TE Vfgh Erkenntnis 2015/2/23 B247/2013

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Veröffentlicht am 23.02.2015
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
Nö ROG 1976 §19
Örtliches Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben vom 21.06.94
StGG Art5

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Umwidmung eines Grundstücks von Bauland – Wohngebiet in Grünland im Örtlichen Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben angesichts umfangreicher Grundlagenforschung und hinreichender Interessenabwägung

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.              Verwaltungsgeschehen und Vorverfahren

1.       Die beschwerdeführenden Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks Nr 1794/1, KG Eichgraben, in Niederösterreich.

2.       Das Grundstück war ursprünglich im vereinfachten Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Eichgraben vom 20. Juni 1972 als "Bauland - Wohngebiet – Aufschließungszone 21" gewidmet gewesen. Mit dem örtlichen Raumordnungsprogramm 1994 wurde das Grundstück in "Grünland - Landwirtschaft" umgewidmet. Ein Ansuchen der beschwerdeführenden Parteien vom 30. März 2011 auf Änderung der aktuellen Widmung "Grünland - Land- und Forstwirtschaft" auf "Bauland - Wohngebiet" beantwortete die Marktgemeinde Eichgraben – gestützt auf ein raumplanerisches Fachgutachten – abschlägig.

3.       Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 beantragten die nunmehrigen beschwerdeführenden Parteien, das Grundstück zum Bauplatz zu erklären. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Eichgraben wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass das Grundstück nicht die erforderliche Widmung "Bauland" aufweise. Der Gemeindevorstand gab einer Berufung gegen die Entscheidung nicht statt. Die Niederösterreichische Landesregierung bestätigte als Vorstellungsbehörde die Berufungsentscheidung.

4.       Gegen diesen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. Jänner 2013 richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der primär die Verletzung in Rechten wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen, des örtlichen Raumordnungsprogramms 1994 der Marktgemeinde Eichgraben und/oder des aktuellen Flächenwidmungsplans der Marktgemeinde Eichgraben, soweit in diesen die Grünlandwidmung für das Grundstück Nr 1794/1, KG Eichgraben, festgelegt wird, behauptet wird. Unter Verweis auf die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Bedenken wird auch die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums vorgebracht.

5.       Die NÖ Landesregierung legte als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor, sie nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die Marktgemeinde Eichgraben legte die bezughabenden Akten, insbesondere auch die Akten des Verordnungserlassungsverfahrens, vor und gab insofern eine Stellungnahme ab, als sie eine Sachverhaltsdarstellung zur Flächenwidmung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks übermittelte. Der Zweitbeschwerdeführer nahm in den Verordnungsakt Einsicht. In der Folge übermittelten die beschwerdeführenden Parteien eine (ergänzende) Replik.

II.              Rechtslage

1.              Als Rechtsgrundlage für die Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes 1994 für die Marktgemeinde Eichgraben ist das Niederösterreichische Raumordnungsgesetz 1976 (im Folgenden: NÖ ROG 1976) idF LGBl 8000-8 heranzuziehen. Dessen §19 lautete (auszugsweise):

"Grünland

    "§19. (1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen gehören zum Grünland.

    (2) Nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse sind für Flächen, die für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, für familieneigene Wohnbedürfnisse der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, für Grüngürtel, für Schutzhäuser, für im Grünland erhaltenswerte Bauten, für Materialgewinnungsstätten und dazugehörige Deponien, für Gärtnereien und Kleingärten, für Sportstätten, für Friedhöfe und Parkanlagen, für Campingplätze, für Müllablagerungsplätze und Lagerplätze aller Art bestimmt sind, die entsprechenden Grünlandnutzungsarten auszuweisen. Alle Flächen des Grünlandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, nicht familieneigenen Wohnbedürfnissen der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe dienen und nicht Ödland sind, müssen im Flächenwidmungsplan unter Angabe der besonderen Nutzung ausgewiesen werden.

    (3)-(5) [...]"

