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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
StGB §91;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des R J in D, vertreten durch Advocaat Dr. Stephan Wijnkamp (Einvernehmensanwalt: Dr. Christopher Fink), beide in 6460 Imst, Sirapuit 7, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 19. September 2012, Zl. 41.550/617- 9/12, betreffend Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 18. Mai 2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Hilfeleistungen gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 6 Z 1 Verbrechensopfergesetz (VOG) abgewiesen.
In der Begründung stellte die Erstbehörde fest, der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Niederlande, sei am 5. März 2009 in seinem Hotel von seiner Tochter darüber informiert worden, dass diese in Begleitung ihres Freundes in der Diskothek C. von einem Gast unsittlich berührt und im Rahmen der darauf folgenden Auseinandersetzung verletzt worden sei. Daraufhin habe der Beschwerdeführer - nur mit der Unterhose bekleidet - die nahe gelegene Diskothek aufgesucht, um dort den betreffenden Gast zur Rede zu stellen. Aktenkundig sei das "überaus aggressive Verhalten" des Beschwerdeführers. Danach sei es, wie u.a. das Videomaterial zeige, zu einer Rauferei zwischen dem Beschwerdeführer und unbekannten Gästen gekommen, wobei aber nicht habe festgestellt werden können, wer Opfer und wer Täter gewesen sei. Im Verlauf dieser Schlägerei seien "Gläser geflogen" und der Beschwerdeführer und einige Personen seiner Reisegruppe verletzt worden. Der Beschwerdeführer habe eine Schnittverletzung am rechten Auge und an der rechten Wange erlitten. In seiner Aussage vom 6. März 2009 habe er angegeben, sich an den Ablauf des Tatgeschehens nicht erinnern zu können.
Ausgehend davon und unter Bezugnahme auf wiedergegebene Aussagen von Zeugen, die einen konkreten Beschuldigten nicht hätten nennen können, gelangte die Erstbehörde zu dem Ergebnis, es spreche mehr für eine fahrlässige als für eine vorsätzliche Herbeiführung der Verletzungen des Beschwerdeführers im Zuge einer Massenschlägerei, sodass das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 VOG nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne.
Abgesehen davon träfen auf den Beschwerdeführer angesichts seines provokanten Verhaltens (Aufsuchen eines Nachtlokals in aufgebrachtem Zustand nur mit einer Unterhose bekleidet) die Ausschlussgründe des § 8 Abs. 1 Z 2 und 3 VOG zu, wonach Beschädigte von Hilfeleistungen ausgeschlossen sind, wenn sie ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund den Täter zu dem verbrecherischen Angriff vorsätzlich veranlasst oder sich ohne anerkennenswerten Grund grob fahrlässig der Gefahr ausgesetzt haben, Opfer eines Verbrechens zu werden (Z 2) oder an einem Raufhandel teilgenommen und dabei die Körperverletzung oder die Gesundheitsschädigung erlitten haben (Z 3).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, welche die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abwies.
In der Begründung gab die belangte Behörde das Verfahrensgeschehen und den Inhalt der Unterlagen, die sie bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck zur Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers betreffend den Vorfall vom 5. März 2009 eingeholt habe, wieder (darunter der Amtsvermerk der Polizeiinspektion vom 6. März 2009 zur Befragung des Beschwerdeführers und die am 18. Juni 2010 vom Beschwerdeführer erstatte Anzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck).
Danach führte sie aus, dass der genaue Ablauf der Geschehnisse vom 5. März 2009 nicht festgestellt werden könne. Es stehe lediglich fest, dass an diesem Tag in der Diskothek C. eine Schlägerei zwischen mehreren Personen stattgefunden und der Beschwerdeführer dort eine schwere Augenverletzung erlitten habe.
Vor dem Hintergrund des wiedergegebenen § 1 VOG führte die belangte Behörde aus, es sei zu prüfen, ob der Beschwerdeführer seine Verletzung durch eine Vorsatztat erlitten habe, wobei für die Tatbestandsmäßigkeit und die Kausalität die Wahrscheinlichkeit erforderlich sei. Wahrscheinlichkeit sei dann gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 VOG spreche. Diesen Grad der Wahrscheinlichkeit hätten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens angesichts folgender Beweiswürdigung nicht ergeben:
Der Beschwerdeführer habe im Zuge seiner ersten Befragung (Amtsvermerk vom 6. März 2009) angegeben, dass er sich an den "Ablauf nicht genau erinnern könne, da alles blitzschnell passiert wäre". Er sei "offenbar" von einem der Jugendlichen bzw. einem Mann mit einem Messer oder Glas im Gesicht attackiert worden. Bei dieser (letztgenannten) Äußerung des Beschwerdeführers handle es sich um eine Vermutung in Form eines Gedankenschlusses, nicht um eine Wahrnehmung im Sinnesbereich.
