TE Vfgh Erkenntnis 2015/2/27 G168/2014 ua

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Veröffentlicht am 27.02.2015
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Index

L7400 Fremdenverkehr, Tourismus

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs3, Abs4
Nö TourismusG 2010 §13 Abs7 lita

Leitsatz

Aufhebung einer Regelung des Nö TourismusG 2010 betreffend die Berechnungsgrundlage für die Erhebung von Interessentenbeiträgen infolge Anknüpfung an den gesamten Inlandsumsatz; Unsachlichkeit der Einbeziehung der außerhalb des Bundeslandes erzielten Umsätze in die Bemessung der Fremdenverkehrsabgaben

Spruch

I. Die Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994" in §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Stammfassung LGBl für Niederösterreich 7400-0, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Der Landeshauptmann ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt Niederösterreich verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Anlassverfahren, Anträge und Vorverfahren

1.       Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, auszusprechen, dass die Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994" in §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Stammfassung LGBl 7400-0, verfassungswidrig war.

2.       Diesen Anträgen liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

2.1.    Zu dem unter G168/2014 protokollierten Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

Der beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich beschwerdeführenden Gesellschaft wurde mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Lilienfeld vom 27. Oktober 2011 für das Jahr 2011 ein Interessentenbeitrag nach den Bestimmungen des NÖ Tourismusgesetzes 2010 in der Höhe von € 385,– vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, dass dieser Abgabenbetrag auf Grund der Höchstberechnungsgrundlage von € 550.000,– für die Tätigkeit "Eisen- und Metallwarenerzeuger" und auf Grund des anzuwendenden Abgabensatzes für die Abgabengruppen D von 0,7 ‰ errechnet worden sei. Gegen diesen Bescheid ist eine Beschwerde (vormals Berufung) der beschwerdeführenden Gesellschaft beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich anhängig. In der Beschwerde brachte die beschwerdeführende Gesellschaft im Wesentlichen vor, die hergestellten Fließpressteile würden im überwiegenden Teil an Kunden außerhalb des Landesgebietes geliefert. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dürften lediglich die innerhalb des jeweiligen Bundeslandes erwirtschafteten Umsätze der Beitragspflicht unterliegen. Eine solche Einschränkung der Beitragspflicht auf in Niederösterreich erwirtschaftete Umsätze sei dem §13 NÖ Tourismusgesetz 2010 jedoch nicht zu entnehmen. Dieser verweise lediglich auf die steuerbaren Umsätze nach dem Umsatzsteuergesetz.

2.2.    Zu dem unter G169/2014 protokollierten Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

Der beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich beschwerdeführenden Gesellschaft wurde mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Persenbeug-Gottsdorf vom 4. Juni 2012 für das Jahr 2012 ein Interessentenbeitrag nach den Bestimmungen des NÖ Tourismusgesetzes 2010 in der Höhe von € 825,– vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, dass dieser Abgabenbetrag auf Grund der Höchstberechnungsgrundlage von € 550.000,– für die Tätigkeit "Handel mit Waren aller Art" und auf Grund des anzuwendenden Abgabensatzes für die Abgabengruppen D von 1,1 ‰ errechnet worden sei. Gegen diesen Bescheid ist eine Beschwerde (vormals Berufung) der beschwerdeführenden Gesellschaft beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich anhängig. In der Beschwerde brachte die beschwerdeführende Gesellschaft im Wesentlichen vor, sie betreibe Großhandel mit Putenfleisch. Am Standort Persenbeug würden sich weder Lager- noch Produktionsstätten befinden. Die Waren würden direkt an die Abnehmer versandt. Lediglich 10 % des umsatzsteuerpflichtigen Gesamtumsatzes werde in Niederösterreich erzielt.

