TE Vfgh Erkenntnis 2015/2/23 E155/2014

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Veröffentlicht am 23.02.2015
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
AsylG 2005 §3

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Abweisung des Asylantrags mangels eigenständiger Ermittlungen hinsichtlich der Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der afghanischen Frauen

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art47 Abs2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.              Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.              Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Sie reiste am 25. Jänner 2012 illegal nach Österreich ein und stellte am 27. Jänner 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei ihrer Einvernahme durch das Bundesasylamt am 9. Februar 2012 gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Vater wegen eines schädigenden Geschäftes mit seinem Geschäftspartner in einen Streit geraten und es deshalb zu einer Versammlung der Ältesten gekommen sei. Der Geschäftspartner ihres Vaters habe entweder Kapital oder die Verheiratung mit der Beschwerdeführerin gewollt. Ihr Vater habe sich für die Verheiratung entschieden. Da sie das nicht gewollt habe, sei sie von ihrem Vater geschlagen worden. Sie sei aus Afghanistan geflohen, weil sie zwangsverheiratet hätte werden sollen und sie etwas lernen habe wollen, aber ihr Vater habe sie nicht "rausgelassen". Die Beschwerdeführerin habe nur in Begleitung eines Elternteils "raus" gedurft und sie habe eine Burka tragen müssen.

In einer ergänzenden Stellungnahme am 10. Oktober 2012 führte die Beschwerdeführerin noch aus, dass sie eine stark ausgeprägte westliche Orientierung aufweise, lediglich ein loses Kopftuch trage und eine höherbildende Ausbildung anstrebe. Außerdem habe sie sich ihrem Vater widersetzt, indem sie seine Entscheidung, ihren freien Willen zu beschränken, nicht akzeptiert habe. Alleinstehende Frauen in ihrem Herkunftsstaat seien auf Grund des fortbestehenden Klischees und der herrschenden, sie marginalisierenden Praktiken nach wie vor weit verbreiteter sozialer, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Diese Diskriminierungen seien in ländlichen Gebieten besonders ausgeprägt.

Am 6. Juni 2013 erfolgte eine ergänzende Einvernahme des Bundesasylamtes zum Ergebnis der personenbezogenen Recherche im Herkunftsland. Der Beschwerdeführerin wurde in dieser Einvernahme vorgehalten, die personenbezogene Recherche der Staatendokumentation habe ergeben, dass die Angaben hinsichtlich ihrer Probleme in Afghanistan nicht wahr seien: Weder ihre Familie, noch der angebliche Geschäftspartner hätten festgestellt werden können. Weder ihr Vater, noch sein angeblicher Geschäftspartner seien in "Mazar e Sarif" am "Medicine Market" als Händler registriert, obwohl dort alle Händler registriert seien. Es habe keiner über die Versammlung der Ältesten in ihrem Bezirk Bescheid gewusst. Die Beschwerdeführerin gab an, dass sie die Wahrheit gesagt habe und nicht alle über die Versammlung der Ältesten informiert worden seien.

2.              Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. August 2013 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005) abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes wurde mit Schriftsatz vom 21. August 2013 fristgerecht Beschwerde an den seinerzeitigen Asylgerichtshof erhoben und Spruchpunkt I. des Bescheides angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine unbegleitete Minderjährige handle und die belangte Behörde daher bei der Entscheidungsfindung die Minderjährigkeit der Beschwerdeführerin berücksichtigen müsse.

In einem ergänzenden Schriftsatz vom 23. September 2013 wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die asylrelevante Verfolgungsgefahr infolge der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen im Zusammenhang mit der westlichen Orientierung als politische Gesinnung im weiteren Sinne gemäß Art1 Abschnitt A Z2 GFK geprüft hätte werden müssen – insbesondere im Hinblick auf die drohende Zwangsverheiratung.

3.              Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 19. Februar 2014 gemäß §3 Abs1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt A) und erklärte die Revision gemäß Art133 Abs4 B-VG für nicht zulässig (Spruchunkt B).

3.1.              Zur Person der Beschwerdeführerin stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass diese eine afghanische Staatsangehörige sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre.

