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L37163 Kanalabgabe Niederösterreich;Norm
KanalG NÖ 1977 §12 Abs3 idF 8230-5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag Dr Zehetner, Maga Nussbaumer-Hinterauer und Dr Leonhartsberger sowie Hofrat Mag Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Maga Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde
1. des W K, 2. der M K, beide in KG X, beide vertreten durch Dr Georg Lugert, Rechtsanwalt in 3100 St Pölten, Dr Karl Renner Promenade 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. September 2010, IVW3-BE-3194101/012-2008, betreffend Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Gemeinde KG X in 3073 KG X 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. Februar 2001 wurde den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 17 NÖ Kanalgesetz 1977 (NÖ KanalG 1977) und gemäß § 62 NÖ Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) aufgetragen, die Liegenschaft in KG X Nr 81, Grundstücke Nr 3 und 2/2 (EZ 4, KG X) an den in der Straße neu gelegten Schmutzwasserkanal anzuschließen.
Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. August 2001 abgewiesen. Es stehe fest, dass der Schmutzwasserkanal verlegt und funktionstechnisch so ausgestattet sei, dass ein Anschluss möglich sei. Es sei auch möglich, Abwässer in den Schmutzwasserkanal zu leiten. Nach der Bestimmung des § 62 Abs 2 NÖ BauO 1996 seien die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer in den öffentlichen Kanal abzuleiten, wenn eine Anschlussmöglichkeit bestehe.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. März 2002 nur insofern Folge, als der Spruchteil, die Herstellung der Anschlussleitung habe nach den Richtlinien für die Herstellung der Hauskanalleitung, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildeten, zu erfolgen, zu entfallen habe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Bescheidbeschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit hg Erkenntnis vom 16. September 2003, 2002/05/0731, als unbegründet ab.
Mit erstinstanzlichem Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Juni 2008 wurde den beschwerdeführenden Parteien für die Liegenschaft KG X Nr 81 rückwirkend für den Zeitraum von 1. Jänner 2003 bis 31. Dezember 2005 eine Kanalbenützungsgebühr in der Höhe von insgesamt EUR 4.885,29 (Berechnungsfläche 850,8 m2, Einheitssatz EUR 1,74) sowie für den Zeitraum von 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2007 eine Kanalbenützungsgebühr in der Höhe von EUR 3.893,25 (Berechnungsfläche 850,8 m2, Einheitssatz EUR 2,08) vorgeschrieben. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, mit Bescheid vom 21. Februar 2001 sei den Liegenschaftseigentümern der Anschluss der Liegenschaft KG X Nr 81 an den öffentlichen Schmutzwasserkanal aufgetragen worden. Der auf Grund der dagegen erhobenen Berufung erlassene Berufungsbescheid vom 17. August 2001 sei am 21. August 2001 zugestellt worden, dagegen sei Vorstellung erhoben worden. Mit der erstmaligen Zustellung des Bescheides des Gemeindevorstandes sei der Bescheid bezüglich der Anschlussverpflichtung an den Schmutzwasserkanal der Liegenschaft KG X Nr 81 rechtskräftig geworden. Diesbezüglich sei auch keine Aufhebung durch die Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 4. März 2002 erfolgt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei am 16. September 2003 als unbegründet abgewiesen worden. Der Schmutzwasserkanal sei bei Eintreten der Rechtskraft des Anschlussverpflichtungsbescheides so verlegt und funktionstechnisch ausgeführt gewesen, dass ein Anschluss an diesen möglich gewesen und auch weiterhin möglich sei.
Damit sei es zum Zeitpunkt der Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr möglich gewesen, Abwässer in den genannten Schmutzwasserkanal einzuleiten. Dies sei immer noch möglich.
Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien Berufung, welcher mit Bescheid vom 18. November 2008 vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde keine Folge gegeben wurde. Hinsichtlich der in der Berufung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken legte der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde dar, die Gemeinde habe gültige Gesetze anzuwenden. Der Anschlussverpflichtungsbescheid sei mit Zustellung des Bescheides des Gemeindevorstandes am 21. August 2001 in Rechtskraft erwachsen. Es sei zum Zeitpunkt der Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr möglich gewesen, Abwässer in den Schmutzwasserkanal zu leiten. Dies sei noch immer möglich. Als bücherliche Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft KG X Nr 81 seien die beschwerdeführenden Parteien somit auch Abgabenpflichtige der Kanalbenützungsgebühr. Die Richtigkeit der Berechnungsfläche stehe außer Streit. Die Einheitssätze gründeten auf die jeweils im Kalenderjahr geltende Kanalabgabenordnung der mitbeteiligten Gemeinde.
Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien Vorstellung. Es befinde sich zwischen der gegenständlichen Liegenschaft KG X Nr 81 und der von der Gemeinde vorgesehenen nächsten Anschlussmöglichkeit eine weitere Liegenschaft, die sich nach offenem Grundbuchstand im Eigentum des Sohnes der beschwerdeführenden Parteien befinde. Dieser habe jedoch die Einwilligung zur Kanalführung über seine Liegenschaft verweigert und habe erst Ende September respektive Anfang Oktober (wohl 2008) zu einer Zustimmung bewegt werden können. Bis dahin sei keine behördliche Maßnahme von Seiten der mitbeteiligten Gemeinde gesetzt worden, um die Zustimmung zu erzwingen. Eine zwangsweise Durchführung der Kanalführung wäre möglich gewesen. Ein diesbezüglicher Antrag sei von der mitbeteiligten Gemeinde nicht behandelt worden. Ein Kanalanschluss sei nicht möglich gewesen. Die Fertigstellung beziehungsweise die Benutzung des Kanals werde nach Einigung mit dem Sohn der beschwerdeführenden Parteien voraussichtlich frühestens ab Mitte Dezember 2008 möglich sein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde als unbegründet abgewiesen. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, abgabenrechtlicher Tatbestand der Kanalbenützungsgebühr sei zufolge § 5 Abs 1 NÖ KanalG 1977 die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage. Es sei daher das Vorliegen der Möglichkeit, die öffentliche Kanalanlage zu benützen, zu klären. In tatsächlicher Hinsicht müsse die Gemeinde die erforderlichen baulichen Maßnahmen bis zur Grenze der anzuschließenden Liegenschaft vollendet haben.
Im Beschwerdefall habe sich die belangte Behörde hiermit bereits in dem an dieselben Parteien wie im gegenständlichen Verfahren ergangenen Vorstellungsbescheid vom 15. Juni 2004 betreffend die Kanaleinmündungsabgabe auseinandergesetzt und festgestellt, aus den (auch in der Stellungnahme der Vorstellungswerber vom 23. März 2004 unwidersprochen gebliebenen) Ausführungen des Ing G vom 19. Februar 2004, der für das Ingenieurbüro für Kulturtechnik Ing B die örtliche Bauaufsicht durchgeführt habe, folge, dass für die beschwerdeführenden Parteien als Liegenschaftseigentümer die Möglichkeit des Anschlusses der gegenständlichen Liegenschaft seit 19. Juli 2001 bestanden habe. Ing G habe unter anderem bekannt gegeben, dass der Sammler HS 2 am 6. Oktober 1999 bereits fertiggestellt gewesen sei und die Inbetriebnahme mit Funktionsfähigkeit und Übernahme vom 18. Juli 2000 erfolgt sei. Das Pumpwerk, an das die Anschlussleitung des Objekts KG X Nr 81 anschließe, sei am 9. Juli 2001 fertiggestellt und am 18. Juli 2001 elektrisch angeschlossen und in Betrieb genommen worden. Somit sei mit 19. Juli 2001 die Möglichkeit des Anschlusses der Liegenschaft gegeben gewesen.
Infolge der gegebenen Anschlussmöglichkeit liege im Beschwerdefall die Möglichkeit zur Benützung der öffentlichen Kanalanlage vor.
