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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 26. Mai 1975 geborenen B M in Wien, vertreten durch Mag. Peter Solt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg, vom 8. Juli 1998, Zl. Fr-76/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 8. Juli 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen albanischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 iVm den §§ 37 und 38 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen. Weiters wurde mit diesem Bescheid der von der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung bestätigt.
Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens führte die belangte Behörde begründend aus, der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben am 7. August 1997 am Flughaften Wien-Schwechat legal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Ein am 12. August 1997 gestellter Asylantrag sei mittels Bescheids des Bundesministers für Inneres, rechtskräftig seit 9. Oktober 1997, abgewiesen worden. Infolge einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof sei von diesem die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden; es komme dem Beschwerdeführer daher die gleiche Eigenschaft zu wie vor Erlassung des bekämpften Bescheides.
Am 20. Jänner 1998 habe der Beschwerdeführer versucht, illegal am Grenzübergang Salzburg-Hauptbahnhof in die Bundesrepublik Deutschland auszureisen und sei hiebei von bayerischen Grenzbeamten aufgegriffen worden. Da er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt tatsächlich nicht habe vorweisen können und auch die sonstigen in § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG genannten Voraussetzungen auf ihn nicht zuträfen, lägen sehr wohl Gründe für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes vor, ohne dass es dazu weiterer Begründung bedürfe. Auch im Berufungsverfahren habe der Beschwerdeführer bislang den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachgewiesen, weshalb von der Annahme auszugehen sei, dass er diese Mittel nicht besitze. Eine mangelhafte und rechtswidrige Begründung des erstinstanzlichen Bescheides könne daher nicht erblickt werden.
Die angeführten Tatsachen, nämlich die fehlenden Mittel zum Unterhalt des Beschwerdeführers, würden ein weiteres strafbares Verhalten seiner Person befürchten lassen, weshalb im Interesse des öffentlichen Wohles die aufschiebende Wirkung der Berufung zu Recht wegen Gefahr im Verzug auszuschließen gewesen sei.
Das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet, insbesondere der versuchte illegale Grenzübertritt in die Bundesrepublik Deutschland, spreche keineswegs für ihn und finde "natürlich" auch keine Deckung im gegenständlichen Asylverfahren.
Bei der Interessenabwägung gemäß den §§ 37 und 38 FrG sei richtigerweise festgestellt worden, dass sich der Beschwerdeführer erst seit einem kurzen Zeitraum im österreichischen Bundesgebiet aufhalte und sich daher auf keine Bindungen zu Österreich berufen könne.
Die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes widerspreche auch nicht § 21 Asylgesetz, weil in diesem keinesfalls angeführt sei, dass gegen mittellose Asylwerber kein Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfe.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die Bundespolizeidirektion Salzburg zur Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zuständig gewesen sei. Er habe nämlich zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides seinen Wohnsitz in Wien gehabt. Der erstinstanzlichen Behörde sei aus der Niederschrift anlässlich der Festnahme des Beschwerdeführers, dem Haftbericht sowie einer im Akt befindlichen Meldeauskunft des Zentralmeldeamtes der Bundespolizeidirektion Wien, wonach der Beschwerdeführer seit 14. November 1997 unter einer näher bezeichneten Anschrift in 1150 Wien als Hauptwohnsitz gemeldet sei, bekannt gewesen, dass der Beschwerdeführer unter dieser Anschrift freiwillig und in der Absicht, dort zumindest vorübergehend zu verbleiben, wohnhaft sei.
2. Gemäß § 91 Abs. 1 erster Satz FrG richtet sich die örtliche Zuständigkeit, sofern nicht anderes bestimmt ist, nach dem Wohnsitz des Fremden im Inland, falls kein solcher besteht, nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens.
Maßgebend ist daher, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 30. Jänner 1998 (die Zustellung erfolgte am 2. Februar 1998) im Bereich der Bundespolizeidirektion Salzburg einen Wohnsitz im Sinn dieser Bestimmung hatte. Gemäß § 1 Abs. 6 des Meldegesetzes, BGBl. Nr. 9/1992 idF BGBl. Nr. 505/1994, ist der "Wohnsitz" eines Menschen an einer Unterkunft begründet, "an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen erwiesenen Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben". Die Begründung eines Wohnsitzes im Sinn des § 91 Abs. 1 FrG setzt somit den Aufenthalt an einem bestimmten Ort und den Willen, dort zumindest einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben, voraus.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Einvernahme bei der erstinstanzlichen Behörde am 22. Jänner 1998 angegeben, nach Ablauf seiner vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz am 22. November 1997 nicht ausgereist, sondern im "Caritasheim" (nach den Angaben des Beschwerdeführers im Nationale: in 1150 Wien, Grimmgasse 6) verblieben zu sein, wo er bis März 1998 hätte bleiben können. Im Übrigen schloss er sich den Angaben des unmittelbar vor ihm einvernommenen T.H. an, der Folgendes angegeben hatte: "Da wir in Strassburg Bekannte hatten, wollten wir diese besuchen. Gestern lösten wir eine Fahrkarte nach Strassburg und fuhren mit dem Zug vom Wiener Westbahnhof ab ...".
Im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 2. Februar 1998 befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft im Polizeigefangenenhaus Salzburg. In seiner am 13. Februar 1998 verfassten Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid gab er - ebenso wie in der "ergänzenden Stellungnahme zum laufenden Berufungsverfahren" vom 1. März 1998 - wieder die oben erwähnte Anschrift in Wien als seine Wohnadresse an.
Die erstinstanzliche Behörde traf in ihrem Bescheid lediglich die Feststellung, der Beschwerdeführer sei nach Abschluss des Asylverfahrens nicht ausgereist, sondern habe sich weiterhin in Wien aufgehalten. Am 22. Jänner 1998 habe er sich nach Salzburg begeben und versucht, am Grenzübergang Salzburg-Hauptbahnhof in die Bundesrepublik Deutschland auszureisen.
Da die Abwesenheit des Beschwerdeführers von seiner Wohnanschrift in Wien wegen einer Auslandsreise zu Besuchszwecken nicht automatisch zum Verlust dieses Wohnsitzes geführt hätte und sein zwangsweise begründeter Aufenthaltsort im Polizeigefangenenhaus der erstinstanzlichen Behörde kein Wohnsitz wäre, hätte die belangte Behörde - im Rahmen eines mängelfreien Verfahrens - zur Feststellung gelangen können, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides seinen Wohnsitz im Sinn des § 91 Abs. 1 FrG in Wien hatte. In diesem Fall wäre sie von Amts wegen verpflichtet gewesen, die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz aufzugreifen und deren Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos zu beheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2000, Zl. 96/21/0764, mwH).
3. Da im Falle der Unzuständigkeit der Erstbehörde zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes diese auch zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer dagegen gerichteten Berufung unzuständig gewesen wäre, der letztgenannte Ausspruch somit das Schicksal des erstgenannten teilte, war nach dem Vorgesagten der angefochtene Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
4. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. September 2000
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation VwRallg7 WohnsitzbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998180363.X00Im RIS seit
11.07.2001