3.2.              Zu den Fluchtgründen habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass ihr Vater sie mit einem Geschäftspartner zwangsverheiraten habe wollen. Sie befürchte bei einer Rückkehr gezwungen zu werden, in diese Ehe einzuwilligen, obwohl sie das nicht wolle. Außerdem habe sie etwas lernen wollen, aber ihr Vater sei dagegen gewesen.

3.3.              Das Bundesverwaltungsgericht stellte die Anfragen des Bundesasylamtes vom 26. Februar 2013 an die Staatendokumentation, sowie folgende Stellen der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 30. April 2013, wörtlich fest:

"1. Ist die Familie der AW an der Adresse in Mazar bekannt? (Dort leben die Eltern, 1 Bruder)

2. Ist etwas über das Schicksal der Tochter bekannt? Warum ist die Tochter ausgereist? Hat sie tatsächlich quasi ihr Leben im Iran verbracht und wäre erst 1 Jahr in Mazar gewesen?

3. Ist etwas über das Geschäft des Vaters bekannt und dessen Geschäftspartner? (im Hinblick auch auf China Import?)

4. Wie lebt die Familie der AW in Mazar?

5. Ist die AW afghanische Staatsangehörige?

6. Ist das Alter der AW feststellbar?

[…]

Zusammenfassung: Quellenlage/Quellenbewertung:

Die österreichischen Vertretungsbehörden können zur Erfüllung und ihrer Aufgaben speziell Vertrauensanwälte, Gutachter oder Sachverständige einsetzen. Durch ihre fachliche Qualifikation, ihre Sprachkenntnisse und ihrem weitreichenden Netzwerkpool können sie dem Anforderungsprofil der Vertretungsbehörde entsprechend Ihr Fachwissen bzw. die jeweils angefragte Information an die jeweilige Vertretungsbehörde (oder auch den Verbindungsbeamten) weiterleiten und können daher als äußerst zuverlässige Quelle bezeichnet werden.

Dem Ermittlungsbericht des Vertrauensanwaltes der OB Islamabad ist zu entnehmen, dass die Angaben der Antragstellerin nicht verifiziert werden konnten.

Einzelquellen:

Nachfolgend finden Sie eine kurze Zusammenfassung des Ermittlungsberichtes des VA auf Deutsch – nähere Details entnehmen sie bitte beigefügtem Originalbericht!

Die von der Antragstellerin genannte Adresse konnte nicht ausfindig gemacht werden, die Angaben waren zu unpräzise. Es handelt sich dabei um drei verschiedene Orte. Die Antragstellerin und ihre Familie sind an diesen Orten jedenfalls nicht bekannt. Es konnten daher auch keine weiteren Informationen über die Antragstellerin und ihre Familie recherchiert werden. Der Vater, bzw. sein Geschäftspartner sind nicht als Händler von Medikamenten bekannt und auch nicht registriert."

3.4.              Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis aus, dass das Fluchtvorbringen nicht glaubwürdig sei und es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, objektive Furcht vor aktueller und landesweiter Verfolgung glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz lägen daher nicht vor. Wörtlich führt das Bundesverwaltungsgericht aus:

"Soweit die Beschwerdeführerin auf ihren Status einer 'unbegleiteten Minderjährigen' verweist, ist festzuhalten, dass bei sämtlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt Vertrauenspersonen bzw. Vertreter der Beschwerdeführerin anwesend waren. Die Bestimmung des §19 Abs5 AsylG, wonach minderjährige Asylwerber nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters einvernommen werden dürfen, wurde somit eingehalten. Abgesehen von den lediglich allgemeinen Hinweisen auf die Regelungen in der KRK, konnte die Beschwerdeführerin auch nicht darlegen, worin der konkrete Verstoß des Bundesasylamts im Zusammenhang mit ihrem Status als Minderjährige bestanden haben soll. Die Manuduktionspflicht wurde jedenfalls eingehalten (siehe Einvernahmeprotokolle vom 09.02.2012, 04.10.2012 sowie 06.06.2013). Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für die Beschwerdeführerin eine Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten nicht herleiten: Soweit die Beschwerdeführerin auf die allgemeine Lage der 'Frauen' in Afghanistan hinweist, ist festzuhalten, dass bloß die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin eine afghanische Frau ist, für sich alleine genommen nicht ausreicht, um mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung der Beschwerdeführerin ausschließlich auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auszugehen (AsylGH 13.11.2009, C9 317335-1/2008). Abgesehen davon wurde der Beschwerdeführerin im konkreten Fall der Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 AsylG zuerkannt, da sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer 'extremen und allgemeinen Gefahrenlage' ausgesetzt wäre (siehe dazu die Begründung zu Spruchpunkt II. im angefochtenen Bescheid)."

