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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art137 / sonstige KlagenLeitsatz
Zurückweisung einer Staatshaftungsklage einer Steuerberatungsgesellschaft wegen mangelhafter Umsetzung von Unionsrecht hins des Gläubigerschutzes mangels Verankerung eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr als ordre public-widrig; Fehlen eines substantiierten VorbringensSpruch
Die Klage wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Klage und Vorverfahren
1. Mit ihrer am 15. September 2014 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten, auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt die klagende Partei, den Bund schuldig zu erkennen, den Betrag von € 1.094.826,73 zuzüglich Zinsen in Höhe des jeweils am Monatsersten gültigen Drei-Monats-EURIBOR plus 1 % seit 31. Dezember 2008 sowie den Ersatz der Prozesskosten zuhanden ihres Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
2. Zum Sachverhalt bringt die klagende Partei Folgendes vor:
Die klagende Partei sei eine Steuerberatungsgesellschaft, die Kommanditistin einer Steuerberatungs-GmbH & Co KG gewesen sei. Auf Grund der vom Alleingesellschafter der klagenden Partei als Geschäftsführer für die Steuerberatungs-GmbH & Co KG getätigter, verlustverursachender Devisenoptionsgeschäfte sei die klagende Partei mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Dezember 2008 aus der Steuerberatungs-GmbH & Co KG ausgeschlossen worden. Auf Grund dieses Ausschlusses sei der klagenden Partei auf Grundlage des Gesellschaftsvertrages ein "Auseinandersetzungsguthaben" iHv € 1.094.826,73 s.A. zugestanden. Weiters sei eine Verlustzuweisung des durch die Devisenoptionsgeschäfte entstandenen Drohverlustes allein zur klagenden Partei erfolgt. Auf Grund dessen sei es zur Einleitung eines Schiedsverfahrens durch die *** **** AG als besicherte Zessionarin gekommen. Nach Berechnung des in diesem Streitfall angerufenen Schiedsgerichts (Schiedsspruch vom 12. Jänner 2011), sei ein negativer Abtretungspreis iHv € -246.794,22 entstanden. Der Anspruch der klagenden Partei auf Zahlung des "(richtigerweise)" positiven Auseinandersetzungsguthabens sei vom Schiedsgericht abgewiesen worden.
Mit der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30. Dezember 2008 verursachten Vorgehensweise, mit der ein allfälliger Anspruch der KG wegen des Drohverlusts unzulässigerweise gegen den Auseinandersetzungsanspruch der klagenden Partei aufgerechnet worden sei, wäre gegen das im österreichischen Recht statuierte Verbot der Einlagenrückgewähr und gegen das Trennungsprinzip verstoßen worden. Der tatsächliche Anspruch der klagenden Partei bei richtiger rechtlicher Beurteilung, die auch im Einklang mit den tragenden Prinzipien der österreichischen Rechtsordnung zu stehen habe, betrage € 1.094.826,73 zuzüglich der gesetzlichen Zinsen seitdem auf den Tag des Ausschlusses folgenden Tag, somit seit 31. Dezember 2008.
Mittels Aufhebungsklage vom 13. April 2011 habe die *** **** AG die Aufhebung des Schiedsspruches beantragt. Einer der geltend gemachten Aufhebungsgründe sei §611 Abs2 Z8 ZPO (ordre public-Widrigkeit) gewesen. Begründend habe die *** **** AG ausgeführt, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr und hiermit zusammenhängend das Trennungsprinzip wesentliche Grundsätze des österreichischen Gesellschaftsrechts und tragende Regelungen des Kapitalerhalts darstellten. Daher müssten Gesellschafterbeschlüsse, die dieser Schutzvorschrift entgegenstehen, nichtig sein. In weiterer Folge verstoße daher der Schiedsspruch, welcher den Gesellschafterbeschluss für rechtmäßig qualifiziert habe, jedenfalls gegen Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung.