Im Zuge der Anzeige des Beschwerdeführers an die Staatsanwaltschaft (eingelangt am 18. Juni 2010) habe der Beschwerdeführer angegeben, er sei von einem der Jugendlichen mit einem Messer oder Glas im Gesicht "attackiert" worden. Im Rahmen des erstinstanzlichen Parteiengehörs habe er vorgebracht, er sei "plötzlich und vollkommen unerwartet" tätlich angegriffen, mit einem Glas im Gesicht attackiert und dabei schwer verletzt worden.
Er habe somit übereinstimmend angegeben, die Verletzung am Auge in einer sehr kurzen Zeitspanne, nämlich blitzschnell bzw. plötzlich erlitten zu haben, und bei der Erstbefragung auch angegeben, sich an den Ablauf nicht genau erinnern zu können. Dies spräche dagegen, dass der Beschwerdeführer ein vorsätzliches Attackieren beobachtet bzw. wahrgenommen habe.
Zwar seien in der Diskothek laut Zeugenaussagen Gläser durch die Luft geworfen und dabei auch andere Gäste verletzt worden. Es seien aber unterschiedliche Geschehensabläufe möglich und mit der Verletzung des Beschwerdeführers vereinbar. Die Verletzung des Beschwerdeführers könne - im Zuge der allgemeinen Schlägerei - durch ein "ungezielt geworfenes Glas oder eine abwehrende bzw. ausweichende Handbewegung mit einem Glas verursacht worden sein". Auch die Zeugenaussagen und die Aufzeichnung der Überwachungskamera enthielten nämlich keine Hinweise auf eine vorsätzlich gegen den Beschwerdeführer geführte Tätlichkeit. Daher könne fallbezogen nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer Vorsatztat angenommen werden, bloße Fahrlässigkeitsdelikte begründeten keinen Anspruch auf Hilfeleistung gemäß § 1 Abs. 1 VOG.
Dass das Vorliegen einer Handlung gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 VOG nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden könne, also grundsätzlich die Möglichkeit einer solchen bestehe, reiche nach der Judikatur für den gegenständlichen Anspruch nicht aus.
Da es somit schon an den Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 VOG fehle, habe die Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Erstbehörde sei zu Unrecht von einem Ausschlussgrund nach § 8 Abs. 1 Z 2 und 3 VOG ausgegangen, unterbleiben können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
1.2. Das Verbrechensopfergesetz (VOG), BGBl. Nr. 288/1972 in der hier noch maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 58/2011 lautet auszugsweise:
"Kreis der Anspruchsberechtigten
§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
1. durch eine mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder
2. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.
(2) Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn
...
3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.
...
(6) Hilfe ist Unionsbürgern sowie Staatsbürgern von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in gleicher Weise wie österreichischen Staatsbürgern zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1
1. im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde oder
...
Ausschlußbestimmungen
§ 8. (1) Von den Hilfeleistungen sind Beschädigte ausgeschlossen, wenn sie
1.
an der Tat beteiligt gewesen sind,
2.
ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund den Täter zu dem verbrecherischen Angriff vorsätzlich veranlasst oder sich ohne anerkennenswerten Grund grob fahrlässig der Gefahr ausgesetzt haben, Opfer eines Verbrechens zu werden,
3. an einem Raufhandel teilgenommen und dabei die Körperverletzung oder die Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) erlitten haben oder
..."
1.3. Der § 91 StGB lautet auszugsweise:
"Raufhandel
§ 91. (1) Wer an einer Schlägerei tätlich teilnimmt, ist schon wegen dieser Teilnahme mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wenn die Schlägerei eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) eines anderen verursacht, wenn sie aber den Tod eines anderen verursacht, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.
..."
2.1. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet die Beschwerde zunächst ein, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde der Aussage des Beschwerdeführers, er sei (vorsätzlich) attackiert worden, keinen Glauben schenke und diese Aussage als bloße Vermutung in Form eines Gedankenschlusses qualifiziere. Die Begründung der belangten Behörde sei an dieser Stelle mangelhaft.