2.3.    Zu dem unter G173/2014 protokollierten Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

Der beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich beschwerdeführenden Gesellschaft (eine Schwestergesellschaft der im Anlassverfahren zu G168/2014 beschwerdeführenden Gesellschaft) wurde mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Lilienfeld vom 27. Oktober 2011 für das Jahr 2011 ein Interessentenbeitrag nach den Bestimmungen des NÖ Tourismusgesetzes 2010 in der Höhe von € 385,– vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, dass dieser Abgabenbetrag auf Grund der Höchstberechnungsgrundlage von € 550.000,– für die Tätigkeit "Eisen- und Metallwarenerzeuger" und auf Grund des anzuwendenden Abgabensatzes für die Abgabengruppen D von 0,7 ‰ errechnet worden sei. Gegen diesen Bescheid ist eine Beschwerde (vormals Berufung) der beschwerdeführenden Gesellschaft beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich anhängig. In der Beschwerde brachte die beschwerdeführende Gesellschaft im Wesentlichen vor, sie betreibe einen aluminiumverarbeitenden Betrieb und die hergestellten Pressbolzen würden ausschließlich an die gruppeninterne GmbH geliefert. Auch die hergestellten Butzen würden gruppenintern verkauft und darüber hinaus vorwiegend an Kunden außerhalb des Bundesgebietes und an einen Kunden in Kärnten (außerhalb des Landesgebietes) geliefert. Wie in dem zu G168/2014 protokollierten Antrag wird ausgeführt, nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dürften lediglich die innerhalb des jeweiligen Bundeslandes erwirtschafteten Umsätze der Beitragspflicht unterliegen. Eine solche Einschränkung der Beitragspflicht auf in Niederösterreich erwirtschaftete Umsätze sei dem §13 NÖ Tourismusgesetz 2010 jedoch nicht zu entnehmen. Dieser verweise lediglich auf die steuerbaren Umsätze nach dem Umsatzsteuergesetz.

3.       Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legt seine Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, in den zu G168/2014, G169/2014 und G173/2014 protokollierten Anträgen nahezu gleichlautend und im Wesentlichen wie folgt dar:

3.1.    Zunächst legt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dar, dass infolge der Übergangsregelung des Art151 Abs51 Z8 B-VG die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei der NÖ Landesregierung anhängigen Berufungsverfahren auf das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übergegangen sei. Die jeweils zulässigen und zeitgerecht eingebrachten Berufungen seien daher nunmehr als Beschwerden gemäß §243 BAO (in der seit 1. Jänner 2014 geltenden Fassung) zu behandeln und das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich habe nunmehr über diese Beschwerden in der Sache selbst gemäß §279 BAO (in der seit 1. Jänner 2014 geltenden Fassung) zu entscheiden. Dabei habe es die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Verfahrensvorschriften der BAO anzuwenden. Dazu führt es in den zu G168/2014, G169/2014 und G173/2014 protokollierten Anträgen jeweils wörtlich aus:

"Anders als in nach dem AVG (bzw. VwGVG) zu führenden Verfahren, bei welchen nach der ständigen Rechtsprechung – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Anordnungen – auch für die materiell-rechtliche Beurteilung die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich ist, führt im Abgabenverfahren der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgabenregelungen dazu, dass die Anwendung einer neuen Rechtslage in Fällen, in denen der Abgabentatbestand bereits verwirklicht wurde, ausdrücklich anzuordnen wäre (vgl. VwGH 4.5.1977, 898/75, Slg. 9315 A/1977; 20.5.1988, 86/17/0178 uva).

Nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben ist auch im gegenständlichen Fall die im Zeitpunkt (Zeitraum) der Entstehung des Abgabenanspruches geltende Rechtslage, hier also jene nach NÖ Tourismusgesetz 2010, LGBl 7400-0 (vor den mit 1.1.2014 in Kraft getretenen Novellen LGBl 7400-1 und 7400-2) heranzuziehen.

Gemäß §4 Abs1 Bundesabgabenordnung entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an [welchen] das Gesetz die Abgabe[n]pflicht knüpft.

Gemäß §13 Abs4 NÖ Tourismusgesetz 2010 wird die Abgabenpflicht in Niederösterreich durch die selbständige Ausübung einer oder mehrerer Tätigkeiten [begründet], durch die […] aus dem Tourismus mittelbar oder unmittelbar ein[en] Nutzen gezogen wird und welche in einer Verordnung gemäß Abs6 litb) in Abgabengruppen angeführt sind.

