieben und sei zweimal, nämlich mit Straferkenntnissen der erstinstanzlichen Behörde vom 24. März 1997 und vom 15. Mai 1997, jeweils wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes gemäß den §§ 22 iVm 82 Abs. 1 Z. 1 FrG 1992 rechtskräftig bestraft worden.

Den vorliegenden Antrag begründe der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der seit Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 geänderten Rechtslage und verweise vor allem darauf, dass im § 36 leg. cit. nunmehr eine "Kann" - Bestimmung normiert sei. Der Beschwerdeführer führe weiters seine engen familiären Bindungen ins Treffen und gebe zu bedenken, "dass das ursprüngliche zehnjährige Aufenthaltsverbot wegen Lappaldelikten, wie Diebstählen aus Hunger, erlassen worden (sei)".

Außerdem wäre er am 18. August 1994 für eine Tat "verwarnt" worden, die er schon vor dem Ausspruch der Verwarnung begangen hätte. Seitdem hätte er sich jedoch wohlverhalten.

Ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 FrG könne nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände unter gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 114 Abs. 3 leg. cit. zu Gunsten des Fremden geändert hätten, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen sei.

Entscheidend sei demnach, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die für seine Erlassung maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert hätten. Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes könne die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, nicht mehr überprüft werden.

Ausgehend von dieser Rechtslage sei zunächst festzuhalten, dass das vorliegende Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 hätte erlassen werden können. Die Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen erfüllten nicht nur den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 leg. cit., sonder rechtfertigten auch die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme. Im Hinblick darauf, dass dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität ein besonders hoher Stellenwert zukomme, hätte ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde nunmehr zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden können. Dies umso weniger, als sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes erst etwa dreieinhalb Jahre im Bundesgebiet aufgehalten und seine daraus allenfalls ableitbare Integration durch das strafbare Verhalten eine zusätzliche Minderung erfahren habe.

Das vom Beschwerdeführer behauptete Wohlverhalten seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle keinesfalls eine Änderung des Sachverhaltes zu seinen Gunsten dar, weil bei Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes davon auszugehen sei, dass die Behörde das Wohlverhalten des Fremden während der Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme vorausgesetzt habe.

Im Übrigen könne von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers nicht die Rede sein, sei dieser doch ungeachtet des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet verblieben. Dieses Fehlverhalten verstärke die für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen. Dem gegenüber hätten die familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers keine entscheidungsrelevante Änderung erfahren.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behröde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumte Ermessen zu üben. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2000, Zl. 99/18/0168, mwH).

2. Der Beschwerdeführer wiederholt sein bereits im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen, dass seine Gattin (seit 19. Dezember 1996) österreichische Staatsbürgerin sei. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinander gesetzt und diesbezüglich keine Feststellungen getroffen. Solche wären aber im Hinblick auf die nach § 37 FrG vorzunehmende Beurteilung relevant gewesen, womit dahingestellt bleiben kann, ob die Gefährlichkeitsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG überhaupt gerechtfertigt ist (Feststellungen über die den Verurteilungen des Beschwerdeführers zu Grunde liegenden Tathandlungen fehlen). Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Unterbleiben dieses Versäumnisses zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis gekommen wäre, hat sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet.

3. Im Hinblick darauf war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. September 2000

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998180417.X00

Im RIS seit

15.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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