In rechtlicher Hinsicht erfordere der abgabenrechtliche Tatbestand der Kanalbenützungsgebühr im Falle der Neuerrichtung eines Kanals den bescheidmäßigen Auftrag zum Anschluss an den neu gelegten Kanal. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Februar 2001 sei den beschwerdeführenden Parteien die Verpflichtung zum Anschluss an den neu gelegten Schmutzwasserkanal auferlegt worden. Der Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom 17. August 2001 sei am 21. August 2001 in Rechtskraft erwachsen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem in dieser Angelegenheit ergangenen Erkenntnis vom 16. September 2003, 2002/05/0731, ausgesprochen, die Berufungsbehörde habe von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen gehabt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt seien die beschwerdeführenden Parteien Miteigentümer der von der Anschlusspflicht betroffenen Grundstücke gewesen. Die an sie gerichtete Anschlussverpflichtung sei daher ohne Rechtsirrtum erfolgt und es erübrige sich daher eine Prüfung der gesetzlichen Regelung betreffend die Kanalverlegung über fremden Grund (§ 18 NÖ KanalG 1977), weil davon auszugehen sei, dass die von der Kanalanschlusspflicht betroffenen Grundstücke eine Realisierung des Anschlusses über fremden Grund nicht erfordert hätten. Im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden sei vom technischen Büro ein technischer Bericht mit zwei Varianten über die Anschlussleitung an den öffentlichen Schmutzwasserkanal erstellt worden. Dass diese Varianten technisch nicht möglich seien, hätten die beschwerdeführenden Parteien vor den Verwaltungsbehörden auf fachkundiger Ebene nicht behauptet. Dem angefochtenen Bescheid könne daher eine Rechtswidrigkeit nicht deshalb angelastet werden, weil die Behörde ausgehend von den Verfahrensergebnissen eine funktionsfähige Anschlussmöglichkeit an den öffentlichen Schmutzwasserkanal angenommen habe.
Weiters wurde auf die Ausführungen in dem gleichfalls an die beschwerdeführenden Parteien ergangenen Vorstellungsbescheid vom 21. September 2005 betreffend die Kanaleinmündungsabgabe verwiesen, worin die Vorstellungsinstanz ausgeführt habe, dass jedenfalls noch am 4. März 2002 die beschwerdeführenden Parteien grundbücherliche (Hälfte-)Eigentümer nicht nur des Grundstücks Nr 3 (Gebäude), sondern auch des Grundstücks Nr 2/2 (landwirtschaftlich genutzt) gewesen seien.
Daraus folge, dass infolge der mit 21. August 2001 eingetretenen Rechtskraft der im Instanzenzug bestätigten Berufungsentscheidung vom 17. August 2001 betreffend die Kanalanschlussverpflichtung auch in rechtlicher Hinsicht die Möglichkeit zur Benützung der öffentlichen Kanalanlage vorgelegen sei.
Der abgabenrechtliche Tatbestand der Kanalbenützungsgebühr nach § 5 Abs 1 NÖ KanalG 1977 sei sohin verwirklicht. Das Entstehen des Kanalbenützungsgebührenanspruches sei in § 12 Abs 3 NÖ KanalG 1977 normiert. Dieser sei, obgleich die beschwerdeführenden Parteien die Liegenschaft an die Kanalanlage trotz bestehender Anschlusspflicht nicht angeschlossen hätten, nach § 12 Abs 3 NÖ KanalG 1977 mit dem Monatsersten des Monats entstanden, in dem der Anschluss an den Kanal möglich gewesen sei. Abgabenanspruchsentstehungs-zeitpunkt sei der 1. August 2001 gewesen (Zustellung des Berufungsbescheides am 21. August 2001, Benützungsmöglichkeit ab 19. Juli 2001).
Für die beschwerdeführenden Parteien, die im Zeitpunkt der Rechtskraft des Anschlussverpflichtungsbescheides und jedenfalls auch noch am 4. März 2002 Eigentümer der Grundstücke gewesen seien, habe kein Hindernis bestanden, den Anschluss an den bestehenden und bestimmungsgemäß benutzbaren Schmutzwasserkanal vorzunehmen. Dies stehe auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 2003, 2002/05/0731, fest. Es liege ein Sachverhalt vor, der dem abgabenrechtlichen Tatbestand der Kanalbenützungsgebühr zu unterstellen sei und die Abgabenbehörde erster Instanz berechtigt habe, die Kanalbenützungsgebühr, soweit noch nicht Bemessungsverjährung eingetreten sei, mit Bescheid vom 2. Juni 2008 für die Abgabenzeiträume von 2003 bis 2007 gegenüber den beschwerdeführenden Parteien festzusetzen. Dass die einmal entstandene Abgabenpflicht durch nachträgliche Ereignisse, insbesondere durch Rechtsgeschäfte, nicht wieder beseitigt werden könne, habe die Niederösterreichische Landesregierung bereits zu Pkt 3.2.2 ihres Bescheides vom 21. September 2005 im Hinblick auf die Ausführungen zum (außerbücherlichen) Eigentum des Sohnes der beschwerdeführenden Parteien unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 2003, 2002/16/0271, und auf Ritz, BAO2, Rz 11 zu § 4 dargetan.