Gemäß §17 Abs5 NÖ Tourismusgesetz 2010 gilt bis zur Erlassung einer Verordnung der Landesregierung gemäß §13 Abs6 litb) dieses Gesetzes der Anhang zum Niederösterreichischen Tourismusgesetz 1991, LGBl 7400–5, als Auflistung und Einrei[c]hung der einzelnen Tätigkeiten gemäß §13 Abs4 lita sublitaa)."

In den zu G168/2014 und G173/2014 protokollierten Anträgen führt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich des weiteren wörtlich aus:

"Dort ist in der Gruppe D die Tätigkeit 'Eisen- und Metallwarenerzeuger' angeführt, welche von der Beschwerdeführerin unbestritten im Jahr 2011 an einem Standort in Niederösterreich (in der Gemeinde Lilienfeld) ausgeübt wurde.

Mit der Verwirklichung des Tatbestandes (Ausübung einer abgabepflichtigen Tätigkeit) ist auch der Abgabenanspruch im Jahr 2011 entstanden und sind bei der Abgabenvorschreibung jene Abgabenvorschriften anzuwenden, die damals gegolten haben. Es ist somit jene Rechtsgrundlage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde (vgl. VwGH 12.11.1981, 3706/80)."

Sinngemäß findet sich in dem zu G169/2014 protokollierten Antrag die soeben zitierte Passage bezugnehmend auf die Tätigkeit "[…] 'Handel mit Lebens- und Genußmitteln' […], welche von der Beschwerdeführerin unbestritten im Jahr 2012 an einem Standort in Niederösterreich (in der Gemeinde Persenbeug-Gottsdorf) ausgeübt wurde". Demgemäß sei der Abgabenanspruch in diesem Verfahren im Jahr 2012 entstanden.

Damit habe das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in den drei Anlassverfahren zur Berechnung der Abgabenhöhe bzw. zur Ermittlung der Berechnungsgrundlage die nunmehr angefochtene Regelung des §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010 in der im Jahr 2011 bzw. 2012 (von 1. Jänner 2011 bis 31. Dezember 2013) geltenden Fassung LGBl 7400-0 anzuwenden. Zwar habe diese Regelung durch die mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretene zweite Novelle des NÖ Tourismusgesetzes 2010 eine wesentliche Änderung erfahren, diese Änderung sei jedoch für das gegenständliche Verfahren infolge der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften nicht anzuwenden.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich geht somit im Ergebnis davon aus, dass §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Stammfassung LGBl 7400-0, welche im jeweiligen Besteuerungszeitraum in Geltung war, präjudiziell sei.

3.2.    In der Sache führt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aus, dass es sich beim Interessentenbeitrag gemäß §13 NÖ Tourismusgesetz 2010 um eine Landesabgabe handle, deren Besteuerungsgegenstand der Nutzen sei, den Unternehmer ("Tourismusinteressenten") durch die von ihnen ausgeübte Tätigkeit aus dem Tourismus mittelbar oder unmittelbar ziehen. Berechnungsgrundlage ("beitragspflichtig") sei gemäß §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Stammfassung LGBl 7400-0, der Jahresumsatz des Tourismusinteressenten. Unter beitragspflichtigem Jahresumsatz verstehe das Gesetz die Summe der im zweitvorangegangenen Jahr erzielten steuerbaren Umsätze "im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994". Wörtlich führt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dazu aus (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):

"§1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl Nr 663/1994 in der Fassung BGBl I Nr 99/2007, auf welchen zufolge §15 Abs3 NÖ Tourismusgesetz 2010, LGBl 7400-0, statisch verwiesen wird, lautet: 'Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt.'

