Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Prutsch & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. R***** M*****, 2. A***** M*****, vertreten durch Konrad Rechtsanwälte GmbH in Graz, und den auf Seiten der beklagten Parteien beigetretenen Nebenintervenienten DI H***** S*****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 143.605,58 EUR sA (Revisionsinteresse: 112.516,70 EUR sA; Rekursinteresse: 3.361,23 EUR sA), über die Revision und den Rekurs der beklagten Parteien gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. April 2017, GZ 4 R 162/16z-76, mit dem der Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Juli 2016, GZ 39 Cg 10/15t-67, nicht Folge und der dagegen gerichteten Berufung der klagenden Partei teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision und der Rekurs der beklagten Parteien werden zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.763,63 EUR (darin 460,60 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung und die mit 481,21 EUR (darin 80,20 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Die Revision und der Rekurs der Beklagten sind entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a ZPO) – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts unzulässig; die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
II.1. Die Revisionsausführungen der Beklagten richten sich dagegen, dass der mit der Klägerin vereinbarte Gewährleistungsausschluss nicht auch die Bodenbeschaffenheit bezüglich der von ihnen mit einer Hoffläche veräußerten Liegenschaftsanteile betroffen habe. Das Risiko erhöhter Baukosten aufgrund einer nicht erwarteten Bodenbeschaffenheit habe der Käufer zu tragen.
Eine Leistung ist als mangelhaft anzusehen, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, also dem Vertragsinhalt, zurückbleibt (9 Ob 64/16a; RIS-Justiz RS0018547). Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (9 Ob 64/16a; RIS-Justiz RS0018547 [T5, T6]; RS0114333 [T5]).
Die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsverzichts ist durch Auslegung zu ermitteln. Im Zweifel sind Verzichtserklärungen allerdings restriktiv auszulegen (RIS-Justiz RS0018561). Auf das Fehlen einer auch nur schlüssig zugesicherten Eigenschaft erstreckt sich selbst ein umfassender Gewährleistungsverzicht nicht (RIS-Justiz RS00126093 [T1] = 9 Ob 50/10h mwN; s auch RS0018523).
Nach den Feststellungen vereinbarten die Parteien, dass sich die von den Beklagten übertragenen Liegenschaftsanteile für die Errichtung des im August 2013 bewilligten Bauprojekts durch die Klägerin eignen. In der Revision gestehen die Beklagten auch zu, dass die Bebaubarkeit nach einem bestimmten Plan (gemäß der Baubewilligung) Gegenstand der Zusicherungen war. Dass die Bebaubarkeit entsprechend der Baubewilligung eine zugesicherte Eigenschaft war, kann danach nicht zweifelhaft sein. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagten vom Bestehen des – im Zuge der Bauarbeiten hervorgekommenen – Fernwärmeraums keine Kenntnis hatten. Danach ist es aber nicht weiter zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen den vereinbarten Gewährleistungsverzicht nicht auch auf diesen Umstand bezogen.
Soweit sich die Beklagten für ihren Standpunkt auf die Entscheidung 8 Ob 57/14m berufen, wurde dort ausgesprochen, dass im Allgemeinen die objektive Bebaubarkeit geschuldet wird und durch die allgemein gehaltene Mitteilung des Verwendungszwecks der Käufer das an die freie Auswahl des Kaufgegenstands geknüpfte Eigenrisiko grundsätzlich nicht auf den Käufer überwälzen kann, sodass für die Möglichkeit des Bauens nach einem bestimmten Plan oder zu einer bestimmten Zeit grundsätzlich nicht Gewähr zu leisten ist. Anders als im vorliegenden Fall wurde dort die Risikoverteilung im Kaufvertrag aber dahin festgelegt, dass eine Prüfung der Bebaubarkeit durch die Klägerin vorgesehen wurde. Jenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass dem dort Beklagten die konkrete Dimension des Bauprojekts bei Vertragsabschluss bereits bekannt war (erst im Folgejahr wurde jener Klägerin eine Bauplatz- und Baubewilligung zur Errichtung ihres Bauprojekts erteilt). Er hatte auch keine Äußerungen und Zusagen zur Bebaubarkeit des Grundstücks gemacht, während im Anlassfall zugesichert war, dass eine Bebaubarkeit wie in der Baubewilligung möglich sei. Ein Korrekturbedarf zur Entscheidung des Berufungsgerichts besteht danach nicht.
Mangels einer erheblichen Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
2. Soweit die Beklagten in ihrem Rekurs vorbringen, dass sie keine Zusicherung in Bezug auf eine konkrete Bodenbeschaffenheit gemacht hätten und daher keine Ansprüche aus dem Titel der Gewährleistung bestünden, kann auf obige Ausführungen verwiesen werden.
Im Übrigen richtet sich der Rekurs nur dagegen, dass mit dem Ersatz der für die Verlegung des Fernwärmeraums erforderlichen Verbesserungskosten aus der Selbstvornahme der Klägerin ein Bereicherungsanspruch geltend gemacht werde, mit dem die Rechtsbehelfe des Gewährleistungsrechts nicht umgangen werden dürften.
Nach der Rechtsprechung kann dem Willen des Gesetzgebers nicht entnommen werden, dass der in § 932 Abs 2 und 4 ABGB normierte „Vorrang der Verbesserung“ die Konsequenz haben solle, dass der Übernehmer bei „voreiliger Selbstvornahme“ der Verbesserung endgültig mit den gesamten Kosten der Verbesserung belastet bleiben soll (RIS-Justiz RS0123968; 7 Ob 228/14a). Vielmehr kann der Übernehmer auch dann, wenn er dem Veräußerer keine Verbesserungsmöglichkeit eröffnet hat, sondern die Sache selbst verbesserte oder (im Regelfall) durch einen Dritten verbessern ließ, jedenfalls jene Kosten begehren, die der Veräußerer hätte aufwenden müssen, wenn ihm die im Gesetz grundsätzlich vorgesehene „Chance zur zweiten Andienung“ eingeräumt worden wäre (RIS-Justiz RS0123969; 7 Ob 228/14a). Er kann also den Ersatz seines Aufwands jedenfalls insoweit verlangen, als dieser Aufwand auch den Übergeber getroffen hätte. Sofern dem Übergeber im Einzelfall aus besonderen Gründen geringere Kosten aufgelaufen wären, ist er dazu gehalten, dies zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0123968 [T2, T3] = 1 Ob 15/09a; RS0123969; 7 Ob 228/14a).
Ist aber der Ersatz des Aufwands bereits bei „voreiliger Selbstvornahme“ der Verbesserung möglich (zur dogmatischen Auseinandersetzung s 8 Ob 14/08d), kann im vorliegenden Fall nichts anderes gelten. Die Beklagten bringen im Rekurs auch keine Gründe vor, warum sie die Verbesserung verweigern hätten dürfen und der Klägerin lediglich sekundäre Gewährleistungsbehelfe (Preisminderung, Wandlung) zugestanden wären. Ebenso wenig behaupten sie, dass sie die Mangelbehebung günstiger bewerkstelligen hätten können. Danach wird aber auch im Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Auch dieser ist daher zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision und des Rekurses hingewiesen (s RIS-Justiz RS0035979).
Textnummer
E119453European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00045.17H.0927.000Im RIS seit
09.10.2017Zuletzt aktualisiert am
13.06.2018