Dem Vorbringen, die mitbeteiligte Gemeinde habe es zu vertreten, dass die rechtliche Situation bis zuletzt ungeklärt geblieben sei, insbesondere dass sie Zwangsmaßnahmen aus Anlass der Weigerung des Sohnes der beschwerdeführenden Parteien unterlassen und nach entsprechender Antragstellung reaktionslos zugewartet habe, sei zu entgegnen, dass die Auferlegung der Verpflichtung nach § 18 Abs 2 und 5 NÖ KanalG 1977 der Bezirksverwaltungsbehörde obliege. Ferner sei die mitbeteiligte Gemeinde bereits mit Schreiben vom 3. Juli 2001 an die hierfür zuständige Bezirkshauptmannschaft wegen Auferlegung der Verpflichtungen nach § 18 NÖ KanalG 1977 unter anderem das Objekt KG Nr 81 betreffend herangetreten. Mit Note vom 14. März 2002 habe die Bezirkshauptmannschaft der mitbeteiligten Gemeinde mitgeteilt, das Verfahren gemäß § 18 NÖ KanalG 1977 nur hinsichtlich der Objekte Nr 81 und 37 durchzuführen. Weiters habe die mitbeteiligte Gemeinde die beschwerdeführenden Parteien aufgefordert, die Errichtung des Hauskanals anzuzeigen, es sei von der Bezirkshauptmannschaft ein Zwangsvollstreckungsverfahren durchgeführt worden. Mit Schreiben vom 29. September 2008 (Anmerkung: gemeint wohl 25. September 2008) hätten die beschwerdeführenden Parteien unter Hinweis auf ihre Bauanzeige vom 4. August 2008 und auf ein Schreiben vom 28. August 2008, mit welchem bekannt gegeben worden sei, dass sich ihr Sohn weigere, den Kanal auf seinem Grundstück errichten zu lassen, Auskunft darüber begehrt, ob ein Verfahren zur Erzwingung der Zustimmung ihres Sohnes eingeleitet worden sei. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2008 hätten die beschwerdeführenden Parteien der mitbeteiligten Gemeinde mitgeteilt, sie hätten inzwischen die Zustimmung des Sohnes zur Kanalherstellung auf seinem Grundstück erhalten und begännen demnächst mit der Bauführung. Mit Aktenvermerk vom 26. November 2008 sei schließlich festgehalten worden, dass der Hauskanal fertig gestellt worden sei und in Benutzung stehe.
Abgesehen davon, dass der Abgabenanspruch mit 1. August 2001 entstanden sei, legten die den Gemeindeakten entnommenen Verfahrensschritte es nicht nahe, dass die mitbeteiligte Gemeinde die zur zwangsweisen Herstellung des Kanalanschlusses eingeräumten rechtlichen Instrumente zum Nachteil der beschwerdeführenden Parteien nicht hinreichend bestimmt wahrgenommen hätte. Es könne daher nicht davon die Rede sein, die Abgabenschuld sei nicht vor Dezember 2008 entstanden.
Zum Vorbringen, § 12 Abs 3 NÖ KanalG 1977 sei verfassungswidrig, führte die belangte Behörde aus, falls die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage nicht bestehen sollte (was im gegenständlichen Fall nicht zutreffe), sei der abgabenrechtliche Tatbestand der Kanalbenützungsgebühr nach § 5 Abs 1 NÖ KanalG 1977 nicht verwirklicht. Eines Rückgriffs auf den das Entstehen der Abgabenschuld regelnden § 12 Abs 3 NÖ KanalG 1977 bedürfe es in einem solchen Fall gar nicht.
Mit Beschluss vom 13. Dezember 2010, B 1438/10-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese unter einem gemäß Art 144 Abs 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof ab.
In der ergänzten Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beziehungsweise Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Auch die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF BGBl I Nr 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes 1977 (NÖ KanalG 1977), LGBl Nr 8230-0, lauten:
§ 5 Abs 1 NÖ KanalG 1977, LGBl Nr 8230-0, in der Fassung
LGBl Nr 8230-5:
"§ 5 Kanalbenützungsgebühr
(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.
..."
§ 9 NÖ KanalG 1977, LGBl Nr 8230-0, in der Fassung
LGBl Nr 8230-2:
"§ 9 Abgabepflichtiger
Die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr sind unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluß besteht oder der Anschluß bewilligt wurde. Die Fäkalienabfuhrgebühren sind von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, dessen Liegenschaft gemäß § 7 Abs. 2 in den Abfuhrbereich einbezogen wird. Sind Liegenschaftseigentümer und Eigentümer des Bauwerkes oder Bauwerber verschiedene Personen, so sind die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühren vom Eigentümer des Bauwerkes oder Bauwerber zu entrichten."