2.       Durch die am 1. November 1995 in Kraft getretene Novelle LGBl 8000-10 wurde im §19 Abs2 Z2 NÖ ROG 1976 näher ausgeführt, welche Funktion ein Grüngürtel erfüllen soll:

"Flächen zur Trennung von sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen (einschließlich immissionsabschirmender Maßnahmen) sowie Flächen mit ökologischer Bedeutung. Die Gemeinde hat die Funktion und erforderlichenfalls die Breite des Grüngürtels im Flächenwidmungsplan festzulegen."

3.       Durch die am 17. November 1999 in Kraft getretene Novelle LGBl 8000-13 wurde §19 Abs2 Z2 NÖ ROG 1976 wie folgt neu gefasst:

"2. Grüngürtel:

Flächen zur Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes und zur Trennung von sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen (einschließlich immissionsabschirmender Maßnahmen) sowie Flächen mit ökologischer Bedeutung. Die Gemeinde hat die Funktion und erforderlichenfalls die Breite des Grüngürtels im Flächenwidmungsplan festzulegen."

III.              Erwägungen

1.       Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.

2.       Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind – aus der Sicht des Beschwerdefalles – nicht entstanden:

2.1. Die beschwerdeführenden Parteien behaupten Mängel der Grundlagenforschung und der Interessenabwägung im Verordnungserlassungsverfahren.

2.1.1. Unter Verweis auf den ähnlich gelagerten Fall VfSlg 15.854/2000 (mit diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof die Flächenwidmung mehrerer Grundstücke, die ebenfalls durch das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben von "Bauland-Wohngebiet" in "Grünland" umgewidmet worden waren, aufgehoben) bringen die beschwerdeführenden Parteien vor, dass auch hinsichtlich ihres Grundstücks die Grundlagenforschung mangelhaft sei und dass der Gemeinderat bei der Auswahl der rückzuwidmenden Grundstücke keine hinreichende Interessenabwägung vorgenommen habe. Es seien keine planungstechnischen Grundlagen dokumentiert, welche die Marktgemeinde Eichgraben berechtigt hätten, in fachlich fundierter Weise, die Rückwidmung des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien vorzunehmen. Die Widmung werde mit der Schaffung einer "erhaltenswerten Freifläche" begründet. Es werde dabei aber vollkommen außer Acht gelassen, dass eine Rückwidmung der Nachbargrundstücke nicht erfolgt sei. Dass ausschließlich das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien den Zielen des Biosphärenparks Wienerwald und dem Landschaftsschutzgebiet Wienerwald dienen solle, sei nicht nachvollziehbar. Ein öffentliches Interesse sei nicht nachgewiesen worden, das Interesse der beschwerdeführenden Parteien am Erhalt der Baulandwidmung hätte in die Interessenabwägung miteinbezogen werden müssen. Außerdem widerspreche die Widmung den seitens der Marktgemeinde Eichgraben angegebenen "wesentlichen Planungsschwerpunkten", denen zu Folge die Funktion als Wohnstandort erhalten bleiben sollte und die Kosten für den Kanal- und Wasserleitungsbau über die Aufschließungbeiträge refundiert erhalten werden sollten.

2.1.2. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich Folgendes:

2.1.2.1. Die Marktgemeinde Eichgraben stellt das folgende allgemeine Ziel dem örtlichen Raumordnungsprogramm 1994 voran:

"Oberstes Ziel dieses Raumordnungsprogrammes ist die Erhaltung und Gestaltung des gesamten Gemeindegebietes als geeigneter Lebensraum für die ansässige Bevölkerung bei Erhaltung der Landschaft und ihres Erholungswertes, sowie die Sicherung der für die Landschaft wertvollen Flächen. Den Anforderungen des Landschaftsschutzgebietes 'Wienerwald' ist Rechnung zu tragen."