Nach Ausschöpfung des Instanzenzuges habe der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 24. Jänner 2013, 2 Ob 206/12a, ausgesprochen, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr eine Grundsäule des österreichischen Gesellschaftsrechts darstelle, aber die Beurteilung, dass die Verlustzuweisung auf Grund eines Schadens, den der Alleingesellschafter einer Kommandit-GmbH im Rahmen der von der GmbH der KG geschuldeten Tätigkeit zufügt, gegen diese GmbH geltend gemacht und nicht nur ein Schadenersatzanspruch gegen den Alleingesellschafter gerichtet werden könne, – unabhängig davon, ob sie rechtlich richtig oder falsch sei – keinesfalls "unerträglich" ordre public-widrig sei.
3. Zur Zulässigkeit der Klage wird ausgeführt, der geltend gemachte Staatshaftungsanspruch gründe sich auf die mangelhafte Umsetzung von Unionsrecht durch den österreichischen Gesetzgeber. Dieser habe es verabsäumt, dem Unionsrecht immanente Grundprinzipien der Kapitalerhaltung als ordre public-Bestimmungen vorzusehen. Es liege somit ein Fall des legislativen Unrechts vor, wobei der Akt, der die unionsrechtliche Staatshaftung auslöse, unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen sei. Wörtlich wird weiter Folgendes ausgeführt (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):
"[…] Das anhand der obigen unionsrechtlichen Vorgaben ableitbare Verbot der Einlagenrückgewähr sowie das damit verbundene Trennungsprinzip, bezwecken es, den Gläubigern zu gewährleisten, dass diesen nicht auf unzulässiger Weise der Haftungsfonds der Gesellschaft entzogen wird (beispielsweise durch eine versteckte Einlagenrückgewähr). ln einem solchen Fall stünden den Gläubigern Ansprüche gegen die Gesellschafter zu. Diese Bestimmungen dienen daher dazu, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Sie dienen weiters dem Schutz öffentlicher Interessen. Zudem zielen diese Grundprinzipien auch auf den Schutz der Gesellschafter ab. Denn so sollen diese nicht (außer in Ausnahmefällen) Ansprüchen von Gläubigern der Gesellschaft ausgesetzt sein.
Unmittelbarer Kausalzusammenhang:
[…] Der von der Judikatur geforderte unmittelbare Kausalzusammenhang ist anhand des oben geschilderten Sachverhaltes ersichtlich. So hat der Oberste Gerichtshof in der Missachtung des Verbotes der Einlagenrückgewähr keine ordre public-Widrigkeit erblickt und lässt keine Anwendung des §611 Abs2 Z8 ZPO auf diese Grundprinzipien zu. Dies ist der mangelhaften Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben zum absolut wirkenden Ausschüttungsverbot zuzuschreiben. Richtigerweise hätte der Gesetzgeber das Ausschüttungsverbot so umsetzen müssen, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr und somit auch das Trennungsprinzip zu den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung zählen. Es ist somit erst durch die mangelhafte Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben durch den nationalen Gesetzgeber zu dem gegenständlichen, die Staatshaftungsklage auslösenden Anspruch gekommen.
Verstoß 'hinreichend qualifiziert':
[…] Gemäß Judikatur des Verfassungsgerichtshofs gelten Unionsrechtsverstöße als hinreichend qualifiziert, sofern das betroffene Organ die ihm gesetzten Grenzen offenkundig und erheblich überschritten hat (VfGH v. 11.20.2012, A28/10).
[…] Im gegenständlichen Fall hat der österreichische Gesetzgeber es verabsäumt, das Verbot der Einlagenrückgewähr und somit das Trennungsprinzip dermaßen zu verankern, dass ein Verstoß dagegen als ordre public-widrig und somit in jedem Fall, auch in Fällen der Schiedsgerichtsbarkeit, im Wege eines Aufhebungsverfahrens zu beachten sind.
[…] Anhand der oben beschriebenen unionsrechtlichen Vorgaben ist klar ersichtlich, dass die Einhaltung der hier beschriebenen Prinzipien nicht davon abhängen kann, ob die Parteien ihre Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten oder vor Schiedsgerichten austragen.
[…] Das Verbot der Einlagenrückgewähr sowie das Trennungsprinzip von Gesellschaft und Gesellschafter sind dem Gemeinschaftsrecht derart immanente Prinzipien, dass diese jedenfalls als Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung zu beachten sind.
