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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Holeschofsky und Hofrätin Maga Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag Brandl als Richterin und Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Maga Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 18. April 2013, VwSen-301209/19/MB/BZ/JO, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (mitbeteiligte Partei: D D in F), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 31. Jänner 2012 wurde der Mitbeteiligte als Lokalbetreiber einer Pizzeria der Übertretung des § 52 Abs 1 Z 1 drittes Tatbild des Glücksspielgesetzes (GSpG) iVm § 2 Abs 4 GSpG für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen) verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und 3 VStG ein.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, sie habe gegen den Mitbeteiligten des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens mit Schreiben vom 26. April 2012 der zuständigen Staatsanwaltschaft Anzeige wegen "Verdachts einer gemäß § 168 StGB gerichtlich strafbaren Handlung" erstattet. Am 6. November 2012 habe die Staatsanwaltschaft die belangte Behörde telefonisch darüber informiert, dass zum gegenständlichen Strafverfahren am 29. Oktober 2012 beim Bezirksgericht F eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, im Zuge derer der Mitbeteiligte gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen worden sei. Die belangte Behörde führte weiters aus, dass dieser Freispruch gemäß Art 4 7. ZPEMRK eine weitere Verfolgung oder Bestrafung des Mitbeteiligten ausschließe. Im Übrigen führe aber auch eine von der belangten Behörde selbstständig vorgenommene Beurteilung zum Vorliegen eines gerichtlich zu ahndenden Tatbestandes. Und zwar liege aufgrund der Ausstattung der Geräte mit einer "Automatik-Start-Taste" einerseits und aufgrund der Tatsache, dass bei einem der Glücksspielgeräte ein Höchsteinsatz von EUR 15,-- möglich gewesen sei, der strafbare Versuch einer gemäß § 168 StGB mit gerichtlicher Strafe bedrohten Glücksspielveranstaltung vor. Im Hinblick auf die im vorliegenden Fall daher grundsätzlich gegebene gerichtliche Strafbarkeit des angelasteten Sachverhalts könne im Ergebnis jedenfalls keine Verwaltungsübertretung mehr vorliegen. Weiters genüge der erstinstanzliche Bescheid den Sprucherfordernissen des § 44a Z 1 VStG nicht, da die spruchmäßige Anlastung keine konkreten Sachverhaltselemente in Bezug auf das dritte Tatbild des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG enthalte. Zudem sei das mit der FA-Nummer 6 bezeichnete Glücksspielgerät nicht in unverwechselbarer Weise bezeichnet worden, es gebe hinsichtlich dieses Geräts auch Widersprüche zwischen Begründung und Spruch des Bescheids. Aufgrund dieser Mängel im Spruch sei das erstinstanzliche Straferkenntnis keine taugliche Verfolgungshandlung und es sei die Verfolgungsverjährung gemäß § 52 Abs 5 GSpG idF BGBl I Nr 54/2010 bereits eingetreten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, ebenso wie der Mitbeteiligte, in ihrer Gegenschrift die Ablehnung, in eventu die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach einer Verfahrenseinstellung oder einem freisprechenden Urteil durch die Gerichte die Verwaltungsbehörde die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbstständig zu beurteilen habe (vgl VwGH 22. März 1999, 98/17/0134 und 9. September 2013, 2012/17/0576). Aus dem Protokollvermerk mit gekürzter Urteilsausfertigung vom 29. Oktober 2012 ergibt sich nicht, dass das Gericht vom Vorliegen eines gerichtlich strafbaren Tatbestandes ausgegangen wäre, sodass hier - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend - für die belangte Behörde die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbstständig zu beurteilen gewesen war (vgl VwGH 14. November 2013, 2013/17/0162 bis 0163).
Der Beschwerdefall gleicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg Erkenntnis vom 23. Juli 2013, 2012/17/0249, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. Die belangte Behörde hat keine ausreichenden Feststellungen zu den an den Geräten möglichen Höchsteinsätzen getroffen. Die von der belangten Behörde zu möglichen Serienspielen getroffenen Feststellungen sind schon deshalb nicht ausreichend, weil nicht erkennbar ist, welche Beiträge in welchen Zeiträumen eingesetzt bzw verspielt werden konnten (vgl VwGH 7. Oktober 2013, 2013/17/0210 bis 0211).