2.1.2.2. Vor Erlassung des Raumordnungsprogramms wurde eine umfangreiche Grundlagenforschung durchgeführt. Diese enthält neben der Darstellung der gesetzlichen Grundlagen, der naturräumlichen Gegebenheiten und des Kleinklimas, der Wirtschaft, des Verkehrs und der technischen Infrastruktur, der Grundbesitzverhältnisse und der Flächennutzung, der Zahlen der Bevölkerungsentwicklung, der Besiedlung und Bebauung insbesondere auch eine Dokumentation des Orts- und Landschaftsbildes. Ein Spezialplan "Bestand - Ortsbildprägende Grünelemente" weist "die wichtigen, beherrschenden Grünraumelemente, die ausschlaggebend für das Ortsbild sind und auch für die zukünftige Abgrenzung des Baulandes der Wienerwaldgemeinde Eichgraben von Bedeutung sind" aus. Die Dokumentation umfasst auch eine Ortsbildanalyse, in der mittels kommentierter (Panorama-)Fotos von 26 Standorten aus das Orts- und Landschaftsbild zum Zeitpunkt der Grundlagenforschung festgehalten ist.

Das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien ist als Teil eines ortsbildprägenden Grünelements ausgewiesen und auf einem Foto (Nr 3, Blickrichtung Norden) sowie einem Panoramafoto (Nr 21) abgebildet.

2.1.2.3. Die Erläuterungen zum örtlichen Raumordnungsprogramm 1994 enthalten neben den grundstücksspezifischen Erläuterungen insbesondere auch eine Bevölkerungsprognose und eine Flächenbilanz. Sie werden mit folgenden allgemeinen Bemerkungen eingeleitet:

"Das vereinfachte Raumordnungsprogramm der Marktgemeinde Eichgraben aus dem Jahr 1971 war für zirka 10.000 Einwohner ausgelegt. Auf diese zu erwartende Einwohnerzahl wurde sowohl das Kanal- und Wasserleitungsnetz, als auch die Bauland - Ausweisung ausgerichtet. Das derzeit gültige, vereinfachte Raumordnungsprogramm weist 365,26 ha Bauland (Bauland - Wohngebiet, Bauland - Wohngebiet - Aufschließungszone, Bauland - Kerngebiet) auf, wovon 91,39 ha Baulandreserveflächen sind.

Das Wachstum der Bevölkerung blieb weit unter den Erwartungen zurück und die Bautätigkeit hat in den letzten Jahren stark nachgelassen. Das Kanal- und Wasserleitungsnetz ist in vielen Teilen des Gemeindegebietes bereits realisiert worden.

Diese Ausgangssituation kann bei der Neuerstellung des örtlichen Raumordnungsprogrammes nicht unberücksichtigt bleiben.

Die wesentlichen Planungsschwerpunkte ergeben sich aus der Tatsache, daß die Gemeinde die Funktion als Wohnstandort erhalten will, die Kosten für Kanal- und Wasserleitungsbau über die Aufschließungsbeiträge refundiert haben möchte, der Umstand daß das Bevölkerungswachstum und die Bautätigkeit in keiner Relation zu der bestehenden Baulandreserve steht und daß das gesamte Gemeindegebiet im Landschaftsschutzgebiet 'Wienerwald' liegt, wodurch dem Orts- und Landschaftsbild, sowie dem Schutz der Natur eine gesteigerte Bedeutung zukommt.

Als wesentliche Ansatzpunkte zur Reduktion der Baulandreserven sind die Bauland - Aufschließungszonen, Waldflächen und geologisch bedenkliche Zonen, die in der Grundlagenforschung erläutert und dargestellt wurden, zu sehen."

2.1.2.4. Für die Umwidmung des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien findet sich auf Seite 29 der Erläuterungen folgende besondere Begründung:

"Grundstücksnummer:            1794/1

alte Widmung:                    Bauland - Wohngebiet – Aufschließungszone 21

neue Widmung:                    Grünland - Landwirtschaft

Begründung:                      Erhaltung eines zusammenhängenden Grünraumes in dem stark zersiedelten Ortsteil, siehe auch Ortsbildanalyse. Ein weiterer Bedarf ist auf Grund der abnehmenden Bautätigkeit und der Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahre nicht gegeben."

2.1.3. Die umfangreichen Materialien zum örtlichen Raumordnungsprogramm 1994 widerlegen folglich die Behauptung der beschwerdeführenden Parteien, dass der Umwidmung ihres Grundstücks keine dem Gesetz entsprechende Grundlagenforschung vorausgegangen sei.

