TE Vfgh Beschluss 2015/3/11 V3/2014

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Veröffentlicht am 11.03.2015
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Index

80/05 Pflanzenschutz, Schädlingsbekämpfung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
PflanzenschutzmittelG 2011 §3 Abs1, §4 Abs1
PflanzenschutzmittelV 2011 §1 Abs8

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags eines Gewerbetreibenden auf Aufhebung von Bestimmungen der Pflanzenschutzmittelverordnung 2011 betr Verkaufsbeschränkungen für Pflanzenschutzmittel infolge zumutbaren Umwegs

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.               Antrag und Vorverfahren

1.               Mit dem auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, §1 Abs8 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Durchführung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 (Pflanzenschutzmittelverordnung 2011), BGBl II 233 idF BGBl II 198/2013, zur Gänze, in eventu §1 Abs8 Z1 leg. cit., in eventu §1 Abs8 Z2 leg. cit. wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.

2.              Zur Antragslegitimation führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass er über eine Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe eingeschränkt auf den Kleinhandel verfüge und dieses Gewerbe in Form eines Einzelunternehmens ausübe, das im Firmenbuch des Landesgerichtes Wiener Neustadt protokolliert sei.

Weiters behauptet er mit dem Argument, dass ihn die angefochtene Bestimmung in seiner unternehmerischen Verkaufsgestaltung beschränke, die Unmittelbarkeit des Eingriffs. Auch stünde ihm kein zumutbarer anderer Weg zur Verfügung, die Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3.              Wörtlich führte er aus:

"Angesichts der unmittelbar aus der angefochtenen Bestimmung resultierenden Beschränkung seiner unternehmerischen Verkaufsentscheidungen, die keiner Aktualisierung durch einen weiteren Rechtsakt mehr bedarf, hat der Antragsteller jedenfalls keine Möglichkeit, die angefochtene Bestimmung über den Weg eines Bescheidbeschwerdeverfahrens gemäß Art144 B-VG an den VfGH heranzutragen.

Auch der Gerichtsweg ist nicht zumutbar, denn der Abschluss eines Vertrages, der den Verkauf eines Pflanzenschutzmittels unter Verstoß gegen die angefochtene Bestimmung zum Inhalt hat, scheitert – wenn nicht schon an §879 Abs1 ABGB – zumindest daran, dass der Antragsteller nicht mit sich selbst kontrahieren kann und die Verleitung eines Kunden zu juristischen Experimenten im Geschäftsleben schlicht nicht machbar ist und Imageschäden befürchten lässt. Im Übrigen läge – da die angefochtene Bestimmung auf den 'Verkauf' (also das zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft, und nicht erst auf die Erfüllung dieses Verpflichtungsgeschäftes durch die tatsächliche Abgabe) abstellt – schon in der Schaffung der für ein Zivilverfahren notwendigen vertraglichen Grundlage ein Verstoß gegen §3 Abs1 und 15 Abs1 Z1 lita Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 iVm der angefochtenen Bestimmung. Dass die Erwirkung eines Verwaltungsstrafverfahrens (wegen Verstoßes gegen §§3 Abs1 und 15 Abs1 Z1 lita Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 iVm der angefochtenen Bestimmung) unzumutbar ist, ist aber jedenfalls ständige Rechtsprechung des VfGH. Einen solchen Verwaltungsstrafbescheid gibt es bislang auch noch nicht.

Im Ergebnis steht dem Antragsteller daher kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung als die Einbringung des vorliegenden Individualantrages."

4.              In der Sache begründet der Antragsteller die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmung – auf das Wesentliche zusammengefasst – einerseits mit der näher begründeten Behauptung, dass das Begutachtungsverfahren gemäß §10 Abs1 WKG unterlassen worden sei, weshalb ein "Teilschritt" des Normerzeugungsverfahrens fehle, was zu einer objektiven Rechtswidrigkeit der Verordnung führe, und andererseits, dass die angefochtene Z1 in §8 Abs1 Pflanzenschutzmittelverordnung 2011 mit der Formulierung "Betriebe, die ausschließlich oder überwiegend Lebensmittel in Verkehr bringen" den Kreis der Normadressaten so unklar umschreibe, dass dadurch Art18 B-VG verletzt würde.

5.              Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erstattete eine Äußerung, mit der beantragt wird, den Antrag "mangels Antragslegitimation zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, dass die Verordnung BGBl II Nr 198/2013 nicht als gesetzes- oder verfassungswidrig aufzuheben ist".

II.              Rechtslage

1.              Mit Art1 des Agrarrechtsänderungsgesetzes 2010, BGBl I 10/2011, wurde das Bundesgesetz über den Verkehr mit Pflanzenschutzmitteln und über Grundsätze für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Pflanzenschutzmittelgesetz 2011) erlassen. Die Erläuternden Bemerkungen (896 BlgNR 24. GP, 5) zu §6 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 erhellen, dass ebendiese Bestimmung, welche im Wesentlichen die gesetzliche Grundlage für die Pflanzenschutzmittelverordnung 2011 und sohin auch für die angefochtene Bestimmung darstellt, der Umsetzung des Art6 Abs1 der Richtlinie 2009/128/EG über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden dient.

2.              Die maßgeblichen Bestimmungen des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011, BGBl I 10 idF BGBl I 189/2013 lauten wie folgt:

"Voraussetzungen für das Inverkehrbringen

§3. (1) Pflanzenschutzmittel und Zusatzstoffe dürfen nur dann zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere gelagert oder vorrätig gehalten oder auf sonstige Weise in Verkehr gebracht oder beworben werden, wenn den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der darauf beruhenden Verordnungen und den Rechtsvorschriften der Europäischen Union entsprochen wird.