Durch diese Regelung ist – auch im Zusammenhang mit den in weiterer Folge geregelten Ausnahmen – eine Beschränkung der Beitragspflicht auf in Niederösterreich erzielte Umsätze nicht möglich. Damit ist – mangels einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung für nicht in Niederösterreich getätigte Umsätze – nach dem Umsatzsteuergesetz grundsätzlich der gesamte Inlandsumsatz der Abgabenberechnung zugrunde zu legen. Die unmittelbare Verknüpfung bzw. Gleichsetzung des Begriffes Jahresumsatz mit dem Begriff steuerbare Umsätze 'im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994' schließt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes auch eine verfassungskonforme Interpretation dergestalt, dass nur in Niederösterreich erzielte Umsätze der Berechnungsgrundlage zuzurechnen seien, von Vorneherein aus.

Die Einbeziehung auch der außerhalb Niederösterreichs erzielten Umsätze in die Berechnungsgrundlage steht jedoch nicht in einem sachgerechten Verhältnis zu dem aus dem Tourismus in Niederösterreich gezogenen Nutzen und widerspricht auch dem Abgabentypus des Interessentenbeitrages als Landesabgabe."

Abschließend verweist das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 15.215/1998, mit welchem die Wortfolge "im Sinne des Umsatzsteuergesetzes" in §27 Abs2 des Burgenländischen Tourismusgesetzes 1992 als verfassungswidrig aufgehoben wurde.

3.3.    Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bringt ferner zum Anfechtungsumfang vor, dass die Aufhebung bzw. Nichtanwendung der Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994" eine verfassungskonforme Interpretation der Begriffe "Jahresumsatz" bzw. "steuerbare Umsätze" insofern ermögliche, als damit auch die nicht in Niederösterreich getätigten Inlandsumsätze aus der Berechnungsgrundlage ausgeschieden werden könnten.

Ferner geht das antragstellende Gericht davon aus, dass ein derartiges Ergebnis der Intention des Landesgesetzgebers entspreche, habe dieser doch in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen zweiten Novelle zum NÖ Tourismusgesetz 2010 durch die neu geschaffene Befreiungsbestimmung des §13 Abs7 lita sublitaf NÖ Tourismusgesetz 2010 die nicht in Niederösterreich getätigten Inlandsumsätze für Besteuerungszeiträume ab 2014 aus der Berechnungsgrundlage ausgeschieden. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich hafte demnach der Neuregelung die inkriminierte Verfassungswidrigkeit nicht mehr an.

4.       Die Landesregierung hat in allen drei Anträgen davon abgesehen, eine Äußerung zu erstatten.

II.      Rechtslage

1.       §13 NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Stammfassung LGBl 7400-0, lautet wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§13

Interessentenbeiträge

(1) Abgabenform

Der Interessentenbeitrag ist eine gemeinschaftliche Landesabgabe. Die Einhebung dieser Abgabe besorgen die Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich.

(2) Aufteilung der Abgabenerträge

95 % der Einnahmen aus der Nächtigungstaxe gebühren der Gemeinde und 5% des Abgabenertrages sind für das Land Niederösterreich vorgesehen.

(3) Zweckwidmung

a) Die Ertragsanteile der Gemeinde aus dem Interessentenbeitrag sind zur Weiterentwicklung und Förderung des Tourismus zu verwenden. Hierüber ist die Gemeindebevölkerung gemäß §9 litd) einmal jährlich in schriftlicher Form zu informieren. Dem Tourismusverband und der regionalen Tourismusdestination ist auf Verlangen Auskunft zu erteilen.

b) Die Ertragsanteile des Landes Niederösterreich aus dem Interessentenbeitrag sind für Maßnahmen zur Weiterentwicklung, Förderung und Vermarktung des landesweiten und des regionalen Tourismus zur Verfügung zu stellen.