2.1.4. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, dass keine hinreichende Interessenabwägung vorgenommen worden ist:

2.1.4.1. Schon mit LGBl 120/1955 war das gesamte Gemeindegebiet von Eichgraben zum Landschaftsschutzgebiet erklärt worden. In der Wienerwald - Deklaration 1987 war von den Landeshauptleuten von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland der politische Wille insbesondere auch zu Einschränkungen der Siedlungsentwicklung als Schutzmaßnahme für den Wienerwald manifestiert worden. Das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben trägt diesen Anforderungen Rechnung. Es werden diese im Rahmen des "obersten" Ziels (Pkt. III.2.1.2.1) postuliert, aber auch in den Erläuterungen durch die Formulierung, dass "dem Orts- und Landschaftsbild, sowie dem Schutz der Natur eine gesteigerte Bedeutung zukommt", klar zum Ausdruck gebracht.

Der Verordnungsgeber hat in Konsequenz dieser Zielsetzungen die – im Jahr 1971 auf Basis einer falschen Bevölkerungsprognose überdimensioniert festgelegte – Baulandreserve um 24,8 ha reduziert und das Grünland um 29,98 ha erweitert. Das öffentliche Interesse an dieser Maßnahme war schon zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung evident; es ist dieses auch heute noch gegeben (s. Pkt. I.2., aber auch die aktuell gültige Wienerwald - Deklaration 2002).

2.1.4.2. Das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien ist Teil eines zusammenhängenden Grünraumes und in der Bestandsaufnahme der "Ortsbildprägenden Grünelemente" ausgewiesen. Die Umwidmung des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien diente also nicht bloß der Verringerung des Baulandüberhangs, sondern sie diente auch der Umsetzung eines Raumplanungsprojekts zur Sicherung von für die Landschaft wertvollen Flächen. Die besondere Bedeutung des Grundstücks für das Orts- und Landschaftsbild wird insbesondere auch im Rahmen der Ortsbildanalyse (Foto Nr 3 und Panoramafoto Nr 21) dokumentiert. In diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von den Entscheidungen VfSlg 15.854/2000 – auf dieses Erkenntnis stützt sich die Beschwerde in erster Linie – und VfSlg 17.112/2004: Durch die Fotodokumentation wird die Wirkung des Grundstücks auf das Landschaftsbild nachvollziehbar dargestellt.

2.1.4.3. Der Verordnungsgeber hat, wie insbesondere auch aus den Erläuterungen hervorgeht, die allgemeine Abwägung getroffen, dass das öffentliche Interesse des Landschaftsschutzes grundsätzlich das private Interesse der einzelnen Grundeigentümer an der unbeschränkten Ausübung ihres Eigentumsrechts übertrifft, wobei er einschränkend als wesentlichen Ansatzpunkt für die Reduktion der Baulandreserven u.a. auch die Bauland-Aufschließungszonen genannt hat. Er hat im Rahmen des Verordnungserlassungsverfahrens eine spezielle Interessenabwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten der einzelnen Grundstückseigentümer dann vorgenommen, wenn von diesen "Anmerkungen" erhoben worden waren. Eine spezielle Abwägung mit den Interessen der beschwerdeführenden Parteien war nicht angezeigt, weil diese keine speziellen Interessen im Verordnungserlassungsverfahren vorgebracht hatten. Das private Interesse der beschwerdeführenden Parteien am bloßen Erhalt der bestehenden Baulandwidmung wurde aber – so wie in vielen anderen Fällen auch – in der allgemeinen Interessenabwägung berücksichtigt. Das öffentliche Interesse an der Umwidmung speziell des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien ist umfassend dokumentiert. Die Behauptung, dass keine hinreichende Interessenabwägung vorgenommen worden sei, trifft daher nicht zu.

