Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Khan M***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Geschworenengericht vom 20. Juni 2017, GZ 23 Hv 9/17g-74, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Khan M***** des Verbrechens der Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 17. Oktober 2016 in V***** Sherin S***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihm sieben wuchtige Stiche mit einem Küchenmesser, davon drei gegen die Rumpfvorderseite, zwei gegen die linke Rumpfaußenseite, einen vor der linken Ohrmuschel und einen an der Außenseite des linken Oberschenkels bzw am linken Beckenkamm versetzte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, Z 6 und Z 8 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurden durch die Abweisung mehrerer Beweisanträge Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt:
Der Antrag (ON 73 S 17 f) auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, „dass der fotografisch dokumentierte Biss des Sherin S***** in den Nacken- bzw Halsbereich des Angeklagten beim Angeklagten Todesangst auslöste, was zu einer Schockhormonausschüttung und schließlich zu einem Panik- bzw Affektzustand, der die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ausschloss bzw jedenfalls zu einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsaufregung des Angeklagten führte, die seine Zurechnungsfähigkeit zumindest stark einschränkte“, legte nicht dar, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und zielte solcherart auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327, 330 f). Zu einer entsprechenden Antragsfundierung wäre der Beschwerdeführer aber angesichts der vorliegenden Verfahrensergebnisse, wonach der Angeklagte dem Zeugen Sherin S***** mit dem Messer in der Hand nachgegangen ist, es erst in weiterer Folge zur behaupteten Bissverletzung durch den Genannten gekommen ist (ON 66 S 12, 18 f) und die Bissverletzung nicht im Halsbereich, sondern am oberen Muskel der Schulterregion eintrat (medizinisches Gutachten ON 73 S 8), umso mehr verpflichtet gewesen.
Soweit der Angeklagte diesen Antrag auch zum Beweis eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit stellte, bezog er sich auf keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache (vgl RIS-Justiz RS0116503).
Die – auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Sherin S***** zielenden – Anträge auf Vernehmung des Zeugen Subhan Ma***** und auf Übersetzung von Gesprächsinhalten zum Beweis dafür, dass
- Sherin S***** dem Zeugen Subhan Ma***** gegen die Bezahlung einer – letztlich nicht erhaltenen – Geldsumme in Aussicht gestellt habe, dass der Angeklagte „frei sein werde“,
- Sherin S***** in der Folge unrichtig behauptet habe, dass der Angeklagte ihm die sofortige Tötung angedroht habe, wenn er sich nicht entschuldige (ON 66 S 28), und
- die gerichtlichen Angaben des Sherin S*****, er habe mit niemandem außer seinem Betreuer über die Verhandlung gesprochen zu haben, falsch seien,
bezogen sich auf das Verhalten des Opfers nach der Tat und enthielten nicht einmal die Behauptung, dass Sherin S***** in Bezug auf das Tatgeschehen falsch ausgesagt haben soll. Solcherart ließ das Beweisbegehren aber nicht erkennen, inwiefern die unter Beweis zu stellenden Umstände mit Blick auf die im Antragszeitpunkt vorliegenden Beweisergebnisse geeignet gewesen wären, die zum Tatgeschehen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen, mit anderen Worten inwiefern bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs dadurch eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen zu erwarten war (vgl RIS-Justiz RS0116987; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 f).
Entsprechendes gilt für den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Uriakhel E***** zum Beweis dafür, „dass die erste Kontaktaufnahme mit Subhan Ullah Ma***** durch Sherin S***** erfolgte und nicht Subhan Ullah Ma***** Kontakt zu Sherin S***** suchte“ (ON 73 S 15).
Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert unter Hinweis auf den „objektivierten Biss in den Hals- und Nackenbereich“ und die auf einen Biss „am Hals“ (ON 66 S 9) bezogene Einlassung des Angeklagten, wonach er wegen der Tötungsabsicht seines Kontrahenten in Panik geraten sei und er sich an die Anzahl der Messerstiche nicht erinnern könne, die unterbliebene Fragestellung in Richtung Totschlags (§§ 15 Abs 1, 76 StGB). Dabei lässt die Beschwerde aber die oben zur Erledigung der Verfahrensrüge (Z 5) aufgezeigten Verfahrensergebnisse sowie die weitere Einlassung des Angeklagten unberücksichtigt (vgl RIS-Justiz RS0120766; Lässig, WK-StPO § 313 Rz 8), der sich auf Handeln aus Notwehr mit dem Ziel der Verletzung des Gegners berief (ON 66 S 7, 10, 18 und 22 f). Solcherart legt das Rechtsmittel kein die begehrte Eventualfrage indizierendes Sachverhaltssubstrat dar (vgl 11 Os 12/16y; 15 Os 151/15t uva). Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass Zusatzfragen in Richtung Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB), Notwehrüberschreitung (§ 3 Abs 2 StGB) und Putativnotwehr (§ 8 StGB) ohnedies gestellt wurden.
Soweit die Beschwerde (nominell Z 6, der Sache nach Z 9 erster Fall) die „Fragestellung“ als undeutlich releviert, weil im Hinblick auf die mehrdeutige Verwendung der Konjunktion „bzw“ nicht klar sei, ob der Angeklagte wegen einer Verletzung an der Außenseite des linken Oberschenkels oder am linken Beckenkamm oder wegen beiden Verletzungsfolgen schuldig erkannt worden sei, macht sie nicht klar, weshalb sich der behauptete Umstand auf entscheidende Tatsachen (vgl RIS-Justiz RS0120126) beziehen soll.
Die Instruktionsrüge (Z 8) legt nicht dar, weshalb die in der Rechtsbelehrung verwendeten Merkmale „Bestürzung“, „Furcht“ und „Schrecken“ nicht für jedermann verständlich sein sollen und daher den Geschworenen im Zusammenhang mit der Instruktion betreffend den „asthenischen Affekt“ (vgl § 3 Abs 2 StGB) eine zusätzliche Information über den jeweiligen Begriffsinhalt zu erteilen gewesen wäre (vgl RIS-Justiz RS0100721; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 57).
Weshalb die unterbliebene Anfügung eines Beispiels für die Instruktion, wonach „ein sthenischer Affekt zu einem Tatsachenirrtum führen und damit den Vorsatz des Täters ausschließen kann“, die Rechtsbelehrung (unter dem Gesichtspunkt irreführender Unvollständigkeit) unrichtig machen soll (vgl RIS-Justiz RS0119701), erklärt die Beschwerde nicht.
Die Kritik, dass „aus der Rechtsbelehrung das Zusammenspiel der vom Schwurgerichtshof gestellten Fragen nicht hinreichend deutlich werde“, bleibt ohne fassbaren Bezug zu den Anfechtungsvoraussetzungen iSd § 345 Abs 1 Z 8 StPO.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E119615European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00093.17V.1012.000Im RIS seit
24.10.2017Zuletzt aktualisiert am
24.10.2017