Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr.Bott als Einzelrichter gemäß § 8a JN in der Rechtssache der klagenden Partei N***** *****, *****, *****, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei S*****, *****, *****, vertreten durch Dr.Klaus Rainer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Leistung und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5.April 2017, 13 Cg 44/16b-36 (Rekursinteresse EUR 417,00), beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs, dessen Kosten der Rekurswerber selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
begründung:
Der Kläger begehrt von der Beklagten ausgehend von einer behaupteten medizinischen Fehlbehandlung nach dem von ihm erlittenen Unfallsgeschehen vom 24.Juni 2015 (Bruch des Oberschenkelhalskopfes) die Bezahlung eines Betrages von EUR 41.188,08 sA sowie die Feststellung der Haftung für daraus erfließende zukünftige Schäden.
Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und hält dem Klagebegehren entgegen, ein Behandlungsfehler würde nicht vorliegen.
Mit Beschluss vom 21.November 2016 (ON 17) bestellte das Erstgericht ***** zur Sachverständigen aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie und erteilte ihr den Auftrag, nach Untersuchung des Klägers vorerst einen schriftlichen Befund über seinen Zustand bzw. die bei der Beklagten durchgeführten Untersuchungen, Behandlungen und operativen Eingriffe zu erstatten. Danach möge die Sachverständige der dann stattfindenden Tagsatzung beiwohnen und im Anschluss daran das Gutachten darüber erstatten, ob die Eingriffe und Behandlungen sach-, fach- und zeitgerecht erfolgt seien. Darüber hinaus werden noch detaillierte Fragestellungen genannt.
Mit seiner Eingabe vom 21.Dezember 2016 (ON 20) rügte der Kläger zunächst die fehlende Einvernahme der Parteien über die Person der Sachverständigen und lehnte diese gleichzeitig mit der Begründung ab, ihre fachliche Eignung sei nicht gegeben, zumal diese bei der Befundaufnahme ihm gegenüber angegeben habe, dass sie eigentlich keine Hüften operiere.
Mit ihrer Eingabe vom 3.Februar 2017 (ON 26) nahm die Sachverständige zu diesen Ausführungen des Klägers in der Form Stellung, dass sie in ihrer 12-jährigen Tätigkeit in der Unfallchirurgie hunderte Hüften operiert/assistiert habe und sich zur Gutachtenserstattung zum Thema Behandlung einer Schenkelhalsfraktur als qualifiziert erachte. Nach Untersuchung des Klägers am 10.Dezember 2016 und Beischaffung aller Behandlungsunterlagen habe sich jedoch herausgestellt, dass die Beurteilung der Erstoperation in das Fachgebiet der Unfallchirurgie falle, während die zweite Operation dem Fachgebiet der Orthopädie zuzurechnen sei, zumal Unfallchirurgen nur sehr selten Revisionsoperationen von künstlichen Gelenken durchführen würden; diese Erkenntnis sei im Vorfeld noch nicht abzusehen gewesen. Sie schlage daher vor, statt ihrer Person einen Sachverständigen für beide Fachgebiete, also Unfallchirurgie und Orthopädie, zu beauftragen. Für ihre bereits aufgewendete Arbeit legte sie eine Honorarnote mit einem beanspruchten Gebührenbetrag von EUR 417,00 (ON 27).
Während die beklagte Partei diesem Gebührenanspruch nicht entgegentrat und auch gegen die Bestellung des von ***** vorgeschlagenen Sachverständigen ***** keinen Einwand erhob, erklärte der Kläger, mit den angesprochenen Gebühren nicht einverstanden zu sein.
Bereits aus der Klage sei zu entnehmen, dass die Endoprothese mangelhaft eingesetzt worden und der Hüftpfannenboden durchgebrochen sei und sich der Kläger in weiterer Folge einer Revisionsoperation unterziehen habe müssen. Im weiteren Schriftsatz vom 4.November 2016 sei noch detaillierteres Vorbringen erstattet worden. Bei ordnungsgemäßer Lektüre der Schriftsätze und Urkunden hätte die Sachverständige von Anfang an erkennen müssen, zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens nicht geeignet zu sein. Ihre Tätigkeiten seien damit nicht notwendig gewesen. Der Kläger spreche sich auch gegen die Bestellung Dris.Smretschnig zum Sachverständigen aus (ON 31).
Mit Beschluss vom 2.März 2017 (ON 32) enthob das Erstgericht ***** von ihrer Sachverständigenfunktion und bestellte gleichzeitig ***** hiezu.