2.1.5. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht den behaupteten Konflikt der Umwidmung des Grundstücks mit den "wesentlichen Planungsschwerpunkten" erkennen: Einerseits entspricht die Widmung insofern dem Ziel der Erhaltung der Funktion als Wohnstandort, als damit das Gemeindegebiet als "geeigneter Lebensraum für die ansässige Bevölkerung" (Pkt. III.2.1.2.1.) abgesichert wird. Andererseits bedeutet es auch keinen Widerspruch, wenn die Gemeinde diesem deklarierten obersten Ziel das Problem der Kostentragung für den Kanal- und Wasserleitungsbau unterordnet.

2.2. Die beschwerdeführenden Parteien behaupten weiters, dass die Grünlandwidmung ihres Grundstücks die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletze:

2.2.1. Die Rückwidmung des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien sei unsachlich und unverhältnismäßig: Das Grundstück liege mitten im verbauten Gebiet, es sei auf drei Seiten von Einfamilienhäusern umgeben, auf der vierten Seite liege die Blasiusstraße, in der die für die Versorgung erforderlichen Einrichtungen (zB Wasserleitung und Stromleitung) vorbereitet seien. Andererseits würde kein innerörtlicher bzw. zusammenhängender Grünraum vorliegen, der wesentlich zur Erhaltung des Kleinklimas beitragen könne. Es gebe auch keine nachvollziehbare Begründung, warum das Grundstück ortsbildprägend sein sollte und gerade hier eine erhaltenswerte Freifläche beibehalten werden solle. Es sei nicht zulässig, dass die abnehmende Bautätigkeit und die Bevölkerungsentwicklung dazu diene, das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien rückzuwidmen. Im Verordnungserlassungsverfahren seien nicht weniger als 45 Äußerungen betroffener Grundeigentümer abgegeben worden, welche sich allesamt gegen die geplanten Rückwidmungsbestrebungen ausgesprochen hätten.

Die Rückwidmung widerspreche auch deswegen dem Gleichheitsgrundsatz, weil sich das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien nicht von den Nachbargrundstücken unterscheide, bei denen keine Rückwidmung erfolgt sei. Es sei eine Rückwidmung mehrere Grundstücke in unmittelbarer Nachbarschaft vorgesehen gewesen (zB Blasiusstraße 12, 14, 16 und 18). Tatsächlich sei aber ausschließlich das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien rückgewidmet worden.

2.2.2. Der von den beschwerdeführenden Parteien dargestellte Sachverhalt ist insofern zu ergänzen, als an der südlichen Seite des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien – jenseits der Blasiusstraße – eine mehr als 1 ha große, ebenfalls als Grünland gewidmete Fläche anschließt (Nr 1794/1 und ehem. Nr 1790 tlw.), die über die Grundstücke Nr 1845/9 und Nr 1845/10 und daran anschließende ebenfalls als Grünland gewidmete Grundstücke mit den bewaldeten Flächen des Wienerwalds verbunden ist. Es ist nicht richtig, dass ausschließlich das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien im Jahr 1994 umgewidmet wurde. Durch das Raumordnungsprogramms 1994 wurden auch die oben genannten Grundstücke (Nr 1794/1, ehem. Nr 1790 tlw., Nr 1845/9 und Nr 1845/10) umgewidmet. Deren Eigentümer hatten Einwendungen im Verordnungserlassungsverfahren – erfolglos – vorgebracht. Für die von den beschwerdeführenden Parteien genannten Parzellen in der Blasiusstraße war zunächst jeweils eine teilweise Umwidmung des südlichen Bereichs vorgesehen. In der Sitzung des Raumordnungsausschusses vom 24. Juni 1992 wurde im Zuge der Behandlung der "eingelangten Anmerkungen" in diesen Fällen die Widmungsgrenze mit der Parzellengrenze aber zur Deckung gebracht. Laut – protokollierter – Erinnerung eines Mitglieds des Raumordnungsausschusses sei diese Differenz "ohnehin nur ein Mißverständnis" gewesen.

Auf Grundlage dieses Sachverhalts, der auch im Verordnungsakt dokumentiert ist, sowie der in diesem dargelegten Motive und Erläuterungen des Verordnungsgebers kann nicht festgestellt werden, dass die Umwidmung des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien (Nr 1794/2) durch das Raumordnungsprogramms 1994 unsachlich gewesen wäre. Es war insbesondere auch nicht unsachlich, dass bei anderen Grundstücken auf eine schon bestehende Verbauung Rücksicht genommen wurde. Die angefochtene Widmungsänderung lag im öffentlichen Interesse und war auch nicht unverhältnismäßig. Eine Verletzung der genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte durch diese hat nicht stattgefunden.

