TE Vwgh Erkenntnis 2015/2/27 Ro 2014/17/0135

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Veröffentlicht am 27.02.2015
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
B-VG Art133 Abs4;
GSpG 1989 §52 Abs3 idF 2014/I/013;
VStG §1 Abs2;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Holeschofsky und Hofrätin Maga Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag Brandl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Maga Schubert-Zsilavecz, über die Revision der A GmbH in G, vertreten durch Dr Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 12. Juni 2014, LVwG 41.17- 2981/2014-4, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstinstanzlichem Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 12. März 2013 wurde gegenüber der revisionswerbenden Gesellschaft die Beschlagnahme von sechs Glücksspielgeräten und einem Stift- und Magnetschlüssel angeordnet.

Mit Erkenntnis vom 7. Jänner 2014, 2013/17/0668, hob der Verwaltungsgerichtshof den von der revisionswerbenden Gesellschaft angefochtenen Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Zu den möglichen Höchsteinsätzen auf den jeweiligen Glückspielgeräten und zur Frage, ob Serienspiele veranlasst werden konnten, um zwecks Klärung der Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB bzw der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs 1 GSpG daraus zu schließen, ob ein Einsatz über EUR 10,-- möglich gewesen sei, habe die belangte Behörde keine ausreichenden und widerspruchsfreien Feststellungen getroffen. Dem angefochtenen Bescheid sei etwa auch nicht zu entnehmen, welche Bedeutung dem vorgeschalteten Würfelspiel bzw der Automatik-Start-Taste zugekommen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 12. Juni 2014 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die als Beschwerde anzusehende Berufung der revisionswerbenden Gesellschaft als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte das Landesverwaltungsgericht Steiermark gemäß Art 133 Abs 4 B-VG für zulässig.

Da mit den verfahrensgegenständlichen Geräten jedenfalls verbotene Ausspielungen mit einem Einsatz von weniger als EUR 10,--

erwiesen seien, liege der objektive Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs 1 Z 1 GSpG vor. Gemäß § 52 Abs 3 GSpG in der mit 1. März 2014 geltenden Fassung der Novelle BGBl I Nr 13/2014 sei der Täter nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 GSpG zu bestrafen, unabhängig davon ob (auch) eine verdeckte Einsatzerhöhung auf mehr als EUR 10,-- durch das vorgeschaltete Würfelspiel oder im Zuge von allenfalls möglichen Serienspielen bestanden habe. Da § 52 GSpG sowohl vor als auch nach Inkrafttreten der Novelle nur eine Geldstrafe kenne, während § 168 StGB auch eine Primärarreststrafe vorsehe, erweise sich das Glücksspielgesetz als das bei der Prüfung im Sinne des § 1 Abs 2 VStG für den Täter günstigere Recht. Es sei daher auch unter diesem Blickwinkel gemäß § 52 Abs 3 GSpG von einer Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts auszugehen. Eine Beschlagnahme nach § 53 GSpG sei zur Unterbindung der Fortsetzung einer Verwaltungsübertretung nach wie vor zulässig und geboten.

Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Landesverwaltungsgericht Steiermark damit, dass im vorliegenden Verfahren eine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche bzw eine Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage fehle.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit den Anträgen, der Verwaltungsgerichthof möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, die gegenständliche Angelegenheit in einem verstärkten Senat behandeln und die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.

Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Zulässigkeit der Revision:

Zunächst ist festzuhalten, dass gemäß § 25a Abs 1 VwGG das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses (oder Beschlusses) auszusprechen hat, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch gemäß § 34 Abs 1a VwGG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Erklärt das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG für zulässig, so ist bis zu einer etwaigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig ist (vgl § 34 Abs 1a VwGG), davon auszugehen, dass die Revision die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG erfüllt und daher als ordentliche Revision zu behandeln ist (VwGH 15. Dezember 2014, Ro 2014/17/0121).

