TE OGH 2017/10/11 13Os70/17v

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Veröffentlicht am 11.10.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Siegfried S***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 3. Oktober 2016, GZ 36 Hv 103/11w-105, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2004/57, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Wertersatzstrafe) sowie der Beschluss auf Erteilung einer Weisung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs und des Beschlusses auf Erteilung einer Weisung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Siegfried S***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2004/57 schuldig erkannt.

Danach hat er vom 22. Jänner 2005 bis zum 18. Februar 2005 teils als unmittelbarer Täter im einverständlichen Zusammenwirken mit anderen (§ 11 erster Fall FinStrG), teils als Bestimmungstäter (§ 11 zweiter Fall FinStrG) vorsätzlich und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung für zumindest mehrere Wochen eine nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich 400 Euro übersteigende fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 14), Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern oder von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen worden war, nämlich 4 Millionen zollunredlich von Rumänien auf unbekanntem Weg nach Österreich eingeführte Zigaretten, auf die 585.872 Euro an Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer entfielen, an sich gebracht, verheimlicht und verhandelt, indem er LKW-Lenker beauftragte, die entsprechenden Fahrten durchzuführen, LKW zur Verfügung stellte und gemeinsam mit anderen die Schmuggelfahrten organisierte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 (richtig) lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5, da die Beschwerdeargumentation nur die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrags betrifft und dabei die Gerichtszuständigkeit [§ 53 Abs 2 lit b FinStrG] nicht in Zweifel setzt, richtig Z 11 erster Fall iVm Z 5 [hiezu Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 21 mwN]) blieb die Feststellung, wonach die vom Schuldspruch umfassten Zigaretten auf unbekanntem Weg von Rumänien (das zu den Zeitpunkten der Transporte noch nicht Mitglied der Europäischen Union war) nach Österreich gelangten, nicht unbegründet (Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall). Das Erstgericht stützte sich insoweit vielmehr auf die als glaubwürdig erachtete Aussage des Zeugen Gerhard H***** (US 18), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist.

Der Einwand, der Zeuge Alois W***** habe – vom Erstgericht übergangen – angegeben, dass die Zigaretten auf bekanntem Weg nach Österreich gelangt sind (der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall), entfernt sich von der Aktenlage. Zum besseren Verständnis sei vorausgeschickt, dass die vom Schuldspruch umfassten Taten einen vergleichsweise geringen Teil eines groß angelegten Handels mit zollunredlich eingeführten Zigaretten darstellen (US 3 bis 11) und Alois W***** der mit den diesbezüglichen Ermittlungen führend betraute Beamte des Zollamts Wien ist (US 18, ON 95 S 6 f). Zu den hier relevanten Anklagefakten gab auch dieser Zeuge nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung an, dass der Weg, auf dem die Zigaretten nach Österreich gelangt sind, nicht bekannt sei (ON 95 S 13).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit b) die Missachtung des Verfolgungshindernisses des Art 54 SDÜ behauptet, ohne konkrete Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, welche entsprechende Feststellungen indizieren würden, bringt sie den insoweit eingewendeten Feststellungsmangel nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (13 Os 91/02, SSt 64/46; RIS-Justiz RS0116735 und RS0118580).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Das Erstgericht ging im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs (§ 4 Abs 2 FinStrG) davon aus, dass der Angeklagte die Tatbestandselemente des § 38 FinStrG sowohl nach der zur Tatzeit (BGBl I 2004/57) als auch nach der zur Urteilszeit (BGBl I 2015/163) geltenden Fassung verwirklicht hat und gelangte solcherart zur Anwendung des Tatzeitrechts.

Dabei übersah es, dass § 38 Abs 2 FinStrG idF BGBl I 2015/163 die Absicht verlangt, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen. Da die angefochtene Entscheidung zu diesem Tatbestandsmerkmal keine Feststellungen enthält, schafft sie keine hinreichende Basis für den vorgenommenen Günstigkeitsvergleich und demzufolge für die Subsumtion nach § 38 FinStrG.

Hervorgehoben sei, dass § 38 FinStrG nach wie vor die Absicht verlangt, sich einen Vorteil zu verschaffen, womit durch die Absicht, (bloß) einem Dritten den vom Gesetz verlangten Vorteil zu verschaffen, der Qualifikationstatbestand des § 38 FinStrG auch idF BGBl I 2015/163 nicht erfüllt ist (vgl 13 Os 34/01, EvBl 2002/39, 155; RIS-Justiz RS0092444 [T2]; Lässig in WK2 FinStrG § 38 Rz 2). Anders als nach früherer Rechslage fordert § 38 FinStrG nunmehr aber die Absicht, sich einen (nicht bloß geringfügigen fortlaufenden) abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen, womit die Absicht, sich einen sonstigen Vermögensvorteil zu verschaffen insoweit als qualifikaitonsbegründend ausscheidet (13 Os 13/17m; vgl auch Fellner, FinStrG § 38 Rz 14).

Aufgrund des aufgezeigten Rechtsfehlers war der Schuldspruch in der Subsumtion nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2004/57 schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Dies hatte die Aufhebung des Strafausspruchs und des – verfehlt in Urteilsform ergangenen (RIS-Justiz RS0086112; Lässig in WK2 FinStrG § 26 Rz 9) – Beschlusses auf Erteilung einer Weisung zur Folge.

Hierauf war der Angeklagte mit seiner Berufung und seiner gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtenden Beschwerde zu verweisen.

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E119654

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00070.17V.1011.000

Im RIS seit

30.10.2017

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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