2.3. Die beschwerdeführenden Parteien behaupten auch die Gesetzwidrigkeit der "Flächenwidmungsplanänderung aus dem Jahr 2011" mit folgender Begründung:

"Seit 17. September 1999 muss gemäß §13 Abs2 NÖ ROG 1976 idF LGBl 8000-13 ein örtliches Raumordnungsprogramm neben dem Flächenwidmungsplan jedenfalls auch ein Entwicklungskonzept enthalten. Vor diesem Hintergrund wird zunächst vorgebracht, dass es sich bei dem im Jahr 2011 geänderten Flächenwidmungsplan noch um einen vereinfachten Flächenwidmungsplan gehandelt hat, der gemäß §30 Abs6 NÖ ROG idF LGBl 8000-10 bis zum 1. Jänner 2001 durch ein örtliches Raumordnungsprogramm ersetzt hätte werden müssen und dessen Änderung seit 1. Jänner 2001 gemäß §30 Abs6 NÖ ROG idF LGBl 8000-10 bzw. §30 Abs7 NÖ ROG idgF nicht mehr zulässig gewesen wäre, sodass er schon aus diesem Grund gesetzwidrig ist."

Die beschwerdeführenden Parteien übersehen dabei, dass die Flächenwidmungsplanänderung aus dem Jahr 2011 ihr Grundstück gar nicht betroffen hat und dass durch §3 der Verordnung des Gemeinderates, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 erlassen wurde, der Flächenwidmungsplan für Eichgraben neu erlassen wurde und mit §6 der Verordnung der (alte) vereinfachte Flächenwidmungsplan außer Kraft gesetzt wurde.

2.4. Die beschwerdeführenden Parteien bringen letztlich vor, dass aufgrund der örtlichen Verhältnisse die vorgesehene Widmungsart "Land- und Forstwirtschaft" fachlich nicht begründbar sei und führen dazu aus :

"Einerseits war das Grundstück der Beschwerdeführer nie bewaldet und ist auch aufgrund seiner Konfiguration für eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht geeignet. Die Beschwerdeführer gehen daher davon aus, dass es der Marktgemeinde Eichgraben bei dieser Nutzungsänderung lediglich darum gegangen ist, die 'Unbebaubarkeit' des Grundstücks Nr 1794/1 damit sicher zu stellen, zumal Umwidmungen von Flächen, die dem Forstgesetz unterliegen, auf Bauland-Wohngebiet schlechthin unmöglich sind."

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbilds ein wesentliches Motiv für die Umwidmung des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien durch das Raumordnungsprogramm 1994 war. Das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien bildet aber zusammen mit den der Blasiusstraße gegenüberliegenden Gründstücken (s. Pkt. III.2.2.2.) eine ca. 1,5 ha große Grünfläche. Es war nicht unsachlich, für einen Grünlandbereich dieser Größenordnung, wenn schon eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht möglich ist, eine landwirtschaftliche Nutzung durch die gewählte Widmung zu ermöglichen und damit gleichzeitig auch dem Ziel des Landschaftsschutzes Rechnung zu tragen, zumal erst durch die (spätere) 8. Novelle des NÖ ROG 1976, LGBl 8000-13, welche am 17. November 1999 in Kraft trat, die Funktion von Grüngürteln als Mittel zur Orts- und Landschaftsgestaltung eine ausdrückliche gesetzliche Deckung fand (vgl. VfSlg 15.854/2000).

3. Auf das weitere Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien der (unmittelbaren) Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums kann nicht eingegangen werden, weil diese Behauptung in der Beschwerde nicht weiter ausgeführt ist.

IV.              Ergebnis

1. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es ausgeschlossen, dass die beschwerdeführenden Parteien in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden. Auch die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführenden Parteien in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

1.       Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2015:B247.2013

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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