Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. I***** GmbH, *****, 2. Magret K*****, beide vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin Mag. Carina K*****, vertreten durch Mag. Dr. Peter Hombauer, Rechtsanwalt in Wien, sowie der weiteren Mit- und Wohnungseigentümer 1. Stefan R*****, 2. Claudia R*****, beide vertreten durch Mag. Dr. Peter Hombauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 16 Abs 2 WEG, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Antragsgegnerin und der weiteren Mit- und Wohnungseigentümer Stefan und Claudia R*****, gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. März 2017, GZ 40 R 231/16s-20, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung:
Das Erstgericht ersetzte die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Unterfertigung des seiner Entscheidung angeschlossenen Einreichplans Beilage ./A.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Die außerordentlichen Revisionsrekurse der Antragsgegnerin und der weiteren Mit- und Wohnungseigentümer Stefan und Claudia R***** zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten Mängel (darunter derjenige der Verletzung des rechtlichen Gehörs) können zwar auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht – wie hier – verneint worden sind (RIS-Justiz RS0121265).
1.2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der weiteren Mit- und Wohnungseigentümer ist aber nicht zu erkennen. Dass die weiteren Mit- und Wohnungseigentümer entgegen der Behauptung im ursprünglichen Antrag dem Antragstellervertreter keine Vollmacht zur Antragstellung erteilt hatten, berücksichtigte das Erstgericht ohnedies. Noch vor Fassung des Sachbeschlusses erster Instanz veranlasste es die Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags, eines weiteren Schriftsatzes der Antragsteller und der Protokollabschrift der Tagsatzung vom 26. 4. 2016 an die weiteren Mit- und Wohnungseigentümer mit dem Hinweis, dass ihnen die allfällige Äußerung binnen zwei Wochen zustehe. Von dieser Äußerungsmöglichkeit machten die weiteren Mit- und Wohnungseigentümer keinen Gebrauch.
1.3. Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht mehr absolut – wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO – wirkt. Er kann somit nur dann zur Aufhebung führen, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RIS-Justiz RS0120213). Um einen erheblichen Verfahrensverstoß durch Verletzung des rechtlichen Gehörs wirksam geltend zu machen, ist im Revisionsrekurs die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen, ansonsten ist die Rüge nicht gesetzeskonform ausgeführt (RIS-Justiz RS0120213 [T14, T21]). Der Rechtsmittelwerber hat darzulegen, welches konkrete (zusätzliche) Vorbringen er erstattet bzw welche konkreten (weiteren) Beweismittel er angeboten hätte, wäre er dem Verfahren erster Instanz umfassend beigezogen worden (RIS-Justiz RS0120213 [T9]).
1.3. Eine Relevanz im soeben dargestellten Sinn zeigen die Revisionsrekurswerber nicht auf. Eine nähere Erörterung, ob das Erstgericht überhaupt zu weiterer Anleitung der in erster Instanz unvertretenen Mit- und Wohnungseigentümer verpflichtet gewesen wäre, kann schon deshalb unterbleiben, weil die Revisionsrekurswerber nicht näher dartun, welches Vorbringen die weiteren Mit- und Wohnungseigentümer diesfalls erstattet oder welche Beweise sie angeboten hätten (RIS-Justiz RS0120056 [T8]). Auf die Frage der Heilung einer allfälligen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Zustellung des Sachbeschlusses erster Instanz nach den Kriterien der Entscheidung 5 Ob 23/01w kommt es daher hier gar nicht an.
2. Die Vorinstanzen gingen nicht von einer Zustimmung der Revisionsrekurswerber zur Einreichplanung aus, sondern davon, dass bereits mit der Entscheidung zu 4 Msch 34/13w des Erstgerichts eine Genehmigung des Umbaus erfolgt sei. Der nunmehr vorliegende Einreichplan enthalte keine so umfassenden Änderungen, dass dies eine neuerliche Prüfung der Beeinträchtigung der Interessen der Mit- und Wohnungseigentümer erfordern würde. Diese aus höchstgerichtlicher Judikatur (RIS-Justiz RS0127250) ableitbare Rechtsauffassung ziehen die Revisionsrekurswerber nicht in Zweifel, sie ist jedenfalls vertretbar.
3. Im Hinblick darauf, dass an der gesamten Liegenschaft Wohnungseigentum begründet ist, ist das Änderungsrecht des Mit- und Wohnungseigentümers nach § 16 Abs 2 WEG und nicht nach den Regeln für schlichtes Miteigentum (§ 835 ABGB) zu beurteilen. Gegenstand des Verfahrens ist kein (Mehrheits-)Beschluss der Eigentümergemeinschaft, sondern eine von den Antragstellern beabsichtigte Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG, die grundsätzlich der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedarf; erteilen sie diese Zustimmung nicht, kann sie nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 16 Abs 2 WEG unter den dort genannten Voraussetzungen über Antrag vom Außerstreitgericht ersetzt werden (vgl RIS-Justiz RS0083174).
4. Da insgesamt keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG zu lösen sind, waren die außerordentlichen Revisionsrekurse zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Schlagworte
1 Generalabonnement,8 außerstreitige Wohnrechtssachen,14 (Zivil-)Verfahrensrechtliche EntscheidungenTextnummer
E119465European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00090.17X.0926.000Im RIS seit
10.10.2017Zuletzt aktualisiert am
07.12.2017