(4) Abgabenpflicht

a) Tourismusinteressenten und damit beitragspflichtig sind alle natürlichen Personen, juristischen Personen, Personengesellschaften des Unternehmensrechtes, vergleichbare rechtsfähige Gesellschaftsformen, Erwerbsgesellschaften des bürgerlichen Rechtes sowie Personenvereinigungen, welche

aa) in Niederösterreich eine oder mehrere Tätigkeiten selbständig ausüben, durch die sie aus dem Tourismus mittelbar oder unmittelbar einen Nutzen ziehen und diese in einer Verordnung gemäß Abs6 litb) in Abgabengruppen angeführt sind, sowie

ab) zu Zwecken der Erwerbstätigkeit bzw. Vermietung oder Verpachtung in einer niederösterreichischen Gemeinde der Ortsklasse I, II und III einen Standort haben:

o      bei Erwerbstätigkeiten mit festem Standort:

einen Sitz im Sinne des §27 der Bundesabgabenordnung oder eine Betriebsstätte im Sinne dieses Gesetzes,

o      bei Erwerbstätigkeiten ohne festem Standort:

einen Wohnsitz gemäß §26 Bundesabgabenordnung, oder

o      bei Vermietungen oder Verpachtungen:

einen Standort des in Bestand gegebenen Objektes.

In Gemeinden der Ortsklasse III sind nur die in den Abgabengruppen A und B angeführten Tätigkeiten abgabenpflichtig.

b) Wird von einem selbständig Erwerbstätigen eine oder mehrere der in den Abgabengruppen der Abgabengruppenordnung gem. Abs6 litb) aufgezählten oder eine ähnliche Tätigkeit ausgeübt, so besteht die Rechtsvermutung, dass Nutzen aus dem Tourismus gezogen wird.

c) Werden mehrere die Abgabenpflicht gemäß Abs4 lita) auslösende Tätigkeiten ausgeübt, so ist der Interessentenbeitrag für jede dieser Tätigkeiten getrennt nach der jeweiligen Abgabengruppe und dem jeweiligen Anteil am Gesamtumsatz zu berechnen, jedoch in einem Gesamtbetrag zu entrichten.

d) Die Tourismusinteressenten haben für jedes Kalenderjahr bzw. abweichende Wirtschaftsjahr (Beitragszeitraum) Interessen[ten]beiträge zu entrichten.

(5) Standortbezogener Interessentenbeitrag

a) Der Interessentenbeitrag ist für jene Gemeinde zu entrichten, innerhalb deren Gebiet der jeweilige Standort des Tourismusinteressenten (gemäß Abs4 litab)) gelegen ist.

b) Ist der Tourismusinteressent in mehreren Gemeinden abgabepflichtig, so ist der Interessentenbeitrag für jede Gemeinde getrennt zu berechnen und zu entrichten. Lässt sich der für die einzelnen Gemeinden von der jeweiligen Gemeinde als Berechnungsgrundlage heranzuziehende Umsatz nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand feststellen, ist der Umsatz auf die einzelnen Gemeinden, in denen sich Standorte befinden, wie folgt aufzuteilen:

o      Umsatzzuordnung nach dem Verhältnis der Löhne und Gehälter der Dienstnehmer in den einzelnen Standorten oder

o      Umsatzzuordnung nach dem Verhältnis der Löhne und Gehälter der tätigen Inhaber bzw. familieneigenen Arbeitskräfte, sofern keine Dienstnehmer beschäftigt sind.

c)     Lit. b gilt sinngemäß, wenn ein Tourismusinteressent in einer oder mehreren Gemeinden und in anderen Bundesländern Standorte unterhält.

(6) Abgabengruppen

a) Zur Berechnung der Interessentenbeiträge werden die Tätigkeiten gemäß Abs4 lita) sublitaa) der Tourismusinteressenten in die Abgabengruppen A bis D eingeteilt.

b) Die Auflistung und die Einreihung der einzelnen Tätigkeiten in Abgabengruppen hat die Landesregierung durch Verordnung vorzunehmen (Abgabengruppenordnung). Für die Auflistung ist der jeweilige mittelbare oder unmittelbare Nutzen für die einzelne Tätigkeit aus dem Tourismus zu berücksichtigen. Für die Einreihung ist das Verhältnis des von der einzelnen Tätigkeit nach allgemeinen wirtschaftlichen Erfahrungen aus dem Tourismus mittelbar und unmittelbar erzielten Nutzens zum entsprechenden Gesamtnutzen unter Beachtung der branchentypischen Umsatzstruktur maßgebend.