Am 3.März 2017 (AS 197) erteilte das Erstgericht ***** den Auftrag, ihre Gebühren ordnungsgemäß aufzuschlüsseln.
Mit dem nun angefochtenen Beschluss bestimmt das Erstgericht die Gebühren der genannten Sachverständigen antragsgemäß mit einem Betrag von EUR 417,00. ***** habe auftragsgemäß den Kläger untersucht und sämtliche Behandlungsunterlagen angefordert. Nach Durchführung des Anamnesegesprächs und der Berücksichtigung dieser Unterlagen habe sich für die Sachverständige herausgestellt, dass die zweite Operation, welcher sich der Kläger unterzogen habe, dem Fachgebiet der Orthopädie zuzurechnen sei. Aus ihrer Gebührennote ergebe sich eine Gebühr für Mühewaltung hinsichtlich des persönlichen Gesprächs mit dem Kläger und der Anforderung diverser medizinischer Unterlagen. Mit seinen Einwendungen übersehe der Kläger, dass ***** bereits zahlreiche Leistungen erbracht habe, die ihr jedenfalls abzugelten seien. Damit stehe ihr der begehrte Betrag von EUR 417,00 zu.
Dagegen wendet sich der Rekurs des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass der Sachverständigen keine Gebühren zuerkannt würden.
Die Sachverständige, die eine Rekursbeantwortung erstattet, beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
In seinem Rechtsmittel hält der Kläger an seiner Rechtsauffassung fest, bei ordnungsgemäßer Lektüre der bereits im Gerichtsakt befindlichen Schriftsätze und Unterlagen hätte die Sachverständige von Anfang an erkennen müssen, zur Erstellung des beauftragten Sachverständigengutachtens nicht geeignet zu sein. Aus diesem Grunde hätte sie sofort Kontakt mit dem Gericht aufnehmen müssen, habe dies jedoch erst nach umfangreichem Tätigwerden getan. Die Nichtvollendung des Gutachtens sei daher im Sinne des § 25 Abs 3 GebAG auf ihr Verschulden zurückzuführen, was dem geltend gemachten Gebührenanspruch entgegenstehe.
Diesem Argument ist nicht zu folgen.
Gemäß § 25 Abs 3 des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG) in der geltenden Fassung, auf welche Bestimmung sich der Kläger stützt, hat der Sachverständige dann, wenn seine Tätigkeit aus seinem Verschulden unvollendet geblieben ist, keinen, sonst nur einen Anspruch auf die seiner unvollendeten Tätigkeit entsprechende Gebühr. Dieser Wortlaut entspricht exakt jenem, den der damalige § 25 Abs 3 bereits in seiner Stammfassung, BGBl Nr.136/1975, hatte. Nach den Intentionen des Gesetzgebers (vgl GP XIII, 1336 der Beilagen, 26), sollte der Gebührenanspruch entfallen, wenn die Tätigkeit des Sachverständigen aus seinem Verschulden unvollendet geblieben ist, etwa dann, wenn er nach der Befundaufnahme trotz mehrmaliger Friststellung durch das Gericht das Gutachten nicht erstattet. In Fällen, wo es aber ohne sein Verschulden zur Befund- oder Beweisaufnahme nicht gekommen ist, sollte er Anspruch auf Ersatz und Gebühr bezüglich der von ihm bereits geleisteten Arbeit haben.
Im vorliegenden Fall kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die unterbliebene „Vollendung“ des Gutachtens nicht auf das Verschulden der Sachverständigen ***** zurückzuführen ist.