§ 12 Abs 3 NÖ KanalG 1977, LGBl Nr 8230-0, in der Fassung LGBl Nr 8230-5:
"§ 12 Entstehung der Abgabenschuld, Fälligkeit
...
(3) Die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr und die Fäkalienabfuhrgebühr entsteht mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanals möglich ist oder die Abfuhr der Fäkalien erfolgt. Wird eine Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so entsteht die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats in dem der Anschluß an den Kanal möglich ist. Diese Gebühren sind, soferne der Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung nichts anderes bestimmt, im vorhinein in vierteljährlichen Teilzahlungen, und zwar jeweils bis zum 15. Jänner, 15. April, 15. Juli und 15.
Oktober, zu entrichten.
..."
§ 13 NÖ KanalG 1977, LGBl Nr 8230-0, Abs 1 in der Fassung
LGBl Nr 8230-1:
"§ 13 Veränderungsanzeige
(1) Treten nach Zustellung des Abgabenbescheides (§ 14) derartige Veränderungen ein, daß die der seinerzeitigen Festsetzung der Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder der Fäkalienabfuhrgebühr zugrunde gelegten Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, so hat der Abgabepflichtige diese Veränderungen binnen zwei Wochen nach dem Eintritt der Veränderung bzw. nach dem Bekanntwerden derselben dem Bürgermeister (Magistrat) schriftlich anzuzeigen (Veränderungsanzeige).
(2) Eine auf Grund einer im Abs. 1 genannten Veränderung festgestellte niedrigere oder höhere Gebühr (§ 14 Abs. 1 lit.c) ist, soferne sich nicht aus § 12 etwas anderes ergibt, ab dem Monatsersten des dem Tage des Eintrittes der Veränderung zunächst folgenden Monates zu entrichten."
§ 17 Abs 3 NÖ KanalG 1977, LGBl Nr 8230-0, in der Fassung LGBl Nr 8230-5:
"(3) Bei Neulegung eines Hauptkanales der Gemeinde hat der Bürgermeister (Magistrat) den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlußpflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluß aufzutragen. Die Liegenschaftseigentümer sind nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet, binnen 4 Wochen um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen und unverweilt für den rechtzeitigen Anschluß der Hauskanäle Vorsorge zu treffen. Mit der Bauführung muß spätestens zwei Wochen nach Zustellung der baubehördlichen Bewilligung begonnen und diese längstens drei Monate nach Baubeginn beendet sein. Diese Fristen können in Einzelfällen vom Bürgermeister (Magistrat) auf begründetes schriftliches Ansuchen verlängert werden."
§ 62 Abs 2 NÖ Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996), LGBl Nr 8200-0,
in der Fassung LGBl Nr 8200-3:
"§ 62 Wasserver- und -entsorgung
...
(2) Die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer sind, wenn eine Anschlußmöglichkeit besteht, in den öffentlichen Kanal abzuleiten. Ist keine Anschlußmöglichkeit vorhanden, sind die Schmutzwässer in eine Senkgrube zu leiten oder über eine wasserrechtlich genehmigte Kläranlage in unschädlicher Weise abzuleiten. Jauche, Gülle und sonstige Schmutzwässer aus Stallungen, Düngerstätten und Silos für Naßsilage sowie andere Schmutzwässer, die nicht in den öffentlichen Kanal eingebracht werden dürfen, sind in Sammelgruben einzuleiten.
..."
