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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §295 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde des S L in K, vertreten durch die Dkfm. Stefan Lackner GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 26, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 8. Mai 2012, Zl. RV/0113-W/12, betreffend Abweisung eines Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erzielte im Jahr 2006 Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte und wurde mit Bescheid vom 14. Juli 2008 zur Einkommensteuer 2006 veranlagt.
Mit - im Gefolge einer die Jahre 2005 bis 2007 betreffenden Außenprüfung ergangenen - Bescheiden vom 18. November 2009 verfügte das Finanzamt u.a. die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2006 und erließ einen den Feststellungen des Prüfers entsprechenden Einkommensteuerbescheid 2006, in welchem es auch die mit einer als Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO intendierten Erledigung vom 16. November 2009 festgestellten Einkünfte aus der Beteiligung des Beschwerdeführers an der Personengesellschaft X berücksichtigte.
Am 13. September 2011 stellte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf den mit 1. September 2011 in Kraft getretenen § 295 Abs. 4 BAO in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 76/2011 den Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2006 vom 18. November 2009. Begründend dazu führte er aus, dass eine Berufung gegen die als Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO intendierte Erledigung vom 16. November 2009 mit der Begründung zurückgewiesen worden sei, dass es sich bei dem Dokument um keinen Bescheid handle.
Das Finanzamt wies den Antrag vom 13. September 2011 mit Bescheid vom 28. November 2011 ab und führte aus, dass der Einkommensteuerbescheid 2006 vom 18. November 2009 nach einer Betriebsprüfung ergangen sei. Mit diesem Bescheid sei u.a. auch ein Tangentenergebnis aus dem die Personengesellschaft X betreffenden Feststellungsverfahren berücksichtigt worden. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung könnten nur auf § 295 Abs. 1 BAO gestützte Abänderungsbescheide gemäß § 295 Ab. 4 BAO aufgehoben werden. Der Einkommensteuerbescheid vom 18. November 2009 sei kein nach § 295 Abs. 1 BAO geänderter Bescheid.
Der Beschwerdeführer berief mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 gegen den Abweisungsbescheid vom 28. November 2011 und brachte in der Berufung u.a. vor, dass der Einkommensteuerbescheid vom 18. November 2009 ein Bescheid im Sinne des § 295 Abs. 1 BAO sei, auch wenn er nicht als solcher bezeichnet werde. Die ursprünglich in Ansatz gebrachten Einkünfte des Beschwerdeführers aus der Beteiligung an der Personengesellschaft X seien geändert worden. "Dass sich daneben auch noch andere Feststellungen der Betriebsprüfung ausgewirkt haben, vermag am Charakter des Bescheids vom 18.11.2009 als Änderungsbescheid iSd § 295 Abs. 1 BAO nichts zu ändern".
Die belangte Behörde gab der gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom 28. November 2011 gerichteten Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 295 BAO idF des Abgabenänderungsgesetzes 2011 (AbgÄG 2011), BGBl I Nr. 76/2011 lautet auszugsweise:
"§ 295. (1) ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Abänderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.
...
(4) Wird eine Berufung, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines
-
Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines
-
Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu
unterbleiben hat,
gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen."
§ 295 Abs. 1 BAO soll gewährleisten, dass abgeleitete Bescheide dem aktuell vorliegenden Grundlagenbescheid (und der materiellen Rechtslage) entsprechen. Die grundsätzliche Funktion der genannten Vorschrift besteht darin, abgeleitete Bescheide mit den aktuellen Inhalten der zu Grunde liegenden Feststellungsbescheide in Einklang zu bringen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, 2006/13/0115, mwN).
Handelt es sich bei einer als Feststellungsbescheid intendierten Erledigung um einen Nichtbescheid, ist eine darauf gestützte Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO rechtswidrig. Der gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Bescheid wäre im Falle seiner Bekämpfung mit Berufung aufzuheben oder seit dem AbgÄG 2011 auf Antrag einer Partei gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben. Ein derartiger Fall liegt - wie das Finanzamt und ihm folgend die belangte Behörde zutreffend festgestellt haben - aber gar nicht vor, weil der hier in Rede stehende Einkommensteuerbescheid nach einer gemäß § 303 Abs. 4 BAO erfolgten Wiederaufnahme ergangen ist.
Wie sich aus dem Wortlaut des § 295 Abs. 4 BAO eindeutig ergibt, setzt die Anwendung dieser Bestimmung einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Bescheid voraus. Soweit der Beschwerdeführer vermeint, dass § 295 Abs. 4 BAO im Wege einer verfassungskonformen, gleichheitswidrige Ergebnisse vermeidenden Interpretation auch in jenen Fällen zur Anwendung gelangen müsse, "in denen eine nach § 295 Abs. 1 BAO zwingend gebotene Maßnahme aber gemeinsam mit einem anderen Schritt - etwa im Zuge einer Wiederaufnahme - umgesetzt wird", übersieht er, dass der Wortlaut der anzuwenden Bestimmungen eindeutig ist und auch der Zweck der Regelung darauf abstellt, dass zu Unrecht ein Verfahrenstitel zur Änderung eines wirksamen Bescheides (nämlich § 295 Abs. 1 BAO) angenommen wurde und daher der zu Unrecht erlassene Bescheid (unter den näheren Voraussetzungen des § 295 Abs. 4 BAO) behoben werden soll. Wurde zu Recht eine Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt, liegt eine andere Situation vor. Für die geforderte Interpretation besteht daher kein Raum.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 26. Februar 2015
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:2012150127.X00Im RIS seit
30.03.2015Zuletzt aktualisiert am
29.05.2015