[…] Dies musste auch dem österreichischen Gesetzgeber klar sein, zumal die für den Gläubigerschutz wesentlichen Richtlinien bereits Jahrzehnte vor dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union erlassen wurden. "
4. Zur Begründung der Klage wird ausgeführt, die "vorliegende österreichische Rechtslage" verstoße "gegen das im österreichischen Recht statuierte Verbot der Einlagenrückgewähr und somit auch gegen das Trennungsprinzip und verletzt daher den Gläubigerschutz." Die Verletzung liege in einer unzureichenden Umsetzung von unionsrechtlichen Richtlinien für den Gläubigerschutz in das nationale Recht. Wörtlich heißt es wie folgt:
"Bereits im Jahr 1976 wurden mit der Richtlinie 77/91/EWG (Diese RL wurde aufgehoben durch RL 2012/30/EU, welche das Ausschüttungsverbot in Art17 wortident zum Text der RL 77/91/EWG wiedergibt.) unionsrechtliche Vorgaben hinsichtlich des Gläubigerschutzes erlassen. […]
[…] Bereits mit dieser Richtlinie wurde der Wille des europäischen Gesetzgebers klar zum Ausdruck gebracht, den Gläubigerschutz zu stärken. Wesentlicher Eckpfeiler dieser Richtlinie stellt die Ausschüttungssperre in Art15 dar, welche den Rückfluss des gezeichneten Kapitals an die Gesellschafter absolut verbietet. Zweck der Ausschüttungssperre ist primär die Erhaltung des eingeb[r]achten Kapitals als Haftungsfond zugunsten der Gläubiger. Das Ausschüttungsverbot ist daher wesentlich für den Gläubigerschutz und somit zum Schutz der öffentlichen Interessen. Dieses Grundprinzip besteht noch immer unverändert. […]
[…] Wenn der Oberste Gerichtshof in der gegenständlichen Entscheidung nun erkennt, dass diese Richtlinie nur auf Aktiengesellschaften anwendbar sei, vermag dies einerseits nicht den Einwand der klagenden Partei zu entkräften. Andererseits stellt diese Einschränkung eine durch nichts gerechtfertigte Ungleichbehandlung der GmbH von der AG dar, die beide als Kapitalgesellschaften demselben Kapitalerhaltungsregime unterliegen müssen.
[…] Ausgehend von dieser Richtlinie wurden im Unionsrecht stets neue Richtlinien erlassen, die zur Stärkung des Gläubigerschutzes sowie der Rechte Dritter beigetragen haben. So seien etwa die Richtlinien 92/101/EWG, 2006/68/EG sowie 2009/101/EG und 2012/30/EU beispielhaft erwähnt. Aus der Zusammenschau all dieser rechtlichen Bestimmungen geht hervor, dass der Gläubigerschutz sowie der Schutz Dritter ein dem Unionsrecht immanentes Grundprinzip darstellt, das nicht auf eine bestimmte Gesellschaftsrechtsform beschränkt ist. Dies lässt sich beispielsweise anhand der Richtlinie 2009/101/EG zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, erkennen. Diese Richtlinie bezieht explizit auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein und zeigt somit zweifelsfrei, dass Grundsätze des Gläubigerschutzes auch auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzuwenden sind.
