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34/01 MonopoleNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zurück- bzw Abweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes betreffend Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten; keine Verfassungswidrigkeit der Regelung über die zeitliche Befristung des zulässigen Betriebs der aufgrund landesgesetzlicher Bewilligungen, hier von Wien, zugelassenen Automaten; Kompetenz-Kompetenz des Bundesgesetzgebers im Bereich des Glücksspielmonopols; Anknüpfen an die seit der GSpG-Novelle 2010 neue kompetenzrechtliche Abgrenzung des Glückspielmonopols des Bundes von Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten nicht kompetenzwidrig; kein Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; Fristen als taugliches Mittel für die vom Bundesgesetzgeber verfolgten öffentlichen Interessen der Erhöhung des Spielerschutzniveaus; kein unverhältnismäßiger Eigentumseingriff; kein Verstoß gegen den Vertrauensschutz im Hinblick auf die vierjährige Übergangszeit nach Inkrafttreten der GSpG-Novelle 2010; teils Zurückweisung der Individualanträge mangels korrekter Abgrenzung des AufhebungsumfangesRechtssatz
Unzulässigkeit des Antrags auf Aufhebung der Wortfolgen "längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2014" und "(Übergangszeit)" in §60 Abs25 Z2 erster Satz GlücksspielG - GSpG idF BGBl I 73/2010 als zu eng gefasst. Untrennbarer Zusammenhang von §60 Abs25 Z2 erster und zweiter Satz leg cit.
§60 Abs25 Z2 GSpG sieht zwei unterschiedliche Fristen für den zulässigen weiteren Betrieb von Glücksspielautomaten, die auf Grund landesgesetzlicher Bewilligung gemäß §4 Abs2 GSpG idF vor der GSpG-Novelle 2010 bewilligt wurden, vor. Nach §60 Abs25 Z2 erster Satz GSpG dürfen solche Glücksspielautomaten längstens bis zum Ablauf des 31.12.2014 betrieben werden. Diese vom Gesetz als "Übergangszeit" bezeichnete Frist wird in §60 Abs25 Z2 zweiter Satz GSpG für bestimmte Bundesländer, nämlich jene, in welchen die "nach §5 Abs1 höchstzulässige Anzahl an Glücksspielautomaten zum 31.12.2009 um mehr als das Doppelte überschritten worden ist", mit Ablauf des 31.12.2015 festgesetzt. Innerhalb dieses Regelungsregimes des §60 Abs25 Z2 erster und zweiter Satz GSpG sieht §60 Abs25 Z2 erster Satz GSpG eine allgemeine Frist für alle Glücksspielautomaten vor, die auf Grund landesgesetzlicher Bewilligung gemäß §4 Abs2 GSpG idF vor der GSpG-Novelle 2010 bewilligt wurden; der Betrieb der in §60 Abs25 Z2 zweiter Satz GSpG genannten Glücksspielautomaten soll gegenüber der allgemeinen Frist durch eine längere Übergangszeit privilegiert werden.
Würde der VfGH die angefochtenen Wortfolgen "längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2014" und "(Übergangszeit)" in §60 Abs25 Z2 erster Satz GSpG aufheben, bliebe die in §60 Abs25 Z2 zweiter Satz GSpG geregelte Frist für den weiteren Betrieb von Glücksspielautomaten in bestimmten Bundesländern unverändert aufrecht. §60 Abs25 Z2 zweiter Satz GSpG würde damit ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbarer Inhalt unterstellt werden, weil nach der bereinigten Rechtslage der Betrieb der in §60 Abs25 Z2 zweiter Satz GSpG genannten Glücksspielautomaten gegenüber dem Betrieb aller anderen Glücksspielautomaten benachteiligt würde.
Unzulässigkeit auch des Antrags auf Aufhebung bloß der Wortfolge "nach diesem Bundesgesetz" in §2 Abs4 GSpG ohne die gemeinsame zulässige Anfechtung des §60 Abs25 Z2 GSpG idF der GSpG-Novelle 2010; die von der antragstellenden Gesellschaft behauptete Verfassungswidrigkeit würde dadurch nicht beseitigt.
Soweit im Hauptantrag weiters die Aufhebung der Sätze "Dabei darf ein höchstzulässiges Verhältnis von einem Glücksspielautomat pro 1 200 Einwohner insgesamt im Bundesland nicht überschritten werden und die Anzahl der aufrechten Bewilligungen zum Betrieb von Glücksspielautomaten ist mit höchstens drei pro Bundesland beschränkt. Im Bundesland Wien beträgt das höchstzulässige Verhältnis ein Glücksspielautomat pro 600 Einwohner. Die Einwohnerzahl eines Bundeslandes bestimmt sich nach dem für den jeweiligen Finanzausgleich von der Bundesanstalt Statistik Österreich zuletzt festgestellten und kundgemachten Ergebnis der Statistik des Bevölkerungsstandes oder der Volkszählung zum Stichtag 31. Oktober, wobei das zuletzt kundgemachte Ergebnis im Zeitpunkt der Erteilung von Bewilligungen maßgeblich ist." in §5 Abs1 GSpG begehrt wird, kommt ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft durch diese Bestimmung nicht in Betracht. §5 Abs1 GSpG ist Teil der (Negativ)Abgrenzung des Glücksspielmonopols des Bundes gemäß §4 Abs2 GSpG idF der GSpG-Novelle 2010 und richtet sich daher nicht unmittelbar an die Rechtsunterworfenen, sondern konkretisiert die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern im Bereich des Glücksspielwesens.