(2), (3) […]

Betriebs- und Pflanzenschutzmittelregister

§4. (1) Wer beabsichtigt, eine Tätigkeit nach §3 Abs1 oder sonstige Geschäftstätigkeiten in Verbindung mit dem Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln auszuüben, hat dies vor Aufnahme der Tätigkeit dem Bundesamt für Ernähungssicherheit unter Bekanntgabe seines Sitzes oder seiner Niederlassung zum Zwecke der Eintragung in das beim Bundesamt für Ernährungssicherheit zu führende Betriebsregister schriftlich zu melden. Mit der Meldung sind alle Lager- und Abgabestellen bekannt zu geben.

(2) Zugelassene und genehmigte Pflanzenschutzmittel sind in das beim Bundesamt für Ernährungssicherheit zu führende Pflanzenschutzmittelregister einzutragen.

(3) Eine Zulassung oder Genehmigung ist zurückzunehmen, wenn der Zulassungs- oder Genehmigungsinhaber seinen Sitz oder seine Niederlassung in der Europäischen Union aufgegeben hat.

[…]

Verordnungsermächtigung

§6. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr 1107/2009 und zur Umsetzung von Rechtsvorschriften der Europäischen Union sowie zum Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren und der Umwelt und zum Schutz der Verbraucher im geschäftlichen Verkehr durch Verordnung nähere Regelungen zu erlassen, insbesondere über

1. Abgabe, Erwerb und Lagerung von Pflanzenschutzmitteln;

2. – 7. […]"

3.              Die maßgeblichen Bestimmungen der Pflanzenschutzmittelverordnung 2011, BGBl II 233 idF BGBl II 198/2013 lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Abgabe, Erwerb und Lagerung

§1. (1) – (3) […]

(4) Vertreiber, die Pflanzenschutzmittel für den Haus- und Kleingartenbereich verkaufen, haben den Kunden Informationen im Sinne des Art6 Abs3 der Richtlinie 2009/128/EG über die Risiken der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, insbesondere über die Gefahren, die Exposition, die sachgemäße Lagerung, Handhabung, Anwendung und sichere Entsorgung sowie Alternativen mit geringem Risiko, zur Verfügung zu stellen. Die Zulassungs- und Genehmigungsinhaber von Pflanzenschutzmitteln haben den Vertreibern die entsprechenden Informationen zur Verfügung zu stellen.

(5) […]

(6) Vertreiber im Sinne des Abs3, bei denen es aus technischen Gründen (zum Beispiel Platzmangel auf Rechnungen beziehungsweise Kassenbelegen) nicht möglich ist, alle Angaben im Sinne des §11 Abs2 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 vollständig anzuführen, haben durch entsprechende innerbetriebliche Aufzeichnungen in nachvollziehbarer Weise sicherzustellen, dass über die verwendeten Bezeichnungen (zum Beispiel Artikelnummer oder Sachbezeichnung) eine eindeutige Zuordnung des Produkts zum zugelassenen Pflanzenschutzmittel gegeben ist.

(7) Pflanzenschutzmittel sind von Vertreibern so zu lagern, dass es zu keiner unbeabsichtigten Freisetzung oder Vermischung mit anderen Produkten, insbesondere Lebens- und Futtermitteln, kommen kann.

(8) Pflanzenschutzmittel dürfen nicht

1. in Betrieben, die ausschließlich oder überwiegend Lebensmittel in Verkehr bringen (Lebensmitteleinzelhandel), oder

2. in Form der Selbstbedienung

verkauft werden.

[…]

Betriebsregister

§4. (1) Die Registrierung erfolgt durch Eintragung des Betriebs in ein amtliches Verzeichnis gemäß §4 Abs1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011, welches vom Bundesamt für Ernährungssicherheit zu veröffentlichen ist. Mit der Meldung zum Zweck der Registrierung sind Firmenbezeichnung einschließlich Rechtsform, Firmenanschrift sowie Niederlassungen und Filialbetriebe bekanntzugeben. Für die Meldung ist ein in den Amtlichen Nachrichten des Bundesamts für Ernährungssicherheit zu veröffentlichendes Formular zu verwenden.

(2) Die Registrierung ist zurückzunehmen oder nicht vorzunehmen, wenn der Registrierungsinhaber Sitz oder Niederlassung im Inland aufgegeben hat.

[…]

Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

§15. (1) Diese Verordnung, ausgenommen §1 Abs1 bis 5, tritt am 14. Juni 2011 in Kraft.

(2) – (10) […]

(11) §1 Abs8 in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 198/2013 tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft."

III.              Erwägungen

1.              Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).

2.              Dem Antragsteller steht ein anderer zumutbarer Weg im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung offen, um Rechtsschutz gegen die als gesetzwidrig gerügte Verordnung zu erlangen: Gemäß §4 Abs1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 iVm §4 Abs1 der Pflanzenschutzmittelverordnung 2011 hat jeder, der beabsichtigt, eine Geschäftstätigkeit in Verbindung mit dem Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln auszuüben, dies vor Aufnahme der Tätigkeit dem Bundesamt für Ernährungssicherheit zum Zwecke der Eintragung in das zu führende Betriebsregister schriftlich zu melden. Die Eintragung in das Betriebsregister erfolgt, wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. §3 Abs1 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011). Dem Antragsteller ist es zumutbar, einen Antrag auf Eintragung in das Betriebsregister zu stellen, um im Versagungsfall – nach Anrufung des Verwaltungsgerichtes und Anregung eines gerichtlichen Antrages gemäß Art139 Abs1 Z1 B-VG – die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmung in einem Verfahren gemäß Art144 B-VG zu rügen.

Der Antrag erweist sich daher als unzulässig.

IV.              Ergebnis

1.               Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

2.               Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Pflanzenschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2015:V3.2014

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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