Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** W*****, vertreten durch Mag. Dr. Vera Weld, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2017, GZ 34 R 136/16a-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. August 2016, GZ 28 C 345/15t-11, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Klägerin unzulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1. Im Rechtsmittel ist die Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels – wenn sie nicht offenkundig ist – darzulegen. Im Falle der Behauptung der Verletzung der Anleitungspflicht muss daher der Rechtsmittelwerber darlegen, was er im Falle einer ordnungsgemäßen Erörterung seines Vorbringens vorgebracht hätte, weil nur auf dieser Grundlage die Wesentlichkeit des Mangels beurteilt werden kann (RIS-Justiz RS0037325 [T5]). Dies ist unterblieben, sodass der Mängelrüge der Erfolg versagt werden muss.
2.1 Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0034524; vgl auch RS0034374). Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RIS-Justiz RS0034951 [T1, T2, T4 bis T7] uva). Über die Beweislage muss der Geschädigte nicht Kenntnis haben. Er kann nicht solange warten, bis er alle Beweismittel gesammelt hat, die sein Prozessrisiko auf ein Minimum reduzieren (RIS-Justiz RS0034524 [T6], RS0034515). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen nicht (RIS-Justiz RS0034524 [T6, T18]).
2.2 Der Geschädigte kann sich nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erlangt. Wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS-Justiz RS0034327, vgl auch RS0034335). Dabei ist auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen (RIS-Justiz RS0113916). Die Erkundigungspflicht des Geschädigten, die sich auf die Voraussetzungen einer erfolgversprechenden Anspruchsverfolgung schlechthin und nicht nur auf die Person des Schädigers erstreckt, darf dabei nicht überspannt werden (vgl RIS-Justiz RS0034327).
2.3 Die Verjährung beginnt somit zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Geschädigte ausreichend Gewissheit über das Verschulden des Ersatzpflichtigen hat oder weiß, dass er ohne eigene Aktivität, zu der dann auch die Einholung sachverständigen Rates gehört, seinen Wissensstand nicht mehr erhöhen kann (RIS-Justiz RS0050360 [Amtshaftung: {T7} Allgemeiner Schadenersatz]).
2.4 Die Klägerin gründet ihren Ersatzanspruch darauf, dass sie 1993 durch im Krankenhaus der Beklagten verabreichte Blutkonserven (Blutplasmaprodukte) mit Hepatitis-C infiziert worden sei, welche Erkrankung 1997 diagnostiziert wurde.
2.5 Feststeht, dass die Klägerin bereits am 24. 3. 1997 eine komplette Krankengeschichte ausgefolgt erhielt. Mit Schreiben vom 21. 4. 2011 forderte der Klagevertreter, namens der Klägerin, vom Krankenhaus neuerlich die Übermittlung der – in Verstoß geratenen – Krankengeschichte, weil der Verdacht bestehe, dass sich die Klägerin während ihres Krankenhausaufenthalts durch Verabreichung von Blutkonserven (Blutplasmaprodukten) mit Hepatitis-C infiziert habe. Dem wurde von der Beklagten nicht entsprochen.
2.6 Die Beurteilung der Vorinstanzen, vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhalts seien der Klägerin bereits zum Zeitpunkt dieses Aufforderungsschreibens die Kausalzusammenhänge zwischen der Behandlung im Krankenhaus der Beklagten, den verabreichten Blutkonserven und der bei ihr 1997 diagnostizierten Erkrankung soweit bekannt gewesen, um daraus resultierende Ersatzansprüche geltend zu machen, ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Immerhin hat die Klägerin, ohne nach dem Aufforderungsschreiben und der Untätigkeit der Beklagten weitere Schritte zu setzen, um ihren Wissensstand zu erhöhen und die Faktenlage zu verbessern, die ausschließlich auf dem Kenntnisstand von April 2011 gründende Klage – der sie wohl Erfolgsaussichten unterstellt – erst am 20. 3. 2015 erhoben. Der Eintritt der Verjährung wurde damit vom Berufungsgericht im Rahmen der oberstgerichtlichen Judikatur bejaht.
3. Da die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, war die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Textnummer
E119589European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00091.17H.0927.000Im RIS seit
23.10.2017Zuletzt aktualisiert am
24.01.2019