Soweit im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, es hätten teilweise Höchsteinsätze von EUR 15,-- geleistet werden können, ist nicht erkennbar, auf welche Glücksspielgeräte sich diese Aussage bezog.
Hinsichtlich der von der belangten Behörde aufgezeigten Mängel im Spruch des erstinstanzlichen Bescheids ist auszuführen:
Nach der hg Rechtsprechung hat die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat gemäß § 44a Z 1 VStG so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (vgl VwGH 12. März 2010, 2010/17/0017). Im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist die dem Mitbeteiligten vorgeworfene Tat in zeitlicher und örtlicher Hinsicht ausreichend konkretisiert. Dem Mitbeteiligten wurde zur Last gelegt, er habe als Inhaber der Pizzeria zu verantworten, während eines bestimmten Zeitraums durch die dort betriebsbereit aufgestellten Glücksspielgeräte die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG (virtuelle Walzenspiele und ein Funwechsler) unternehmerisch zugänglich gemacht zu haben, ohne eine Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz zu besitzen.
Da der Mitbeteiligte auch aufgefordert wurde, sich zu diesem konkreten Tatvorwurf zu rechtfertigen, ist im Beschwerdefall nicht ersichtlich, dass er hinsichtlich des ihm vorgeworfenen Verhaltens im Unklaren gewesen wäre. In seiner Stellungnahme vom 17. Jänner 2012 gestand er die unternehmerische Zugänglichmachung der Glücksspielgeräte ausdrücklich zu. Dieses Vorbringen zeigt, dass der Mitbeteiligte Kenntnis über den konkreten Tatvorwurf und insbesondere die ihm vorgeworfene Verwirklichung des Tatbestandselements der unternehmerischen Zugänglichmachung hatte. Das erstinstanzliche Straferkenntnis war somit nicht nur objektiv ausreichend, sondern sogar aus Sicht der Partei hinsichtlich dieses von der belangten Behörde angesprochenen Spruchbestandteils hinreichend konkretisiert, um die Verteidigungsrechte des Mitbeteiligten zu wahren und ihn nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung auszusetzen. Es lag daher eine taugliche Verfolgungshandlung vor, die die einjährige Verjährungsfrist des von der belangten Behörde anzuwendenden § 52 Abs 5 GSpG idF BGBl I Nr 54/2010 unterbrach.
Hinsichtlich der von der belangten Behörde behaupteten nicht unverwechselbaren Bezeichnung des Glücksspielgeräts mit der FA-Nummer 6 und dem behaupteten Widerspruch zwischen Begründung und Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist auszuführen, dass sämtliche Glücksspielgeräte von den Kontrollorganen der Abgabenbehörde mit FA-Nummern versehen wurden und dieser Vorgang auch mit Bildern dokumentiert wurde. Im erstinstanzlichen Straferkenntnis sind diese Geräte - einschließlich des mit der FA-Nummer 6 bezeichneten Geräts - einerseits mit der ihnen zugewiesenen FA-Nummer und andererseits mit ihrer Gehäusebezeichnung angegeben und damit in unverwechselbarer Weise gekennzeichnet.
Im Straferkenntnis wird die Funktionsweise von virtuellen Walzenspielen beschrieben. Bei dem mit der FA-Nummer 6 bezeichnetem Gerät handelt es sich allerdings um einen "Funwechsler", auf den die beschriebenen Spielabläufe nicht zutreffen. Die von der belangten Behörde bemängelte unzureichende Beschreibung des Spielablaufs hätte von ihr allerdings im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens gemäß § 66 AVG aufgegriffen und präzisiert werden müssen. Dadurch, dass die belangte Behörde derartige Feststellungen nicht getroffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid betreffend den "Funwechsler" mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.
Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde erweist sich aus den dargelegten Erwägungen als rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1VwGG aufzuheben war.
Wien, am 3. März 2015
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:2013170374.X00Im RIS seit
01.04.2015Zuletzt aktualisiert am
29.05.2015