[…] Aber auch im nationalen Recht finden sich Hinweise, dass das absolut wirkende unionsrechtliche Ausschüttungsverbot umfassend auch für Gesellschaften mit beschränkter Haftung in das nationale Recht umgesetzt hätte werden sollen. So wird beispielsweise in den parlamentarischen Erläuterungen zum Rechnungslegungsgesetz (BGBI Nr 10/1991) ausgeführt, dass die durch das Rechnungslegungsgesetz verbundenen Änderungen von bestehenden Bestimmungen (auch) im GmbHG der 'EG-Angleichung' dienen sollen. Konkret wird sodann auf die unionsrechtlichen Richtlinien zum Gläubigerschutz verwiesen (23 d.Bl XVIII. GP). Im Rahmen des Rechnungslegungsgesetzes wurde auch das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß §82 GmbHG geändert um dem unionsrechtlichen Standard zu genügen. Als weiterer Hinweis, dass Art15 der RL 77/91/EWG sich in Österreich auch auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung beziehen soll, ist der Wortlaut von §82 GmbH Gesetz zu werten. §82 GmbH ist im Wortlaut fast ident mit §52 AktG, der Art15 der RL 77/19/EWG umgesetzt hat. Wegen der im Grunde gleichen Regelungen im AktG und im GmbHG wird der Inhalt der Kapitalerhaltungsvorschriften – somit auch des Verbotes der Einlagenrückgewähr – als im Wesentlichen identisch angesehen. […] Somit kann davon ausgegangen werden, dass die unionsrechtliche Richtlinie 77/91/EWG zum Schutz von Gläubigerschutzvorschriften nicht nur auf Aktiengesellschaften, sondern auch auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung anwendbar sind.
[…] Das unionsrechtliche Grundprinzip des Ausschüttungsverbotes wurde vom österreichischen Gesetzgeber nur mangelhaft umgesetzt. Der Gesetzgeber hat es verabsäumt, dieses für den Gläubigerschutz wesentliche Prinzip derart auszubilden und vorzusehen, dass ein Schiedsspruch aufgrund eines Verstoßes gegen dieses Grundprinzip wegen einer ordre public-Widrigkeit iSd §611 Abs2 Z8 ZPO (materiellrechtliche ordre public-Klausel) aufzuheben ist. Die Umsetzung erfolgte also insofern mangelhaft, als dass das Verbot der Einlagenrückgewähr nach §82 GmbHG nicht zu den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung zählen soll. Damit hat der österreichische Gesetzgeber aber legislatives Unrecht erzeugt. Zweifelsfrei dient der als wesentlicher Bestandteil der Unionsrechtsordnung zu qualifizierende Gläubigerschutz durch das Verbot von Einlagenrückgewähr nicht nur dem Schutz von Einzelnen, sondern insbesondere auch dem Schutz öffentlicher Interessen. Die entsprechende Norm wäre daher jedenfalls so umzusetzen gewesen, dass bei einem Verstoß gegen diese Bestimmung im Schiedsverfahren bzw in einem Schiedsspruch §611 Abs2 ZPO berücksichtigt hätte werden müssen und der Schiedsspruch gemäß §611 Abs2 Z8 jedenfalls aufzuheben gewesen wäre. Durch diese mangelhafte Umsetzung werden Verstöße gegen dieses Gläubigerschutzprinzip einer Anwendbarkeit in der Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne einer angemessenen Prüfung unter dem Aspekt der ordre public-Widrigkeit entzogen."
5. Die beklagte Partei, der Bund, erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Klage wegen Unschlüssigkeit der Klage, mangelnden Nachweises eines Schadens und Verstoßes gegen das Unionsrecht beantragt wird, ohne jedoch die Kosten ziffernmäßig zu verzeichnen.
II. Rechtslage
§611 ZPO lautet:
"Rechtsbehelf gegen den Schiedsspruch
Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs
§611. (1) Gegen einen Schiedsspruch kann nur eine Klage auf gerichtliche Aufhebung gestellt werden. Dies gilt auch für Schiedssprüche, mit welchen das Schiedsgericht über seine Zuständigkeit abgesprochen hat.
(2) Ein Schiedsspruch ist aufzuheben, wenn
1. eine gültige Schiedsvereinbarung nicht vorhanden ist, oder wenn das Schiedsgericht seine Zuständigkeit verneint hat, eine gültige Schiedsvereinbarung aber doch vorhanden ist, oder wenn eine Partei nach dem Recht, das für sie persönlich maßgebend ist, zum Abschluss einer gültigen Schiedsvereinbarung nicht fähig war;
2. eine Partei von der Bestellung eines Schiedsrichters oder vom Schiedsverfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt wurde oder sie aus einem anderen Grund ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnte;
3. der Schiedsspruch eine Streitigkeit betrifft, für welche die Schiedsvereinbarung nicht gilt, oder er Entscheidungen enthält, welche die Grenzen der Schiedsvereinbarung oder das Rechtsschutzbegehren der Parteien überschreiten; betrifft der Mangel nur einen trennbaren Teil des Schiedsspruchs, so ist dieser Teil aufzuheben;
4. die Bildung oder Zusammensetzung des Schiedsgerichts einer Bestimmung dieses Abschnitts oder einer zulässigen Vereinbarung der Parteien widerspricht;
5. das Schiedsverfahren in einer Weise durchgeführt wurde, die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht;
6. die Voraussetzungen vorhanden sind, unter denen nach §530 Abs1 Z1 bis 5 ein gerichtliches Urteil mittels Wiederaufnahmsklage angefochten werden kann;
7. der Gegenstand des Streits nach inländischem Recht nicht schiedsfähig ist; 8. der Schiedsspruch Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht.