Abweisung des - zulässigen - Eventualantrags auf Aufhebung der Wortfolge "längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2014" in §60 Abs25 Z2 erster Satz und des zweiten Satzes in §60 Abs25 Z2 GSpG idF BGBl I 73/2010.
Für den VfGH besteht kein Zweifel, dass sich die Anträge gegen §60 Abs25 Z2 GSpG in der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung der GSpG-Novelle 2010 richten. Das Formerfordernis des §62 Abs1 erster Satz VfGG ist damit erfüllt.
Die antragstellenden Gesellschaften sind durch die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen.
Bei der Erlassung der GSpG-Novelle 2010 stützte sich der Bundesgesetzgeber auf den Kompetenztatbestand "Monopolwesen" des Art10 Abs1 Z4 B-VG. In Ausübung dieser Kompetenz ist der einfache Bundesgesetzgeber berechtigt, das Glücksspielmonopol des Bundes abzugrenzen. Für die Regelung einer Tätigkeit, die der Bundesgesetzgeber vom Glücksspielmonopol des Bundes ausnimmt, ist gemäß Art15 B-VG der Landesgesetzgeber zuständig (vgl VfSlg 7985/1976). Dem Bundesgesetzgeber kommt dementsprechend die "Kompetenz-Kompetenz" im Bereich des Glücksspielmonopols zu, das heißt der Bundesgesetzgeber kann den Umfang des Glücksspielmonopols (des Bundes) bestimmen.
Mit der GSpG-Novelle 2010 hat der Bundesgesetzgeber das Glücksspielmonopol neu abgegrenzt. Bis zur GSpG-Novelle 2010 waren gemäß §4 Abs2 GSpG jene Ausspielungen mittels Glücksspielautomaten vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen, bei denen der Einsatz € 0,50 und der Höchstgewinn € 20,- nicht überstieg. Auf dieser Kompetenzgrundlage regelte der Wiener Landesgesetzgeber die Bewilligung und den Betrieb von Münzgewinnspielapparaten im Wr VeranstaltungsG, LGBl 12/1971 idF vor der Novelle LGBl 43/2014.
Mit der GSpG-Novelle 2010 wurde die ausschließliche Abgrenzung des Glücksspielmonopols des Bundes nach der Einsatz- und Gewinnhöhe in §4 Abs2 GSpG aufgegeben. Stattdessen verweist §4 Abs2 GSpG idF der GSpG-Novelle 2010 nunmehr zur Abgrenzung des Glücksspielmonopols des Bundes auf die in §5 GSpG geschaffenen "Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten".
An der neuen Abgrenzung des Glücksspielmonopols des Bundes, das seit Inkrafttreten der GSpG-Novelle 2010 auch Ausspielungen erfasst, die bis dahin Landessache gemäß Art15 B-VG waren, setzt nun §60 Abs25 Z2 GSpG an: Ausspielungen, die auf einer landesrechtlichen Bewilligung beruhen und die seit der GSpG-Novelle 2010 unter das Glücksspielmonopol fallen (und damit Bundessache gemäß Art10 Abs1 Z4 B-VG sind), sind bis zum Ablauf der in §60 Abs25 Z2 GSpG genannten Fristen weiterhin erlaubt. Nach Ablauf dieser Fristen - für Wien ist das der 31.12.2014 - sind diese Ausspielungen hingegen als verbotene Ausspielungen iSd §2 Abs4 GSpG idF der GSpG-Novelle 2010 zu behandeln und verwirklichen den Verwaltungsstraftatbestand des §52 Abs1 Z1 GSpG idF der GSpG-Novelle 2010. Der VfGH kann darin keine kompetenzwidrige Regelung sehen, hat der Gesetzgeber doch mit §60 Abs25 Z2 GSpG nur an die neue kompetenzrechtliche Abgrenzung des Glücksspielmonopols des Bundes (Art10 Abs1 Z4 B-VG) von Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten (Art15 B-VG) angeknüpft.
Die Anträge wurden am 23.12.2014 und somit zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem die Frist in §60 Abs25 Z2 erster Satz GSpG (gerade) noch nicht abgelaufen war. Bei einem Zuwarten mit der Antragstellung über den 31.12.2014 hinaus hätten sich die antragstellenden Gesellschaften dem Risiko einer Bestrafung ausgesetzt bzw hätten sie sich nur durch die Einstellung des Betriebs ihrer Glücksspielautomaten vor einer Bestrafung schützen können. Vor diesem Hintergrund war ein weiteres Zuwarten der antragstellenden Gesellschaften bis über den Ablauf des 31.12.2014 hinaus nicht zumutbar und das Erfordernis der aktuellen Betroffenheit bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung gegeben.
Kein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung.