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat die Zulässigkeit der Revision damit begründet, dass im vorliegenden Verfahren eine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche bzw eine Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage fehle. Eine derartige Begründung ist in keiner Weise aussagekräftig. Vielmehr wäre in kurzen Worten auszusprechen gewesen, welcher Rechtsfrage aus welchen Gründen grundsätzliche Bedeutung beigemessen wurde.

Eine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG liegt im Revisionsfall deshalb vor, weil - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - das vorliegende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark im Widerspruch zum hg Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Ro 2014/17/0121, steht.

In der Sache:

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 52 Abs 3 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 13/2014, wonach für den Fall, dass durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht ist, nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 GSpG zu bestrafen ist, in seinem hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Ro 2014/17/0121, abgelehnt, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde diese Bestimmung noch nicht galt.

§ 52 Abs 3 in der Fassung BGBl I Nr 13/2014 trat gemäß § 60 Abs 34 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 13/2014 erst am Tag nach der Kundmachung der Novelle im Bundesgesetzblatt und somit am 1. März 2014 in Kraft. Diese Bestimmung stand damit im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung der Landespolizeidirektion Steiermark vom 12. März 2013 noch nicht in Geltung. Eine Heilung einer allenfalls vorliegenden Unzuständigkeit der als erste Instanz entscheidenden Verwaltungsbehörde ist hier gesetzlich nicht vorgesehen und kommt nicht in Betracht. Bei Überprüfung der Frage, ob jene Verwaltungsbehörde, die als erste Instanz entschieden hat, auch tatsächlich zur Entscheidung zuständig war, ist die Zuständigkeitsvorschrift heranzuziehen, die im Zeitpunkt der Entscheidung durch die erstinstanzliche Behörde in Geltung stand. Entscheidend ist daher, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 12. März 2013 der Landespolizeidirektion Steiermark über die Beschlagnahme noch die Zuständigkeitsvorschrift gemäß § 52 Abs 2 GSpG in der Fassung vor der Novelle BGBl I Nr 13/2014 galt.

Die Anwendung des § 52 Abs 3 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 13/2014 kann auch nicht im Wege des § 1 Abs 2 VStG begründet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich das Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs 2 VStG nur auf die Strafbarkeit bzw die Strafe, nicht aber auf verfahrensrechtliche Bestimmungen (VwGH 23. September 2014, Ro 2014/11/0083).

Der revisionswerbenden Gesellschaft ist somit darin zu folgen, dass in Bezug auf die anzuwendenden Zuständigkeitsbestimmungen grundsätzlich ein Günstigkeitsvergleich im Sinne des § 1 Abs 2 VStG nicht in Betracht kam und die Zuständigkeit der eingeschrittenen erstinstanzlichen Behörde nicht nachträglich auf § 52 Abs 3 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 13/2014 gestützt werden konnte. Sie moniert zu Recht das Fehlen ausreichender Feststellungen zu den möglichen Höchsteinsätzen auf den jeweiligen Geräten sowie zur Möglichkeit der Veranlassung von Serienspielen insbesondere in Bezug auf das vorgeschaltete Würfelspiel und die Automatik-Start-Taste im angefochtenen Erkenntnis infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark.

Durch das Unterlassen derartiger Feststellungen zum möglichen Höchsteinsatz auf den beschlagnahmten Glücksspielautomaten und zur möglichen Veranlassung von Serienspielen hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark das angefochtene Erkenntnis mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.

Mangels Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist das Verwaltungsgericht Steiermark nach wie vor an die im Erkenntnis vom 7. Jänner 2014, 2013/17/0668, vom Verwaltungsgerichtshof dargelegte Rechtsanschauung zu den erforderlichen Feststellungen zwecks Klärung der Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB bzw der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs 1 GSpG gebunden.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Ebenso wenig bedurfte es mangels Abgehens von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw nicht einheitlicher Beantwortung der zu lösenden Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der beantragten Bildung eines verstärkten Senats gemäß § 13 Abs 1 VwGG.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am 27. Februar 2015

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebender Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:RO2014170135.J00

Im RIS seit

08.04.2015

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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