(3) Die Aufhebungsgründe des Abs2 Z7 und 8 sind auch von Amts wegen wahrzunehmen.
(4) Die Klage auf Aufhebung ist innerhalb von drei Monaten zu erheben. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der Kläger den Schiedsspruch oder den ergänzenden Schiedsspruch empfangen hat. Ein Antrag nach §610 Abs1 Z1 oder 2 verlängert diese Frist nicht. Im Fall des Abs2 Z6 ist die Frist für die Aufhebungsklage nach den Bestimmungen über die Wiederaufnahmsklage zu beurteilen.
(5) Die Aufhebung eines Schiedsspruchs berührt nicht die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Schiedsvereinbarung. Wurde bereits zweimal ein Schiedsspruch über den selben Gegenstand rechtskräftig aufgehoben und ist ein weiterer hierüber ergehender Schiedspruch aufzuheben, so hat das Gericht auf Antrag einer der Parteien gleichzeitig die Schiedsvereinbarung hinsichtlich dieses Gegenstandes für unwirksam zu erklären.
Art17 der Richtlinie 2012/30/EU lautet auszugsweise:
"(1) Ausgenommen in den Fällen einer Kapitalherabsetzung darf keine Ausschüttung an die Aktionäre erfolgen, wenn bei Abschluss des letzten Geschäftsjahres das Nettoaktivvermögen, wie es der Jahresabschluss ausweist, den Betrag des gezeichneten Kapitals zuzüglich der Rücklagen, deren Ausschüttung das Gesetz oder die Satzung nicht gestattet, durch eine solche Ausschüttung unterschreitet oder unterschreiten würde.
(2) Der Betrag des in Absatz 1 genannten gezeichneten Kapitals wird um den Betrag des gezeichneten Kapitals, der noch nicht eingefordert ist, vermindert, sofern der letztere nicht auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen wird.
(3) Der Betrag einer Ausschüttung an die Aktionäre darf den Betrag des Ergebnisses des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres, zuzüglich des Gewinnvortrags und der Entnahmen aus hierfür verfügbaren Rücklagen, jedoch vermindert um die Verluste aus früheren Geschäftsjahren sowie um die Beträge, die nach Gesetz oder Satzung in Rücklagen eingestellt worden sind, nicht überschreiten.
(4) Der Begriff 'Ausschüttung' unter den Absätzen 1 und 3 umfasst insbesondere die Zahlung von Dividenden und von Zinsen für Aktien.
[...]"
III. Erwägungen
1. Die klagende Partei behauptet zum einen, dass sie einen Schaden dadurch erlitten habe, dass der österreichische Gesetzgeber unionsrechtliche Richtlinien für den Gläubigerschutz unzureichend umgesetzt habe. Zum anderen sieht sie ihren Anspruch in dem die *** **** AG als Zedentin betreffenden Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 24. Jänner 2013, 2 Ob 206/12a, begründet, mit welchem die außerordentliche Revision gegen ein Urteil wegen der Aufhebung eines Schiedsspruchs mit der Begründung für unzulässig erklärt wurde, dass der Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr keinesfalls "unerträglich" ordre public-widrig sei.
2. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Die Klägerin macht einen gegen den Bund gerichteten vermögensrechtlichen Anspruch geltend.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche nicht bereits dann zuständig, wenn der Gesetzgeber gegen Unionsrecht verstoßen hat. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der Akt, der die unionsrechtliche Staatshaftung auslöst, unmittelbar dem Gesetzeber zuzurechnen ist (VfSlg 16.107/2001, 17.002/2003 ua.).
