TE OGH 2017/9/27 9Ob42/17t

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Veröffentlicht am 27.09.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei G***** M*****, vertreten durch MMag. Dr. Michael Michor und Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei I***** P*****, vertreten durch Pitzal Cerny & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Räumung (Streitwert 12.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2017, GZ 21 R 229/16h-59, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Neulengbach vom 8. September 2016, GZ 2 C 327/14d-54, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 939,24 EUR (darin 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat über Antrag des Klägers nachträglich die ordentliche Revision zur Frage zugelassen, ob die Überlassung von Grundstücken zu einem bestimmten, zeitlich nicht begrenzten Zweck sowie die Zustimmung zu nicht unerheblichen Investitionen in diese Grundstücke auch bei Haus und Garten auf einen längerfristigen Bindungswillen schließen ließen, der der Annahme eines Prekariums entgegenstehe. Entgegen diesem
– den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch liegt hier keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vor. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die vom Kläger geltend gemachten Revisionsgründe des Verfahrensmangels und der Aktenwidrigkeit wurden geprüft, liegen jedoch nicht vor:

Das Erstgericht stellte als Sachverhalt fest: „Ein jederzeitiges Widerrufsrecht der Wohnmöglichkeit wurde nicht ausdrücklich vereinbart“ (Ersturteil S 8). In der Beweiswürdigung („Andererseits waren auch die bloßen Aussagen der Zeugen Dr. ***** L***** und ***** G***** ausreichend, um eine ausdrückliche Vereinbarung eines jederzeitigen Widerrufs gegenüber dem Beklagten feststellen zu können“, Ersturteil S 12) wurde angesichts des festgestellten Sachverhalts und nach dem Gesamtzusammenhang der gewürdigten Zeugenaussagen lediglich ein „nicht“ ausgelassen. Eine dislozierte Feststellung des Erstgerichts, die das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen oder ohne Beweiswiederholung in ihr Gegenteil verkehrt hätte, kann darin nicht gesehen werden.

3. Im Rahmen der Rechtsrüge meint der Kläger, im ersten Rechtsgang sei der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts nur zum Thema der jederzeitigen Widerruflichkeit erfolgt. Das Thema der Unentgeltlichkeit der Bittleihe sei abschließend erledigt worden und könne nicht neuerlich aufgerollt werden.

Dies trifft nicht zu, erachtete das Berufungsgericht in jenem Beschluss doch etwa die Feststellungen über etwaige Zahlungen als widersprüchlich und konnte nicht abschließend beurteilen, „ob tatsächlich ein Prekarium mit jederzeitiger Widerruflichkeit und Unentgeltlichkeit“ vorliegt. Die Frage der Entgeltlichkeit konnte damit auch im zweiten Rechtsgang überprüft werden. Die nunmehrige Ausführung des Berufungsgerichts, dass die Aufhebung und Zurückverweisung nur zum Thema der jederzeitigen Widerruflichkeit erfolgte (Berufungsurteil S 7), ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass ein Tatbestand für etwaige andere Rechtsgrundlagen des Räumungsbegehrens, auf die sich der Kläger nun stützen will („jeder erdenklicher Rechtsgrund“), nicht verfahrensgegenständlich war. Der Kläger erstattete zu solchen auch kein Sachvorbringen. Im Übrigen erachtete das Berufungsgericht das Klagebegehren auch bei Annahme der Unentgeltlichkeit in vertretbarer Weise (s sogleich) als nicht berechtigt, sodass es auf die Bewertung der in der Revision thematisierten Gartenarbeit des Beklagten nicht maßgeblich ankommt.

4. Ob aus dem Verhalten des Beklagten und dem Rechtsvorgänger des Klägers auf den konkludenten Abschluss eines Vertrags geschlossen werden kann und, wenn ja, welches, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls; nur bei unvertretbarer Auslegung wäre die Revision zulässig (RIS-Justiz RS0042936; zum Prekarium s auch 5 Ob 120/10y). Das ist hier nicht der Fall:

Bei der Bittleihe (Prekarium) handelt es sich um einen Leihvertrag, für den der Gebrauch der Sache gegen jederzeitigen Widerruf eingeräumt wird, sodass der Verleiher die Sache nach Willkür zurückfordern kann. Das kennzeichnende Merkmal einer Bittleihe im Sinn des § 974 ABGB, die nicht vermutet wird, sondern von dem nachzuweisen ist, der sich darauf beruft (RIS-Justiz RS0019200, RS0020518 [T2, T3, T4]), besteht darin, dass keine Verbindlichkeit des Verleihers zur Gestattung des Gebrauchs besteht, weder die Dauer des Gebrauchs noch die Absicht des Gebrauchs bestimmt werden und die Überlassung im Wesentlichen unentgeltlich erfolgt (RIS-Justiz RS0020524, RS0019083, RS0019221, RS0019196).

Der für das Prekarium wesentlichen Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs entspricht der Mangel der Bindung des Verleihers für die Zukunft (RIS-Justiz RS0020524 [T3] ua). Mangels ausdrücklicher Vereinbarung der freien Widerruflichkeit müsste sich eine solche aus den Umständen des Falls ergeben. Grundsätzlich spricht die Unentgeltlichkeit für die Widerruflichkeit (RIS-Justiz RS0019196 [T6]). Aber auch bei Unentgeltlichkeit kann sich ein gegenteiliger Bindungswille für die Zukunft aus den Umständen ergeben (7 Ob 65/14f mwN).

Der Kläger verweist für die freie Widerruflichkeit auf die Feststellung, dass „ein besonderer Bindungswille des [Rechtsvorgängers des Klägers] an den Beklagten nicht bestand“ und im Allgemeinen niemand ohne entsprechendes Entgelt eine Verpflichtung eingeht, durch die er in der freien Ausübung seines Eigentumsrechts beschränkt wird. Dies lässt im vorliegenden Fall aber außer Acht, dass der Rechtsvorgänger des Klägers, der dem Beklagten die Wohnräume im Erdgeschoss des klagsgegenständlichen Hauses bereits im Jahr 1991 zur Nutzung überlassen hatte, dem Beklagten nicht nur gestattete, die Wohneinheit zu renovieren, sondern auch Instandsetzungsarbeiten des Beklagten am Haus billigte, diesem die Liegenschaft im Jahr 1998 (bis zu einer Abänderung) sogar testamentarisch vermachte und der Beklagte infolgedessen – vorerst im Einvernehmen mit dem Rechtsvorgänger des Klägers – auch größere Renovierungsarbeiten vornahm. Der Rechtsvorgänger des Klägers übergab dem Beklagten später auch die Schlüssel mit dem Hinweis, die Familie des Beklagten könne nun das ganze Haus bewohnen und mit den darin befindlichen Gegenständen nach Belieben verfahren, er würde nicht mehr wieder kommen. Wenn das Berufungsgericht aus all dem auf einen längerfristigen Bindungswillen des Rechtsvorgängers des Klägers schloss und keine ausreichenden Anhaltspunkte für die vorgebrachte jederzeitige Widerrufbarkeit erkennen konnte, ist dies vertretbar und nicht weiter korrekturbedürftig.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (s RIS-Justiz RS0035979).

Textnummer

E119645

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00042.17T.0927.000

Im RIS seit

30.10.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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