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L8200 BauordnungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung des Antrags von Nachbarn auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die der beteiligten Partei erteilte Baubewilligung; keine Bedenken gegen die Regelung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Prinzip der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes; vom Verwaltungsgerichtsverfahren abweichende Regelung auch erforderlich angesichts des Regelungszwecks und der Besonderheiten des BaubewilligungsverfahrensRechtssatz
§56 Abs1 Oö BauO 1994 normiert - in Abweichung zu §13 Abs1 VwGVG -, dass in den Angelegenheiten der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG keine aufschiebende Wirkung haben, wenn durch den angefochtenen Bescheid eine Berechtigung eingeräumt wird. Dieser Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gilt allerdings nicht generell und ausnahmslos (siehe §56 Abs2 Oö BauO 1994).
Die Regelung des §56 Oö BauO 1994 bezieht sich nach dem klaren Wortlaut auf die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG gegen den zweitinstanzlichen Bescheid, mit dem eine Berechtigung erteilt wurde. Der VfGH teilt daher nicht die Bedenken des Beschwerdeführers in Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG. Unter der "Behörde", welche auf Antrag der beschwerdeführenden Partei gemäß §56 Abs2 Oö BauO 1994 mit Bescheid die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen hat, kann nur jene (zweitinstanzliche) Verwaltungsbehörde verstanden werden, deren Bescheid beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG bekämpfbar ist (vgl auch §36 VwGVG).
§56 Abs2 Oö BauO 1994 räumt im Baubewilligungsverfahren der letztinstanzlichen Verwaltungsbehörde bzw (ab Zuständigkeitsübergang) dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit ein, der Beschwerde des Nachbarn gegen die erteilte Baubewilligung bei Vorliegen der Voraussetzungen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Im Rahmen dieser Entscheidung hat die letztinstanzliche Verwaltungsbehörde bzw das Verwaltungsgericht umfassend die öffentlichen Interessen sowie die Interessen des Bewilligungswerbers und alle geltend gemachten Interessen der Nachbarn abzuwägen. Ungeachtet der Tatsache, dass gegebenenfalls der Bauwerber die Kosten der Beseitigung des konsenslos gewordenen Bauwerks zu tragen hätte, hat die Behörde dabei umfassend alle diese Kriterien im Einzelfall zu berücksichtigen.
§56 Oö BauO 1994 steht somit nicht im Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes.
Die von §13 VwGVG abweichende Regelung des §56 Oö BauO 1994 ist auch "erforderlich" iSd Art136 Abs2 B-VG.
Anders als in den meisten in der Rechtsprechung unter dem Aspekt des - mit Art136 Abs2 B-VG vergleichbaren - Art11 Abs2 B-VG behandelten verfahrensrechtlichen Regelungen betrifft §56 Oö BauO 1994 Verfahren, in denen sich mehrere Parteien mit unterschiedlichen subjektiven Rechten und mit unterschiedlichen Interessen gegenüber stehen. Wenn der Landesgesetzgeber nun festlegt, dass einer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht gemäß §56 Abs1 Oö BauO 1994 keine aufschiebende Wirkung zukommt, dabei aber auch in §56 Abs2 Oö BauO 1994 auf Antrag einer Partei die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde auf der Grundlage einer umfassenden, auf sachlichen Kriterien beruhenden Abwägung der öffentlichen Interessen sowie der Interessen des Bauwerbers und der anderen Parteien ermöglicht, erachtet der VfGH eine solche Regelung in Hinblick auf Art136 Abs2 B-VG als unbedenklich.
Angesichts des dargestellten Regelungszwecks und der Besonderheiten des Baubewilligungsverfahrens widerspricht somit die von §13 VwGVG abweichende Regelung des §56 Oö BauO 1994 nicht Art136 Abs2 B-VG.
Auch keine gleichheitsrechtlichen Bedenken; sachliche Regelung.
Keine Willkür; vertretbare Annahme des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, dass die Beschwerdeführer keine durch die Bauführung entstehenden irreversiblen Veränderungen vorgebracht hätten, weil im Falle des Obsiegens der Beschwerdeführer der Bauwerber die finanziellen Folgen einer allenfalls eintretenden Konsenslosigkeit des ausgeführten Baus zu tragen habe.
Schlagworte
Baurecht, Baubewilligung, Verwaltungsverfahren, Wirkung aufschiebende, Verwaltungsgerichtsverfahren, Rechtsstaatsprinzip, Rechtsschutz, Determinierungsgebot, Bedarfskompetenz, BedarfsgesetzgebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2015:E58.2015Zuletzt aktualisiert am
09.11.2016