(7) Abgabenberechnung

a) Berechnungsgrundlage:

Unter beitragspflichtigem Jahresumsatz ist, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, die Summe der im zweit vorangegangenen Jahr erzielten steuerbaren Umsätze im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994 zu verstehen. Es bestehen folgende Ausnahmen:

aa) Umsätze im Sinne des §6 Umsatzsteuergesetz 1994 sowie Umsätze im Sinne der Binnenmarktregelung gemäß dem Anhang zu §29 Abs8 (Binnenmarktregelung) Umsatzsteuergesetz 1994, ausgenommen:

o      Umsätze aus Bankgeschäften bei Geld- und Kreditinstituten einschließlich der Österreichischen Post AG und der Bausparkassen (gemäß §6 Abs1 Z8 Umsatzsteuergesetz 1994)

o      Umsätze aus Versicherungsverhältnissen einschließlich Pensionskassengeschäften (gemäß §6 Abs1 Z9 litc Umsatzsteuergesetz 1994)

o      Umsätze aus der Vermittlung von Kredit-, Bauspar- und Versicherungsgeschäften (gemäß §6 Abs1 Z13 Umsatzsteuergesetz 1994)

o      Umsätze aus dem Betrieb von Spielbanken (gemäß §6 Abs1 Z9 litd sublitdd) Umsatzsteuergesetz 1994)

o      Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Dentist sowie den sonstigen im §6 Abs1 Z19 Umsatzsteuergesetz 1994 genannten Tätigkeiten;

o      die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker sowie die sonstigen Leistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen (gemäß §6 Abs1 Z20 Umsatzsteuergesetz 1994)

ab) Umsätze aus der Dauervermietung von Wohnungen oder Teilen von Wohnungen, soweit es sich nicht um Ferienwohnungen handelt, Umsätze aus der Verwaltung von geförderten Wohnungen sowie aus der Verpachtung von Grundstücken für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Dauervermietung liegt vor, wenn die Vermietung an dieselbe Person mindestens durch zwei Monate erfolgt und beim Mieter ein ständiger Wohnbedarf gedeckt wird.

ac) Umsätze aus Leistungen der Kranken- und Pflegeanstalten, Sanatorien und Ambulatorien gemäß NÖ Krankenanstaltengesetz, LGBl 9440, öffentlichen Altenheime, öffentlichen Behindertenheime, öffentlichen Kindergärten, öffentlichen Kinder- und Jugendheime.

ad) Umsätze von nicht auf Gewinn gerichteten Betrieben und Einrichtungen der Gebietskörperschaften, sofern kein Überschuss, sondern höchstens Kostendeckung angestrebt wird.

ae) Umsätze aus der Veräußerung eines Unternehmens oder eines in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betriebes im ganzen (§4 Abs7 des Umsatzsteuergesetzes 1994) sowie der Verkauf von Anlagevermögen.

Tourismusinteressenten, die eine Ausnahmeregelung betreffend die Berechnungsgrundlage in Anspruch nehmen, müssen entsprechende Nachweise erbringen.

Wählt ein Tourismusinteressent ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr als umsatzsteuerlichen Veranlagungszeitraum, so ist maßgebende Berechnungsgrundlage die Summe der Umsätze, die im zweit vorangegangenen, 12 Monate umfassenden Veranlagungszeitraum, erzielt worden sind. Hinsichtlich dieser Regelung und der Übergänge vom Kalenderjahr auf das abweichende Wirtschaftsjahr und umgekehrt gelten die Vorschriften des §20 Abs3 Umsatzsteuergesetz 1994.

b) bis d) […]

(8) bis (17) […]"

2.       §1 Abs1 Z1 Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl 663, in der Fassung BGBl I 99/2007 lautet:

"Steuerbare Umsätze

§1. (1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt;

[…]"

3.       §13 Abs7 lita sublitaf NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Fassung LBGl. 7400-2, lautet:

"§13

Interessentenbeiträge

(1) bis (6) […]

(7) Abgabenberechnung

a) Berechnungsgrundlage: Unter beitragspflichtigem Jahresumsatz ist, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, die Summe der im zweit vorangegangenen Veranlagungsjahr erzielten steuerbaren Umsätze im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994 zu verstehen. Davon sind folgende Umsätze befreit:

[…]

af) Umsätze aus Lieferungen an einen Ort außerhalb des Landes Niederösterreich und Umsätze aus sonstigen Leistungen (§3a Umsatzsteuergesetz 1994), soweit sie nicht ausschließlich oder überwiegend in Niederösterreich erbracht wurden.