Wie aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Innsbruck hervorgehe, habe der Beschwerdeführer stets angegeben, von einem Jugendlichen bzw. einem Mann mit einem Messer oder Glas im Gesicht attackiert und dabei verletzt worden zu sein (nach der Beschwerde: Schnittwunden an der Wange und am rechten Auge, die eine Transplantation der Hornhaut notwendig gemacht hätten). Aus dem Umstand, dass er sich an die näheren Einzelheiten aufgrund des raschen Geschehensablaufes nicht habe erinnern können, sei keinesfalls abzuleiten, dass die von ihm gemachten Angaben nicht auf persönlichen Wahrnehmungen gründeten. Es sei allgemein anerkannt, dass niemand zu jedem Zeitpunkt alle seine vorhandenen Erinnerungen abrufen könne. Dieses Phänomen nenne man Inkadenz bzw. Gedächtnisverschluss.
Dem Beschwerdeführer sohin ohne entsprechende Indizien zu unterstellen, dass die von ihm geschilderte Tat unter Umständen nicht erfolgt sei, verlasse die Grenzen des der Behörde eingeräumten Ermessensspielraumes, insbesondere da sie es unterlassen habe, sich in einer Einvernahme einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu machen. Es sei lebensnah, dass sich der Beschwerdeführer aufgrund des schweren Schockerlebnisses, verbunden mit der schweren Augenverletzung, nicht an jede Einzelheit des Tatgeschehens erinnern könne.
2.2. Außerdem macht die Beschwerde als inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, dass der Beschwerdeführer die Augenverletzung auch nach den Feststellungen der belangten Behörde im Zuge einer Schlägerei zwischen mehreren Personen erlitten habe. Diese Schlägerei sei unter das Delikt des Raufhandels gemäß § 91 StGB zu subsumieren. Das Strafdelikt des Raufhandels sei bei Verletzungen durch Bewerfen mit Biergläsern usw. erfüllt, auch wenn die Verletzungen einem bestimmten Täter nicht zugeordnet werden können (Hinweis auf OGH-Judikatur). Die belangte Behörde hätte daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung im Rahmen des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG von der "Vortat" (gemeint: Vorsatztat) des § 91 Abs. 1 StGB ausgehen müssen.
2.3. Zum selben Ergebnis - so die Beschwerde - wäre die belangte Behörde bei gebotener Bedachtnahme auf § 1 Abs. 1 Z 2 VOG gelangt, zumal die (diesbezüglichen) Gesetzesmaterialien die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck bringen, dass auch "Unbeteiligte" Anspruch auf Hilfeleistung nach dem VOG haben, wenn sie im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 VOG eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, die zwar nicht Folge der Tathandlung war, aber auf ein weiteres mit der Tathandlung in einem Zusammenhang stehendes Geschehen zurückzuführen ist, wie etwa auf den Waffengebrauch durch Sicherheitsorgane.
3. Dieses Beschwerdevorbringen ist zielführend:
3.1. Zu den Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Z 1 VOG:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 VOG besteht ein Anspruch auf Hilfe für Personen, von denen mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben. Maßgeblich ist nach diesem Gesetzesbegriff unter anderem, dass sich die Gesundheitsstörung als eine - vom Tätervorsatz umfasste - Folge des Verstoßes gegen eine bestimmte Verbotsnorm darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2011, Zl. 2008/11/0168).
Im Beschwerdefall ist der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie die letztgenannte Voraussetzung verneint hat:
Dem angefochtenen Bescheid liegt nämlich sachverhaltsmäßig zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 5. März 2009 im Zuge einer Schlägerei in der gegenständlichen Diskothek zwar Schnittverletzungen im Gesicht erlitten hat, doch seien laut belangter Behörde keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass diese Verletzungen mit Wahrscheinlichkeit vorsätzlich herbeigeführt worden seien.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist diese Beweiswürdigung nicht als unschlüssig zu erkennen, hat die belangte Behörde doch die Wahrscheinlichkeit eines Verletzungsvorsatzes des bzw. der Täter deshalb verneint, weil sich ein solcher weder aus den ersten (den Geschehnissen zeitlich am nächsten gelegenen) Angaben des Beschwerdeführers, noch aus den Zeugenaussagen oder gar Aufzeichnungen der Überwachungskamera ergebe. Es widerspricht auch nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass angesichts der erwiesenen Schlägerei und der geworfenen Gläser Verletzungen fahrlässig (etwa durch ausweichende Handbewegungen) verursacht wurden.
Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Hilfeleistung nicht aus § 1 Abs. 1 Z 1 VOG ableiten kann.
3.2. Zu den Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Z 2 VOG:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 VOG besteht ein Anspruch auf Hilfeleistung auch dann, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass eine Person "als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1" eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten hat, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz bestehen.
Zur Tatbestandsvoraussetzung des Zusammenhanges der Körperverletzung mit einer Handlung im Sinne der Z 1 - also mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung - weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass eine solche Vorsatztat schon durch die unstrittig stattgefundene Schlägerei zwischen mehreren (hier unbekannten) Personen, die unstrittig zur schweren Körperverletzung des Beschwerdeführers geführt hat, vorliegt, zumal eine solche Schlägerei gemäß § 91 StGB als Raufhandel mit (u.a.) Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht ist. Der Verwirklichung der Vorsatztat des § 91 StGB durch die jeweiligen Teilnehmer an der Schlägerei steht nicht entgegen, dass nach den Feststellungen der belangten Behörde der Vorsatz der Täter wahrscheinlich nicht die schwere Körperverletzung des Beschwerdeführers umfasst hat, weil es sich bei der schweren Körperverletzung bloß um eine objektive Bedingung des Raufhandels handelt (vgl. Jerabek in Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Auflage, Rz 2 zu § 91 StGB).
Auch für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 VOG ist es (anders als für die Z 1 leg. cit.; vgl. oben Pkt. 3.1.) nicht erforderlich, dass die Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung vom Tätervorsatz umfasst ist, weil es nach dem Gesetzeswortlaut darauf ankommt, dass der Anspruchsberechtigte als Unbeteiligter die Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung "im Zusammenhang" mit dem genannten Delikt (hier: Raufhandel) erlitten hat. Dieser Zusammenhang läge fallbezogen vor, wenn der Beschwerdeführer die schwere Augenverletzung, wie die belangte Behörde annimmt, im Rahmen der gegenständlichen Schlägerei durch ein mit dem Raufhandel in Zusammenhang stehendes Geschehen, konkret etwa durch die erwähnte ausweichende Handbewegung mit einem Glas, erlitten hat (vgl. zum hier relevanten Begriff des "Zusammenhanges" abermals das zitierte Erkenntnis Zl. 2008/11/0168).
Damit hängt die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Hilfeleistung gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 VOG zukommt, davon ab, ob er im Sinne dieser Bestimmung als "Unbeteiligter" an dem in Rede stehenden Raufhandel anzusehen ist. Die Beantwortung dieser Frage ist auch deshalb entscheidend, weil im Falle einer tätlichen Teilnahme des Beschwerdeführers am Raufhandel (vgl. dazu Jerabek, aaO, Rz. 7 zu § 91 StGB) nicht nur die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Z 2 VOG unerfüllt blieben, sondern auch der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Z 3 VOG verwirklicht wäre.
Da sich die belangte Behörde in offensichtlich unrichtiger Beurteilung der Rechtslage mit den genannten Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Z 2 VOG nicht auseinander gesetzt hat und ungeklärt ließ, ob der Beschwerdeführer, wie er behauptet, als "Unbeteiligter" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist (ob er also an der gegenständlichen Schlägerei tätlich teilgenommen hat oder ausschließlich als Opfer in Erscheinung trat; vgl. nochmals Jerabek, aaO), ist der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig. Fallbezogen wäre hinsichtlich des Tatbestandselementes "als Unbeteiligte" insbesondere zu klären gewesen, in welcher Form das von der belangten Behörde wiederholt angesprochene "aggressive Verhalten" des Beschwerdeführers in Erscheinung getreten ist (zumal dies im Übrigen auch für § 8 Abs. 1 Z 2 VOG von Bedeutung sein kann).
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Das Begehren auf Ersatz der Eingabegebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war abzuweisen, weil diese Gebühr gemäß § 48 Abs. 1 Z 1 VwGG nur zu ersetzen ist, wenn sie im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichten war, was gegenständlich zufolge § 11 Abs. 2 VOG nicht der Fall ist (siehe zur vergleichbaren Bestimmung des BBG das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. 2012/11/0088, mwN)
Wien, am 26. Februar 2015
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:2012110209.X00Im RIS seit
25.03.2015Zuletzt aktualisiert am
27.04.2015