Die ergänzte Beschwerde vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, weil sich zwischen der Liegenschaft der beschwerdeführenden Parteien, welche Gegenstand der Anschlussverpflichtung gewesen sei, und der von der mitbeteiligten Gemeinde vorgesehenen nächsten Kanalanschlussmöglichkeit eine weitere im Eigentum des Sohnes der beschwerdefürenden Parteien stehende Liegenschaft befinde und sich dieser bis Oktober 2008 geweigert habe, seine Zustimmung zur Verlegung eines Kanals zu erteilen, und die mitbeteiligte Gemeinde, trotz eines Antrages auf Erzwingung der Zustimmung für die Kanalverlegung gemäß § 18 NÖ KanalG 1977, untätig geblieben sei, sei der Kanalanschluss für die beschwerdeführenden Parteien durch die Weigerung des Sohnes faktisch unmöglich gewesen. Es habe weder die gesetzlich geforderte Benützungsmöglichkeit noch die Anschlussmöglichkeit bestanden. Die beschwerdeführenden Parteien bestritten nicht, dass die erforderlichen baulichen Maßnahmen bis zur Grenze der anzuschließenden Liegenschaft vollendet gewesen seien. Die Umstände hätten sich aber unmittelbar nach bescheidmäßigem Ausspruch der Anschlussverpflichtung durch die Eigentumsübertragung des Mittelgrundstücks, welches die einzige Verbindung zwischen der Liegenschaft der beschwerdeführenden Parteien und der Anschlussmöglichkeit darstellte, grundlegend geändert. Zum Zeitpunkt der Übertragung hätten sie nicht davon ausgehen können, dass sich ihr Sohn weigern würde, eine Kanalverlegung über sein Grundstück zuzulassen. Mit Eintritt des Eigentümerwechsels sei die Anschlussmöglichkeit nicht mehr gegeben gewesen. Es sei jedoch nicht den beschwerdeführenden Parteien anzulasten, dass sich der Liegenschaftserwerber gegen eine Kanalverlegung ausgesprochen habe, auch wenn der Kanal bereits früher hätte errichtet werden können und damit die gegebene Problematik überhaupt nicht entstanden wäre. Die Abgabenschuld entstehe nicht, wenn die Anschlussmöglichkeit nicht mehr bestehe. Auch im Fall, dass die Anschlussmöglichkeit nicht mehr vorliege, könne dies keinen Unterschied ausmachen. Es werde durch das NÖ KanalG 1977 durch eine einmal vorliegende Anschlussmöglichkeit keineswegs eine unendliche Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr "heraufbeschworen". Dies gehe allein schon aus § 13 NÖ KanalG 1977 hervor, nach dem eine Veränderung der Umstände durch die Gemeinde in Betracht zu ziehen sei.
Unbestritten ist im Beschwerdefall, dass die beschwerdeführenden Parteien mit rechtskräftigem Berufungsbescheid vom 17. August 2001 gemäß § 17 NÖ KanalG 1977 und § 62 NÖ Bauordnung 1996 zum Anschluss der Liegenschaft KG Nr 81, Grundstücke Nr 3 und Nr 2/2, an das öffentliche Kanalnetz verpflichtet wurden und dass die beschwerdeführenden Parteien, trotz bestehender Anschlussverpflichtung, die damals in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke Nr 3 und 2/2 nicht an den öffentlichen Kanal angeschlossen haben.
In der Beschwerde wird der Standpunkt vertreten, durch die Übertragung des Grundstücks, über das der Kanal zu leiten gewesen sei, an den Sohn der beschwerdeführenden Parteien und dessen Weigerung, einem Anschluss über das übertragene Grundstück zuzustimmen, sei es (nachträglich) zu einer Unmöglichkeit der Durchführung des Anschlusses an den öffentlichen Kanal gekommen. Aus diesem Grund dürfe für den gegenständlichen Zeitraum keine Kanalbenützungsgebühr vorgeschrieben werden.
Damit wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.
Gemäß § 12 Abs 3 zweiter Satz NÖ KanalG 1977 entsteht die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats, in dem der Anschluss an den Kanal möglich ist, wenn eine Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen wird. Wenn auch das NÖ KanalG 1977 hinsichtlich des Bestehens einer Anschlusspflicht nicht zwingend auf das Vorliegen eines Anschlusspflichtbescheides abstellt und insoweit nicht jener Fall vorliegt, in dem die Lehre von der sogenannten Tatbestandswirkung eines Bescheides spricht, sondern das Bestehen der Anschlusspflicht eine Vorfrage für die Verwirklichung des Abgabentatbestandes ist, so entfaltet dennoch der rechtskräftige Anschlusspflichtbescheid (sofern es einen solchen wie im Beschwerdefall gibt) Bindungswirkung für das Abgabenverfahren (vgl VwGH 4. September 2008, 2008/17/0143).
Im Beschwerdefall ist somit gemäß § 12 Abs 3 zweiter Satz NÖ KanalG 1977 die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühren bei bestehender mit rechtskräftigem Berufungsbescheid vom 17. August 2001 ausgesprochener Anschlusspflicht mit dem Monatsersten des Monats entstanden, in dem der Anschluss an den Kanal möglich war.
