TE Vfgh Beschluss 2015/2/19 E1259/2014

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Veröffentlicht am 19.02.2015
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags zur Erhebung einer Beschwerde mangels Mitteilung einer Adressänderung; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als aussichtslos

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit dem mit 28. Juli 2014 datierten und per Telefax am selben Tag eingebrachten Schriftsatz an die Landespolizeidirektion Kärnten begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten (im Folgenden: LVwG Kärnten) vom 23. April 2014. Mit demselben Antrag wird der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang gestellt. Dieser am 12. September 2014 zur Post gegebene Schriftsatz wurde dem Verfassungsgerichtshof durch das LVwG Kärnten am 16. September 2014 übermittelt. Das LVwG Kärnten legte das angefochtene Erkenntnis, den Bezug habenden Schriftverkehr sowie den Zustellnachweis – jeweils in Abschrift bzw. Kopie – bei.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt der Einschreiter im Wesentlichen aus, dass er "am 27.12.13 Berufung gegen das Straferkenntnis vom 26.09.13 (…) eingebracht" habe. Die Entscheidung über seine Berufung sei ihm aber "bis heute nicht zugestellt worden".

2. Aus dem vom LVwG Kärnten in Kopie vorgelegten Zustellnachweis ergibt sich, dass das Erkenntnis vom 23. April 2014 des LVwG Kärnten dem Antragsteller nach erfolglosem Zustellversuch an jene Adresse in der Steiermark, an der der Einschreiter bis 26. Juni 2014 seinen Hauptwohnsitz hatte, durch Hinterlegung am 28. April 2014 zugestellt worden ist.

3. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG in §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 Abs1 leg. cit. die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden. Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Dabei sind alle den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Umstände anzuführen und die Mittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzugeben. Zugleich mit dem Antrag ist §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

3.1. Ein Verfahrenshilfeantrag ist nicht im eigentlichen Sinne fristgebunden; lediglich seine Erfolgsaussichten hängen davon ab, dass er während der sechswöchigen Beschwerdefrist gestellt wird (VfGH 22.2.2010, B167/10). Soll mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber ein nicht fristgebundener Antrag nachgeholt werden, liegt keine Versäumung einer befristeten Prozesshandlung iSd §146 Abs1 ZPO vor (VfGH 29.6.2011, U1211/11). Der Antrag ist daher so zu deuten, dass damit die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt werden soll.

3.2. Sollte der Antragsteller durch sein Vorbringen dartun wollen, dass er von einer rechtswirksamen Zustellung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt hat, ist ihm jedenfalls entgegenzuhalten, dass das Unterlassen der Mitteilung seines Wohnsitzwechsels wie die Angabe einer unrichtigen Wohnadresse (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG §71 Rz 74) einen groben Sorgfaltsverstoß darstellt, der der Bewilligung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegensteht.

3.3. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor. Der – nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formalerfordernisse hin geprüfte – Antrag ist sohin gemäß §149 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren mit in nichtöffentlicher Sitzung gefasstem Beschluss abzuweisen.

4. Da die sechswöchige Beschwerdefrist des §82 Abs1 VfGG zum Zeitpunkt der Postaufgabe des vorliegenden Verfahrenshilfeantrages schon verstrichen war, aber nur ein innerhalb dieser Frist gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe deren Unterbrechung zu bewirken vermag (§464 Abs3 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG), erwiese sich eine künftige Beschwerde als verspätet.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG) mit in nichtöffentlicher Sitzung gefasstem Beschluss (§72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG) abzuweisen (vgl. zB VfSlg 14.582/1996; VfGH 17.3.1999, B311/99).

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Fristen, Beschwerdefrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2015:E1259.2014

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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