4.              Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näherbezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

5.              Das Bundesverwaltungsgericht legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab und verwies auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung.

II.              Erwägungen

1.              Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

1.1.              Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungs-sphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechts-lage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

1.2.              Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

1.2.1.              Das Bundesverwaltungsgericht geht nur insofern auf die Frage einer möglichen geschlechtsspezifischen Verfolgung der Beschwerdeführerin ein, als es festhält, dass die bloße Tatsache, dass die Beschwerdeführerin eine afghanische Frau sei, für sich alleine genommen nicht ausreiche, um mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung der Beschwerdeführerin ausschließlich auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auszugehen. Eigene Länderfeststellungen zur Situation der Frauen in Afghanistan im Allgemeinen und im Besonderen hinsichtlich des Zuganges zu Ausbildungsmöglichkeiten und der Problematik der Zwangsverheiratung trifft das Bundesverwaltungsgericht nicht.

1.2.2.              Gerade im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie eine "höherbildende Ausbildung" anstrebe, diese aber in ihrer Heimat nicht erlangen könne, weil ihr Vater sie nicht "rausgehen" lasse und sie eine Zwangsverheiratung zu befürchten habe, wäre das Bundesverwaltungsgericht aber verpflichtet gewesen, Feststellungen zu den konkreten Ausbildungsmöglichkeiten und der Problematik der Zwangsverheiratung zu treffen. (vgl. VfSlg 19.646/2012 und VfGH 5.6.2014, U2019-2030/2014).

1.2.3.              Das Bundesverwaltungsgericht hat daher, indem es eigenständige Ermittlungen hinsichtlich der asylrelevanten geschlechtsspezifischen Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der afghanischen Frauen und im Besonderen hinsichtlich der Ausbildungsmöglichkeiten und der Problematik der Zwangsverheiratung unterlassen hat, die Entscheidung mit Willkür belastet und die Beschwerdeführerin im verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach festgehalten hat, bewirkt das Absehen von einer gebotenen mündlichen Verhandlung durch den Asylgerichtshof (nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht) eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art47 Abs2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (zB VfGH 13.3.2013, U1175/2012 ua.; 26.6.2013, U1257/2012; 21.2.2014, U2600/2013; 6.6.2014, U1258/2013 ua.; 21.11.2014, U2718/2012).

1.3.              Ein derartiger Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht anzulasten:

1.3.1.              Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin nicht ausreichend auseinandergesetzt. Es hat lediglich die Anfragen des Bundesasylamtes vom 26. Februar 2013 an die Staatendokumentation sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 30. April 2013 wörtlich festgestellt und ist in seiner Beweiswürdigung dem Bundesasylamt gefolgt, wonach das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht als glaubhaft zu qualifizieren war. Darüber hinaus weist das Bundesverwaltungsgericht bloß auf weitere Widersprüchlichkeiten im Vorbringen der Beschwerdeführerin hin. Eine mündliche Verhandlung zur Prüfung der Glaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht durchgeführt. Dies wäre aber insbesondere vor dem Hintergrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Zuganges zu Ausbildungsmöglichkeiten und der Problematik der Zwangsverheiratung geboten gewesen.

1.3.2.              Die Akten haben erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung des Sachverhalts betreffend die Ausbildungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin und der Problematik der Zwangsverheiratung erwarten lässt. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen. Somit ist die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art47 Abs2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt worden.

III.              Ergebnis

1.              Die Beschwerdeführerin ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art47 Abs2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt worden.

2.              Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3.              Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Ermittlungsverfahren, Verhandlung mündliche, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2015:E155.2014

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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