Der Bundesgesetzgeber verfolgte mit der GSpG-Novelle 2010 erkennbar das Ziel, ein höheres Niveau für den Spielerschutz dadurch zu erreichen, dass im Rahmen des §4 Abs2 GSpG idF vor der GSpG-Novelle 2010 bewilligte Landesausspielungen nicht mehr neu bewilligt werden können. Diese Ausspielungen sollten nach dem Willen des Bundesgesetzgebers jedoch nicht nur in der Zukunft nicht mehr neu bewilligt werden können; auch in der Vergangenheit (mitunter unbefristet) erteilte Bewilligungen sollten durch die in §60 Abs25 Z2 GSpG genannten Fristen eine zeitliche Einschränkung erfahren. Diese Fristen stellen für die vom Bundesgesetzgeber mit der GSpG-Novelle 2010 verfolgten öffentlichen Interessen der Erhöhung des Spielerschutzniveaus ein taugliches Mittel dar, weil nach Ablauf der in §60 Abs25 Z2 GSpG genannten Fristen der Betrieb der auf Grundlage des §4 Abs2 GSpG idF vor der GSpG-Novelle 2010 bewilligten Glücksspielautomaten das Tatbild des Verwaltungsstraftatbestands des §52 Abs1 Z1 GSpG erfüllt. Vor dem Hintergrund, dass den Betreibern von Glücksspielautomaten, die nicht gemäß §5 GSpG idF der GSpG-Novelle 2010 vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen sind, ein entsprechend langer Zeitraum (etwa dreieinhalb Jahre) ab Inkrafttreten der Novelle bis zum Wirksamwerden des Verbots als Übergangszeit eingeräumt wurde (und das Glücksspielgesetz grundsätzlich auch weiterhin bestimmte Glücksspielautomaten - im Rahmen des §5 GSpG - vom Glücksspielmonopol des Bundes ausnimmt), ist der Eingriff verhältnismäßig.
Kein Verstoß gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.
Der Eingriff wird nicht dadurch unverhältnismäßig, dass weiterhin bestimmte Formen des (Automaten)Glücksspiels erlaubt oder zumindest faktisch verfügbar sind. Die Erteilung einer Konzession für den Betrieb einer Spielbank gemäß §21 GSpG bzw für den Betrieb elektronischer Lotterien gemäß §14 GSpG sowie diese Ausspielungen selbst sind mit zahlreichen weiteren Voraussetzungen und Auflagen verknüpft, die unter anderem dem Spielerschutz dienen, sodass solche Ausspielungen mit den auf der Grundlage von §4 Abs2 GSpG idF vor der GSpG-Novelle 2010 landesrechtlich bewilligten Ausspielungen nicht vergleichbar sind.
Keine Verletzung des Vertrauensschutzes.
Mit den angefochtenen Bestimmungen greift der Gesetzgeber in rechtskräftige Bewilligungen ein, indem er deren weitere Ausübung mit einem bestimmten Stichtag (Ablauf des 31.12.2014 bzw des 31.12.2015) als Verwaltungsstraftatbestand qualifiziert. Die GSpG-Novelle 2010 ist am 19.08.2010 in Kraft getreten, somit konnten die antragstellenden Gesellschaften die ihnen bescheidmäßig eingeräumten Bewilligungen für mehr als vier Jahre nach Inkrafttreten der GSpG-Novelle 2010 weiter ausüben. Vor dem Hintergrund dieser langen Übergangszeit kann der VfGH nicht erkennen, dass es sich dabei um einen plötzlichen Eingriff handelt. Darüber hinaus legen die antragstellenden Gesellschaften keine näher substantiierten Umstände dar, aus denen sich ein intensiver Eingriff in ihre Rechtssphäre ergäbe.
Keine Verletzung des Gleichheitssatzes durch die unterschiedliche Länge der Fristen in §60 Abs25 Z2 erster und zweiter Satz GSpG.
Der Bundesgesetzgeber hat bei Erlassung der GSpG-Novelle 2010 an die bestehenden unterschiedlichen Glücksspielregime in den einzelnen Bundesländern und die daraus resultierenden Unterschiede im Tatsächlichen angeknüpft. Mit der Schaffung abweichender Übergangszeiten in §60 Abs25 Z2 erster und zweiter Satz GSpG für den Bereich einzelner Bundesländer um ein Jahr hat er dabei seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
Das Auslaufen bestehender Konzessionen für Glücksspielautomaten mit gleichzeitiger grundsätzlicher Einräumung der Möglichkeit der Vergabe neuer Konzessionen stellt unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH keinen Verstoß gegen die durch Art15 und 16 GRC gewährleisteten Rechte auf Berufsfreiheit bzw unternehmerische Freiheit dar und verletzt auch nicht das durch Art17 GRC gewährleistete Eigentumsrecht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Glücksspiel, Glücksspielmonopol, Kompetenz Bund - Länder Monopolwesen, Erwerbsausübungsfreiheit, Vertrauensschutz, Fristen, Übergangsbestimmung, EU-Recht, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / FormerfordernisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2015:G245.2014Zuletzt aktualisiert am
09.11.2016