TE OGH 2017/9/27 7Ob155/17w

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Veröffentlicht am 27.09.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Tanja Mulley, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Lippitsch.Neumann Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 40.531,35 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 1. Juni 2017, GZ 5 R 193/16p-52, womit das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 16. September 2016, GZ 3 C 2062/13x-48, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Revision wird in Ansehung der Klagsforderungen von 4.759,48, 4.862,18, 4.999,96, 4.341,14, 4.902,26, 4.799,56 und 1.593,81 EUR jeweils sA zurückgewiesen.

2. In Ansehung der Klagsforderung von 10.272,96 EUR sA wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten für – im Zeitraum 3. 4. 2013 bis 23. 5. 2013 gelieferte – medizinisch-technische Produkte die Zahlung eines sich aus sieben Einzelrechnungen zusammensetzenden Betrags von 38.937,54 EUR sA sowie weiters die Zahlung von 1.593,81 EUR sA an kapitalisierten Zinsen aus Vorperioden, sohin insgesamt 40.531,35 EUR.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte Gegenforderungen in Höhe von 248.330,60 EUR ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 40.531,35 EUR sA als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Es behielt die „konkrete Formulierung der Leistungsverpflichtung sowie die Kostenentscheidung“ dem Endurteil vor.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die außerordentliche Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen, andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096). § 55 Abs 1 JN ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen, sodass eine Zusammenrechnung im Zweifel ausscheidet (RIS-Justiz RS0122950). Für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen dieser Bestimmung ist von den Angaben in der Klage auszugehen (RIS-Justiz RS0106759 [T3]).

Die Zusammenrechnung der Werte mehrerer Ansprüche (objektive Klagenhäufung) setzt einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang voraus. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie aus demselben Klagssachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus einer Gesetzesvorschrift oder aus einem einheitlichen Rechtsgeschäft abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0037648, RS0037899 [T3]) und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (vgl RIS-Justiz RS0037648 [T18, T19]).

Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder gesondert zu beurteilen, es findet also keine Zusammenrechnung statt (RIS-Justiz RS0037899; RS0037648 [T18]). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Ansprüche aus verschiedenen Verträgen betreffend verschiedene Rechtsgüter auch bei Gleichartigkeit nicht in einem sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037926 [T23, T26]).

Hier ist die Klägerin selbst davon ausgegangen, dass weder ein tatsächlicher noch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den von ihr geltend gemachten Forderungen besteht. Hat sie doch nach Aufforderung, Vorbringen iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN zu erstatten, lediglich die Überweisung der ursprünglich beim Landesgericht eingebrachten Klage an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht mit der Begründung beantragt, dass keiner der geltend gemachten Ansprüche die bezirksgerichtliche Wertgrenze übersteige. Die Berechtigung der einzelnen Forderungen ist getrennt voneinander zu prüfen. Die Teilforderungen bilden daher mehrere Entscheidungsgegenstände, die im Hinblick auf die Zulässigkeit der Revision gesondert zu beurteilen sind (RIS-Justiz RS0042741 [T11]).

2. Die Revision ist jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO). Streitgegenstand im Sinne der Begrenzung der Revisionszulässigkeit nach § 502 Abs 2 ZPO kann – von einem Zwischenfeststellungsantrag abgesehen – nur ein mit Klage verfolgter Anspruch sein. Dass im Fall der aufrechnungsweisen Geltendmachung einer Gegenforderung über 5.000 EUR eine urteilsmäßige Entscheidung über diese gemäß § 411 Abs 1 ZPO bis zur Höhe des Betrags, mit welchem aufgerechnet werden soll, ebenfalls der Rechtskraft teilhaft wird, ändert daran nichts (RIS-Justiz RS0041291).

Der Umstand, dass sich die Berufung der Beklagten im Anlassfall letztlich nur gegen die Verneinung der Berechtigung der von ihr erhobenen Gegenforderungen richtete, ändert daher nichts an der Unzulässigkeit der Revision in Ansehung der unter Punkt 1. des Spruchs genannten Klagsforderungen. Das Berufungsgericht hatte hier wegen der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche über mehrere Entscheidungsgegenstände zu erkennen, die (jeweils) einen Wert von 5.000 EUR nicht übersteigen. In diesem Umfang ist daher die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

3. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

Wird gegen eine Entscheidung, die nur mittels Abänderungsantrag angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat – auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge iSd § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind (RIS-Justiz RS0109623). In Ansehung der unter Punkt 2. des Spruchs genannten Klagsforderung war daher der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

Textnummer

E119641

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00155.17W.0927.000

Im RIS seit

30.10.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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