2.2. Voraussetzung einer Staatshaftung ist es, dass es durch das Verhalten von Organen eines Mitgliedstaats zur Verletzung einer unionsrechtlichen Norm gekommen ist, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, und dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen diesem Verstoß und dem Schaden besteht, der dem Einzelnen entstanden ist (vgl. EuGH 5.3.1996, Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pêcheur, Slg. 1996, I-1029, Rz 51; 23.5.1996, Rs. C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Rz 32; 30.9.2003, Rs. C-224/01, Köbler, Rz 51). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union besteht dabei aber keine reine Unrechtshaftung; vielmehr ist ein Verstoß gegen Unionsrecht nur dann haftungsbegründend, wenn er "hinreichend qualifiziert" ist (EuGH 5.3.1996, Brasserie du Pêcheur, Slg. 1996, I-1029, Rz 55; 8.10.1996, Rs. C-178/94 ua., Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845, Rz 21 ff; 17.10.1996, Rs. C-283/94 ua., Denkavit, Slg. 1996, I-5063, Rz 48, 50 ff; uva.).
3. Es zeigt sich also, dass schon die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Behandlung einer Staatshaftungsklage von einer ganzen Reihe von Umständen abhängt. Gleiches gilt auch für jene Voraussetzungen, die die Haftung des Bundes begründen könnten. Die Klage erstattet zu den Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes sowie für die Stattgebung einer Staatshaftungsklage kein substantiiertes Vorbringen:
3.1. Die Klage führt zwar neben der beispielhaften Aufzählung der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften "zur Stärkung des Gläubigerschutzes sowie der Rechte Dritter" wie der Richtlinien 92/101/EWG, 2006/68/EG sowie 2009/101/EG auch Art17 der Richtlinie 2012/30/EU (vormals Art15 der Richtlinie 77/91/EWG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, an und behauptet, dass der österreichische Gesetzgeber diese Vorschriften nicht derart umgesetzt habe, dass der Verstoß gegen das Verbot auf Einlagenrückgewähr als ordre public-widrig zu betrachten sei. Der Klage ist jedoch nicht schlüssig zu entnehmen, welche konkreten Richtlinienbestimmungen Rechte von Einzelpersonen vorsehen sollen, deren Inhalte aus den Richtlinien ableitbar sind. Vielmehr behauptet die Klage lediglich, die Einordnung des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr als ordre public-widrig sei "anhand der obigen unionsrechtlichen Vorgaben" aus dem "unionsrechtliche[n] Grundprinzip des Ausschüttungsverbotes" ableitbar.
3.2. Die Klage befasst sich auch nicht mit der Frage der Qualifizierung des behaupteten Verstoßes, sondern behauptet diesen in pauschaler Weise. Der geforderte Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem Schaden kann aus den Klagsausführungen, die vermeinen, die mangelhafte Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben zum absolut wirkenden Ausschüttungsverbot habe zum oben zitierten Beschluss des Obersten Gerichtshofes geführt, nicht erkannt werden. Vielmehr hätte die klagende Partei im Einzelnen darzulegen gehabt, aus welchen Gründen eine – behaupteterweise unionsrechtlich gebotene – Verankerung des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr als ordre public-widrig den Schaden dem Grunde und der Höhe nach nicht hätte entstehen lassen.
3.3. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, jene Kriterien, zu denen ein substantiiertes Vorbringen fehlt, durch eigene Vermutungen und Spekulationen darüber, was der Kläger gemeint haben könnte, zu ersetzen.
IV. Ergebnis
1. Die Klage ist daher zurückzuweisen.
2. Kosten werden nicht zugesprochen, da die beklagte Partei den Zuspruch von Kosten zwar begehrt, aber nicht ziffernmäßig verzeichnet hat (vgl. VfSlg 10.161/1984).
3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Staatshaftung, EU-Recht, Zivilrecht, Zivilprozess, Gesellschaftsrecht, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2015:A7.2014Zuletzt aktualisiert am
24.03.2015