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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1986 §20 Abs1 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des KS in Wien, vertreten durch Dr. Michael Ploderer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marokkanergasse 21/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Juli 1998, Zl. SD 1268/97, betreffend die Entziehung der Waffenbesitzkarte und des Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit zwei Bescheiden jeweils vom 6. Oktober 1997 entzog die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 25 Abs. 3 und 8 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997, (WaffG) einen für diesen am 3. April 1969 ausgestellten Waffenpass bzw. eine am 5. Juni 1997 ausgestellte Waffenbesitzkarte. Zur Begründung führte sie jeweils aus, die Verlässlichkeit des Beschwerdeführers sei deshalb nicht mehr gegeben, weil sich dieser am 6. Mai 1997 beim Reinigen seiner Waffe selbst in die rechte Hand geschossen habe.
In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung betonte der Beschwerdeführer, der Unfall könne auf das Vorliegen eines technischen Gebrechens oder eines munitionstechnischen Fehlers zurückgeführt werden. Er verwies diesbezüglich auf eine im Verfahren erster Instanz vorgelegte Bestätigung eines behördlich konzessionierten Waffenhändlers, wonach es technisch und praktisch möglich sei, dass beim Entladen einer Kleinkaliber-Pistole eine Patrone im Patronenlager verbleibe. Insbesondere könne beim Zurückziehen des Schlittens der Auszieher über den Rand der Kleinkaliber-Patrone rutschen, ohne diese auszuziehen. Die Behörde erster Instanz hätte sich mit dieser Stellungnahme auseinander setzen und gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten einholen müssen.
Weiters verwies der Beschwerdeführer auch darauf, dass er anlässlich des von ihm durchgeführten Übungsschießens die von ihm verwendete Waffe nach offensichtlichem Leerschießen des Magazins ordnungsgemäß versorgt und nach Hause gebracht habe. Der Keller, in welchem er die Reinigung begonnen habe und wo es zum Unfall gekommen sei, sei ausschließlich für ihn zugänglich und habe sich aufgrund eines technischen Gebrechens, welches für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei, der Schuss, der zur Selbstverletzung geführt habe, gelöst.
Die belangte Behörde holte während des Berufungsverfahrens eine Stellungnahme des Waffenreferates der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. März 1998 ein, aus der (zusammengefasst) hervorgeht, dass nur eine geringe Wahrscheinlichkeit für einen technischen Defekt bestehe. Waffen der vorliegenden Art neigten jedoch eindeutig häufiger zu Hemmungen. Wie letztlich die Patrone in das Patronenlager gekommen sei, sei reine Spekulation. Die Waffe besitze eine Magazinsicherung, was bedeute, dass ein gespannter Hahn nur bei eingeschobenem Magazin abgeschlagen werden könne. Eine Sichtkontrolle (des Patronenlagers), die nicht nur bei einer Waffe mit Magazinsicherung, sondern generell bei einem Reinigungsvorgang als einer der wichtigsten Bestandteile gelte, sei daher hier besonders wichtig. Diese letzte Sicherheit (Blickkontrolle) sei offenbar vergessen worden.
In einer Stellungnahme vom 5. Mai 1998 erklärte der Beschwerdeführer unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens neuerlich, es handle sich um einen nicht vorhersehbaren Vorfall, welcher in Verbindung mit seiner jahrzehntelangen waffenrechtlichen Unbescholtenheit nicht geeignet sei, die im Waffengesetz geforderte waffenrechtliche Verlässlichkeit in Frage zu stellen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Juli 1998 wurde der Berufung keine Folge gegeben; die Bescheide der Behörde erster Instanz wurden gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesbestimmungen, des Berufungsvorbringens sowie des Inhaltes der Stellungnahme des Waffenreferates der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. März 1998 führte die belangte Behörde aus, der Umgang mit Waffen erfordere die Anwendung äußerster Vorsicht, um die damit verbundenen besonderen Gefahren so gering wie möglich zu halten. Aus demselben Grund habe der sachgemäße Umgang mit Waffen absolute Priorität, d.h. es müssten beim Umgang mit Waffen alle Erfordernisse, die dem Schutz vor Unfällen dienten, genauestens beachtet werden. Die Annahme, ein Mensch werde mit Waffen nicht vorsichtig und sachgemäß umgehen, sei insbesondere dann gerechtfertigt, wenn er bereits durch fahrlässigen Umgang mit Waffen einen Unfall verschuldet habe. Es mache dabei keinen relevanten Unterschied, ob andere Menschen - in einem solchen Fall entfalle bei einer Verurteilung wegen fahrlässigen Gebrauches der Waffe im Sinne des § 8 Abs. 3 Z 3 WaffG jede weitere Prüfung des Verschuldens - oder der Waffeninhaber selbst Opfer des Unfalles sei. Abgesehen davon, dass für einen technischen Defekt der Waffe zum maßgeblichen Zeitpunkt nur eine geringe Wahrscheinlichkeit bestehe, müsse aber gerade wegen der auch dem Beschwerdeführer bekannten Problematik bei Waffen dieser Art das Unterlassen der Sichtkontrolle ins Patronenlager als besonders gravierende Fehlleistung bezeichnet werden. Da bei der Beurteilung der Verlässlichkeit im Sinne des Waffengesetzes aber angesichts des bestehenden Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen sei, lasse dieser schwer wiegende Sorgfaltsmangel die Verlässlichkeit des Beschwerdeführers nicht mehr als gegeben erscheinen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2
VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Die §§ 8 Abs. 1 und 25 Abs. 3 WaffG lauten:
"§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er
1.
Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.
...
§ 25. ...
(3) Ergibt sich, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, so hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen."
Bei der Auslegung des Kriteriums der waffenrechtlichen Verlässlichkeit ist im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 17. Oktober 1990, Zl. 90/01/0112, sowie vom 20. Mai 1992, Zl. 92/01/0485). Mit der Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall auch ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach eine Annahme im Sinn des § 8 Abs. 1 WaffG rechtfertigt (vgl. dazu die zur Rechtslage nach dem Waffengesetz 1986 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 17. September 1986, Zl. 85/01/0085, und das obzitierte hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1992). Ist ein solcher Schluss zu ziehen, so hat die Behörde die ausgestellte Urkunde zu entziehen.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, sich beim Reinigen seiner Waffe selbst verletzt zu haben. Auch trat er weder während des Verwaltungsverfahrens noch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof der entscheidungswesentlichen Annahme der belangten Behörde entgegen, wonach er die Waffe ohne vorherige Sichtkontrolle des Patronenlagers gereinigt habe, obwohl eine derartige Kontrolle vor der Reinigung einer Waffe generell einer der wichtigsten Bestandteile jedes Reinigungsvorganges sei.
Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, wenn sie die Ansicht vertritt, dass eine Waffenreinigung ohne vorherige Sichtkontrolle des Patronenlagers jedenfalls eine unvorsichtige Vorgangsweise darstelle. Geht man nun davon aus, dass angesichts der technischen Gegebenheiten der gegenständlichen Waffe (Magazinsicherung und - vom Beschwerdeführer selbst aufgezeigt - gegenüber anderen Waffen erhöhte Wahrscheinlichkeit des Verbleibens einer Patrone im Patronenlager) der jedenfalls erforderlichen Sichtkontrolle vor der Reinigung sogar erhöhte Wichtigkeit zukommt, so ist der belangten Behörde weiters zu folgen, wenn sie unter diesen Voraussetzungen das Unterlassen der Sichtkontrolle des Patronenlagers vor der Reinigung als "gravierende Fehlleistung" im Sinne einer besonderen Unvorsichtigkeit des Beschwerdeführers wertete. Die belangte Behörde hat daher den vorliegenden Sachverhalt mit Recht als Tatsache qualifiziert, die die Annahme rechtfertigt, der Beschwerdeführer gehe mit Waffen unvorsichtig um (vgl. die zu ähnlich gelagerten Sachverhalten ergangenen, oben bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 17. September 1986 bzw. vom 20. Mai 1992).
Insoweit der Beschwerdeführer vorbringt, der Unfall allein könne nicht die Qualifikation seiner Person als unverlässlich nach sich ziehen, ist ihm zu erwidern, dass sich die belangte Behörde bei der Annahme seiner Unverlässlichkeit nicht auf die Tatsache des Unfalls allein, sondern in erster Linie auf die Umstände, die den Unfall herbeiführten bzw. nicht verhinderten, gestützt hat. Dies verkennt der Beschwerdeführer auch mit seinen weiteren Ausführungen, wonach sich der Unfall (lediglich) auf das Zusammentreffen der technischen Sicherungseinrichtung der Waffe mit der Konstruktion der dafür notwendigen Munition gegründet habe. Die belangte Behörde legte ihren Feststellungen zugrunde, dass - und dies geht aus der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang selbst zitierten Stellungnahme der Spezialisten des Waffenreferates der Bundespolizeidirektion Wien eindeutig hervor - der Unfall trotz der genannten technischen Probleme hätte vermieden werden können, wenn der Beschwerdeführer die erwähnte Sichtkontrolle vor der Reinigung durchgeführt hätte. Dass ihm diese Sicherungsmaßnahme nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre, ist nicht hervorgekommen und wurde während des Verfahrens auch nicht vorgebracht.
Das weitere Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer aufgrund des Unfalles seine Sachkenntnis noch vertiefen und nun mit ganz besonderer Vorsicht seine Waffe handhaben werde, um eine Wiederholung derartiger "Zufälle" gänzlich auszuschließen, kann nichts daran ändern, dass die belangte Behörde schon aufgrund des festgestellten (einmaligen) Verhaltens des Beschwerdeführers zur Schlussfolgerung, es liege eine Tatsache vor, die eine Annahme im Sinn des § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG 1996 rechtfertige, berechtigt war. Darüber hinaus kann dieses Argument des Beschwerdeführers auch deshalb nicht zum Ziel führen, weil von einem Urkundeninhaber erwartet werden muss, dass er stets - ohne durch Vorfälle wie dem gegenständlichen erst dazu veranlasst zu werden - vorsichtig mit Waffen umgeht.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998200391.X00Im RIS seit
25.04.2001