Gemäß § 17 Abs 3 NÖ KanalG 1977 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl Nr 8230-5 sind die Liegenschaftseigentümer nach Rechtskraft der Entscheidung über die Anschlusspflicht verpflichtet, binnen vier Wochen um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen und unverweilt für den rechtzeitigen Anschluss der Hauskanäle Vorsorge zu treffen. Mit der Bauführung muss spätestens zwei Wochen nach Zustellung der baubehördlichen Bewilligung begonnen und diese längstens drei Monate nach Baubeginn beendet sein. Dass derartige Schritte gesetzt wurden, haben die beschwerdeführenden Parteien niemals behauptet.
Die beschwerdeführenden Parteien haben somit unter Zugrundelegung ihres Vorbringens entgegen den sie aus dem Bescheid vom 17. August 2001 und den gesetzlichen Bestimmungen treffenden Verpflichtungen nicht für einen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage gesorgt.
Wie bereits ausgeführt, entsteht gemäß § 12 Abs 3 zweiter Satz NÖ KanalG 1977 die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats, in dem der Anschluss an den Kanal möglich ist, wenn eine Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen wird. Die Benützungsmöglichkeit des Kanals ist für die beschwerdeführenden Parteien ab 19. Juli 2001 (dem Tag nach Inbetriebnahme des Pumpwerks) gegeben gewesen. Vor dem Hintergrund, dass der Berufungsbescheid über die Anschlussverpflichtung am 21. August 2001 durch Zustellung rechtskräftig wurde, und am 18. Juli 2001 das Pumpwerk der Kanalanlage in Betrieb genommen wurde, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass die Abgabenschuld bereits vor Beginn des hier relevanten Zeitraumes mit 1. Jänner 2003 entstanden war.
Die im Beschwerdefall nach diesem Zeitpunkt eingetretenen Umstände führten nicht dazu, dass eine Kanalbenützungsgebühr nicht vorzuschreiben gewesen wäre. Die beschwerdeführenden Parteien konnten durch eigene Dispositionen nicht bewirken, dass eine bereits entstandene Abgabenschuld pro futuro wieder unterging.
Im Sinne dieser Ausführungen ordnet § 9 erster Satz NÖ KanalG 1977 an, dass die Kanalbenützungsgebühr unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten ist, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluss besteht oder der Anschluss bewilligt wurde.
Die Abgabenpflicht gemäß § 5 Abs 1 NÖ KanalG 1977, wonach für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten ist, setzt daher nicht voraus, dass das anschlusspflichtige Grundstück tatsächlich an die öffentlichen Kanalanlage angeschlossen ist (vgl das bereits erwähnte hg Erkenntnis vom 4. September 2008). Weder die Tatsache, dass - aus von den beschwerdeführenden Parteien zu vertretenden Gründen entgegen der sie treffenden Verpflichtungen - kein Anschluss vorhanden war, noch der Umstand, dass der Kanal nicht benutzt wurde, konnten daher etwas an der Verpflichtung zur Entrichtung der Kanalbenützungsgebühr ändern.
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ändert auch § 13 NÖ KanalG 1977 nichts an diesem Ergebnis. Dieser wäre nämlich einerseits nur anzuwenden, wenn nach Zustellung des Abgabenbescheides Änderungen eingetreten wären, was hier nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien nicht zutrifft. Andererseits ist auch das weitere Tatbestandsmerkmal nicht verwirklicht, dass die Voraussetzungen für die erfolgte Abgabenfestsetzung nicht mehr vorliegen.
Das Vorbringen, vor der Fertigstellung des Kanals sei die Entsorgung durch eine Senkgrube erfolgt, für deren regelmäßige Entleerung durch die Gemeinde die beschwerdeführenden Parteien ein Entgelt entrichtet hätten, weshalb sie für dieselben Abwässer letztlich zwei Mal belastet würden, muss im Beschwerdefall schon deshalb nicht behandelt werden, weil es sich dabei um eine gemäß § 41 Abs 1 VwGG unzulässige Neuerung handelt.
Aus den dargelegten Erwägungen ist die Vorschreibung der gegenständlichen Kanalbenützungsgebühren rechtsrichtig erfolgt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am 27. Februar 2015
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:2011170023.X00Im RIS seit
01.04.2015Zuletzt aktualisiert am
21.05.2015