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf die Regelung des § 25 Abs 1 GebAG stützen, wenn er behauptet, die Sachverständige hätte bei Zweifeln über den Umfang und Inhalt des gerichtlichen Auftrags die Weisung des Gerichtes einzuholen gehabt. Dass dies der Fall gewesen wäre, ist dem gesamten Akteninhalt nicht zu entnehmen. Der Gutachtensauftrag war auch völlig eindeutig, weshalb weder Umfang noch Inhalt desselben in Zweifel zu ziehen waren. Wie dargestellt, erhielt die Sachverständige (aus dem Bereich der Unfallchirurgie) ***** vom Gericht den Auftrag, zunächst eine Untersuchung und Befundaufnahme mit dem Kläger durchzuführen. Dem ist sie nachgekommen und nach persönlicher Besprechung mit dem Kläger, Einholung und Einsichtnahme in alle nötigen Behandlungsunterlagen zum Ergebnis gelangt, dass die zweite Operation, welcher sich der Kläger unterzogen hat, nicht ihrem Fachgebiet zuzurechnen ist; aus diesem Grunde hat sie dem Erstgericht auch vorgeschlagen, nicht etwa zusätzlich einen Orthopäden und damit einen weiteren Sachverständigen beizuziehen, sondern sogleich einen Sachverständigen, der beide Fachgebiete abdeckt, zu bestellen. Dies erscheint auch im Sinne der Grundsätze des Gebührenanspruchsgesetzes durchaus sinnvoll und zweckmäßig, um die im Fall des Klägers umstrittene Frage des Vorliegens eines Behandlungsfehlers einer Klärung zuzuführen. Es entspricht geradezu ihrer Verpflichtung, auf die Notwendigkeit eines anderen oder weiteren Gutachters zu verweisen, wenn sie sich selbst aufgrund ihrer Ausbildung und beruflichen Tätigkeit, nicht aber aufgrund fehlender fachlicher Qualifikation zur Beantwortung der hier maßgeblichen Fragen nicht in der Lage sieht. Abgesehen davon, dass es durchaus nachvollziehbar erscheint, dass die Sachverständige nach genauer Abklärung der erfolgten Behandlungsschritte und Einsichtnahme in die maßgeblichen Unterlagen zu diesem Ergebnis gekommen ist, sei darauf verwiesen, dass der Kläger sowohl in der Klage als auch in dem von ihm eingebrachten weiteren Schriftsatz vom 4.November 2016 (ON 12) immer nur einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Unfallchirurgie, nicht aber einen solchen aus dem Fachgebiet der Orthopädie beantragt hat. Demgemäß kann auch keinesfalls davon ausgegangen werden, die bestellte Sachverständige ***** hätte sich zunächst irgendwelche Kenntnisse angemaßt, die sie von Beginn an nie gehabt hätte.
Nicht zu folgen ist auch dem weiteren Argument, die Sachverständige hätte „bei ordnungsgemäßer Lektüre“ der bereits im Gerichtsakt befindlichen Schriftsätze und Unterlagen von Anfang an ihre mangelnde Eignung zur Erstellung eines Gutachtens erkennen müssen, ist doch damit zwangsläufig auch verbunden, dass die Sachverständige ***** genau jene Tätigkeiten verrichten muss, die sie auch tatsächlich erbracht hat und für die sie nun den Gebührenanspruch geltend macht. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass sie für die zweistündige Untersuchung des Klägers in Oberzeiring am 10.Dezember 2016 ausdrücklich keinen Gebührenanspruch geltend macht und für sämtliche übrigen Leistungen lediglich eine Stunde an Gebühr für Mühewaltung verzeichnet; ein Aufwand, welcher zweifellos auch mit der bloßen Einsichtnahme in das wechselseitige Prozessvorbringen und die vorgelegten medizinischen Unterlagen anerlaufen wäre. Dass die Sachverständige – wie ausgeführt – erst im Zuge ihrer Erhebungen zum Ergebnis kam, die zweite Operation (von einer „Revisionsoperation“ spricht der Kläger weder in der Klage noch im genannten Schriftsatz) würde in das Fachgebiet der Orthopädie fallen, stellt zweifellos kein Verhalten dar, welches im Sinne einer „verschuldeten Unvollendung“ des Gutachtens den Gebührenanspruch für die bisher erbrachten Leistungen beseitigen könnte. Derartiges wäre etwa dann denkbar, wenn der Sachverständige einen Gerichtsauftrag, dem er erkennbar nicht gewachsen ist und den er daher in der Folge zurücklegen muss (WR 555). Davon kann jedoch im vorliegenden Fall keine Rede sein, beruht doch die unterbliebene Gutachtenserstattung nicht auf mangelnder unfallchirurgischer Qualifikation, sondern auf der Notwendigkeit der Beiziehung eines Sachverständigen (auch) aus einem zusätzlichen Fachgebiet.
Gegen die einzelnen Positionen der Gebührennote liegen weder im erstinstanzlichen noch im Rekursverfahren weitere Argumente vor.
Es ist daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 5 ZPO.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 6
Textnummer
EG00138European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0639:2017:00600R00013.17D.0926.000Im RIS seit
25.10.2017Zuletzt aktualisiert am
30.10.2017