Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** S*****, vertreten durch Baier Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** V*****, und 2. Ing. T***** T*****, beide vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 559.407 EUR sA, über die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. August 2016, GZ 11 R 89/16p-80, womit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 5. Februar 2016, GZ 27 Cg 22/14z-68, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Zwischenurteil wird aufgehoben und die Rechtsache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der zweitbeklagten Partei zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Der Kläger ist Inhaber eines Maler- und Fassadenunternehmens. Mitte 2010 wurde er von F***** kontaktiert, der ihm erklärte, er habe mit dem Zweitbeklagten, dem Bürgermeister der Erstbeklagten, gesprochen, es gebe dort ein interessantes Projekt. In der Folge kam es im Gemeindeamt der Erstbeklagten zu einem ersten Treffen zwischen dem Kläger, seinem Steuerberater, F***** und dem Zweitbeklagten. Thema des Gesprächs waren vom Kläger auszuführende Vollwärmeschutzdämmungen in der Gemeinde der Erstbeklagten, die durch eine EU-Förderung finanziert werden sollten.
In weiterer Folge erhielt der Kläger einen schriftlichen Entwurf eines Werkvertrags zur Einsicht. Die darin genannte Auftragssumme betrug insgesamt 24.197.968 EUR. Laut einer Klausel dieses Werkvertrags war der Kläger verpflichtet, Verwaltungsgebühren in Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss zu „leisten“ und zu „bevorschussen“, die gegen Vorlage der Zahlungsbelege im Sinne der gültigen EU-Regelungen mit 55 % der Gesamthöhe „rückerstattungstauglich“ sein sollten. Der Kläger führte dann auch Gespräche im slowakischen Wirtschaftsministerium, wobei ihm zwei namentlich bezeichnete Gesprächspartner als Beamte des Wirtschaftsministeriums vorgestellt wurden, die aber nicht diese Personen waren. Mit einem gefälschten Beschluss des Wirtschaftsministeriums der Slowakischen Republik wurden dem Kläger Verwaltungsgebühren von 281.557 EUR und 277.850 EUR vorgeschrieben. Für die Vorschreibung solcher Verwaltungsgebühren gab es keine rechtliche Grundlage. Dem Kläger wurden in weiterer Folge Zahlungen gemäß dem Werkvertrag zugesagt, die er niemals erhielt.
Der Kläger begehrt von den Beklagten zu ungeteilter Hand die Zahlung der ihm mit dem gefälschten Beschluss des slowakischen Wirtschaftsministeriums insgesamt vorgeschriebenen 559.407 EUR. Er habe mit der Erstbeklagten einen Werkvertrag geschlossen, der ihn verpflichtet habe, die Verwaltungsgebühren für den Vertrag zu zahlen. Er habe diese wie vorgeschrieben gezahlt. Der Arbeitsbeginn habe sich immer weiter verzögert, der Kläger sei immer wieder vertröstet worden. Die Beklagten hafteten dem Kläger wegen culpa in contrahendo, der Zweitbeklagte außerdem als falsus procurator. Die Klage werde auch auf die Schädigung des Klägers durch ein betrügerisches Verhalten des Zweitbeklagten gestützt.
Die Beklagten bestritten das Begehren des Klägers. Die Erstbeklagte habe zwar, vertreten durch den Zweitbeklagten, 2010 und 2011 mit dem Kläger Gespräche über ein größeres Gebäudesanierungsprojekt geführt, habe mit dem Kläger aber nie einen Werkvertrag geschlossen. Es sei schon in der Stellungnahme vom 29. 10. 2010 klargestellt worden, dass die Umsetzung des Projekts die Zustimmung aller staatlichen Stellen der Slowakei benötige. Der Kläger habe die Verwaltungsgebühr von 559.407 EUR nicht gezahlt. Es gebe auch keine Rechtsgrundlage für die Vorschreibung derartiger Gebühren. Der Werkvertrag vom 25. 3. 2011 sei nicht vom Zweitbeklagten unterschrieben worden. Offenbar sei der Kläger Opfer betrügerischer Handlungen Dritter geworden. Eine betrügerische Bande habe in den Jahren 2010 bis 2012 in drei slowakischen Städten, darunter der Erstbeklagten, ihr Unwesen getrieben, mittels gefälschter Beschlüsse und Dokumente des slowakischen Wirtschaftsministeriums und der Bürgermeister dieser Städte unwissende Unternehmer in die Irre geführt und diesen Zahlungen in der Gesamthöhe von zumindest 4,2 Mio EUR herausgelockt. Selbst ausgehend von der Darstellung des Klägers wäre diesem auch ein Mitverschulden anzulasten; ihm habe klar sein müssen, dass der Zweitbeklagte ohne weitere Genehmigung nicht einfach Verträge für die Erstbeklagte über 24 Mio EUR abschließen könne.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegenüber der Erstbeklagten rechtskräftig ab und verpflichtete den Zweitbeklagten, dem Kläger 559.407 EUR sA zu bezahlen. Der Kläger habe diesen Betrag von seinem Konto abgehoben und bei einer slowakischen Bank eingezahlt. Der Rechtsstreit sei nach österreichischem Recht zu beurteilen. Der Zweitbeklagte habe an den betrügerischen Handlungen mitgewirkt und müsse daher den Schaden des Klägers ersetzen. Dem Kläger sei kein Mitverschulden anzulasten, weil er die mit großem Aufwand gefälschten Dokumente nicht als unecht habe erkennen müssen.
Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Zweitbeklagten die bekämpften Feststellungen über seine Beteiligung an den betrügerischen Handlungen. Die weitere Feststellung, dass der Kläger den ihm mit dem gefälschten Beschluss des slowakischen Wirtschaftsministeriums vorgeschriebenen Betrag von insgesamt 559.407 EUR von seinem Konto in Österreich abhob und bar bei einer slowakischen Bank einzahlte, übernahm es dagegen nicht. Das Erstgericht habe sich insofern mit der Aussage des Klägers im Zivilverfahren begnügt, die aber von seinen Angaben vor der Polizei (dort habe er von einem Schaden von 80.000 EUR gesprochen) abweiche. Auch müsse der Kläger schriftliche Nachweise (Einzahlungsbelege, Belege der Buchhaltung) vorweisen können. Es erließ ein Zwischenurteil und sprach die Haftung des Zweitbeklagten dem Grunde nach aus.
Der Zweitbeklagte strebt mit seiner außerordentlichen Revision eine gänzliche Klageabweisung an und stellt in eventu einen Aufhebungsantrag. Das Berufungsgericht hätte kein Zwischenurteil fällen dürfen, weil es die Feststellungen des Erstgerichts über die Zahlung der Verwaltungsgebühren nicht übernommen habe, sodass keine Feststellungen über den Eintritt eines Schadens vorhanden seien. Auch sei es kein Grund für eine „Zurückverweisung“, wenn der Kläger in erster Instanz seiner Beweispflicht nicht nachgekommen sei.
Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Erlassung eines Zwischenurteils abgewichen ist; sie ist deshalb auch berechtigt im Sinne des Aufhebungsantrags.
1. Grundsätzlich sind Zwischenurteile hinsichtlich ihrer formellen Voraussetzungen nur im Rahmen einer (hier auch geltend gemachten) Mangelhaftigkeit des Verfahrens überprüfbar (RIS-Justiz RS0123877). Auch ist das Rechtsmittelgericht nicht gehindert, bei einer anderen Rechtsauffassung über den Grund des Anspruchs an die Stelle eines Endurteils der Vorinstanz ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs zu setzen, wenn es der Ansicht ist, dass die Verhandlung in Ansehung der Höhe des eingeklagten Anspruchs zur Entscheidung noch nicht reif ist (RIS-Justiz RS0040721).
Ein solches Grundurteil darf aber prinzipiell nur gefällt werden, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen geklärt und alle Einwendungen erledigt sind (RIS-Justiz RS0040935; RS0040777); bei Schadenersatzansprüchen daher dann, wenn alle den Schadenersatz begründenden Voraussetzungen bejaht sind, also neben Verschulden und Rechtswidrigkeit auch der Kausalzusammenhang mit einer der in der Klage behaupteten Schadensfolgen, deren Eintritt ebenfalls feststehen muss (RIS-Justiz RS0040945 [T2]).
Dass nach § 393 Abs 1 letzter Halbsatz ZPO idF WGN 1989 ein Zwischenurteil auch dann gefällt werden kann, wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht, bedeutet nicht, dass ein Zwischenurteil auch dann möglich ist, wenn noch gar nicht feststeht, dass das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten einen Schaden des Klägers verursacht hat (RIS-Justiz RS0102003).
2. Hier steht zwar fest, dass der Kläger durch betrügerische Vorspiegelungen zur Zahlung von „Verwaltungsgebühren“ veranlasst werden sollte. Die Feststellung über die tatsächlich geleistete Zahlung, die den Schaden hier überhaupt erst entstehen hätte lassen, hat das Berufungsgericht aber eliminiert. Es ist daher nicht nur die Höhe des (bereits entstandenen) Schadens strittig, sondern es steht noch nicht fest, ob überhaupt ein Schaden eingetreten ist. Es lagen daher die Voraussetzungen für die Erlassung des Zwischenurteils nicht vor, weshalb die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zu bejahen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur Behandlung der nicht erledigten Beweisrüge bezüglich des dem Kläger entstandenen Schadens an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist: Hat nämlich das Berufungsgericht aufgrund der in der Berufung vorgetragenen Beweisrüge Zweifel an den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, muss es selbst im Rahmen einer Beweiswiederholung und allenfalls einer Beweisergänzung die Sachgrundlagen der Entscheidung schaffen (RIS-Justiz RS0040132 [T2]). Im Hinblick darauf, dass das Erstgericht die bekämpfte Feststellung über die Zahlung der „Verwaltungsgebühren“ mit der Aussage des Klägers und eines Zeugen (vgl S 25 der erstgerichtlichen Urteilsausfertigung) begründete, kann sich das Berufungsgericht dieser Verpflichtung nicht unter Hinweis auf einen Begründungsmangel des Erstgerichts (vgl dazu Rechberger in Fasching/Konecny2 § 272 ZPO Rz 8) entziehen.
3. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
Schlagworte
ZivilverfahrensrechtTextnummer
E119643European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00198.16F.0928.000Im RIS seit
30.10.2017Zuletzt aktualisiert am
30.10.2017