[…]"

III.    Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat die drei Anträge des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:

1.       Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1.    Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2.    Was den erforderlichen Umfang der Anfechtung anlangt, so ist dieser durch folgende Überlegungen zu bestimmen: Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003) notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt, und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Aus dieser Grundposition folgt zunächst, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Antrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 18.142/2007, 19.496/2011).

1.3.    Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen demgegenüber nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit der Antrag nur Normen erfasst, die iSd Pkt. 1.1. präjudiziell sind oder mit solchen untrennbar zusammenhängen, führt dies, ist der Antrag in der Sache begründet, im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zur partiellen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit offensichtlich trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur teilweisen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 16.246/2001, 16.816/2003, 16.819/2003, 17.572/2005, 18.766/2009); soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht zur Zurückweisung des gesamten Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.).

1.4.    Wenn das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich davon ausgeht, dass nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgaben für die Anlassverfahren die im Zeitpunkt (Zeitraum) der Entstehung des Abgabenanspruches geltende Rechtslage heranzuziehen sei – dies sei für alle drei Anlassfälle das NÖ Tourismusgesetz 2010 in der Stammfassung LGBl 7400-0 – und damit §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Stammfassung LGBl 7400-0, zur Berechnung der Abgabenhöhe bzw. zur Ermittlung der Berechnungsgrundlage in den Anlassverfahren anzuwenden sei, ist dies nicht denkunmöglich.

1.5.    Was den Anfechtungsumfang anbelangt, vertritt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Auffassung, dass der Wegfall der Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 Umsatzsteuergesetzes 1994" in §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010 eine verfassungskonforme Interpretation des verbleibenden Terminus "steuerbare Umsätze" insofern ermögliche, als damit die nicht in Niederösterreich getätigten Inlandsumsätze aus der Berechnungsgrundlage ausgeschieden werden könnten.

Hiezu ist zunächst zu beachten, dass der Interessentenbeitrag nach dem NÖ Tourismusgesetz 2010 eine Landesabgabe ist, deren Belastungskonzeption als Tourismusabgabe auf die Erfassung jenes Nutzens zielt, den Unternehmen aus dem regionalen Tourismus ziehen (VfSlg 5811/1968, 5995/1969, 6205/1970, 11.640/1988, 12.224/1989). Dieser Erwägung folgend hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 15.215/1998 – auf das auch das antragstellende Gericht seine Bedenken stützt – zur Rechtslage nach dem Burgenländischen Tourismusgesetz 1992 ausgesprochen, dass in der Wortfolge "Nettojahresumsatz im Sinne des Umsatzsteuergesetzes" der Verweis auf das Umsatzsteuergesetz als verfassungswidrig aufzuheben war, womit die verbliebene Wortfolge "Nettojahresumsatz" verfassungskonform ausgelegt nur den im Land erzielten Umsatz erfasst hat.

Im Erkenntnis VfSlg 16.198/2001 ging der Verfassungsgerichtshof zur Rechtslage nach dem OÖ Tourismusgesetz 1990 hingegen davon aus, dass eine Beschränkung der Aufhebung auf die Worte, die den Verweis auf das Umsatzsteuergesetz 1994 beinhalten, nicht möglich war, weil die Bestimmung weitere Verweise auf Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes 1994 enthielt und bei Streichung des Verweises nicht mehr mit hinreichender Deutlichkeit ermittelt werden konnte, welche "steuerbaren Umsätze" nun tatsächlich gemeint sind.

Die in den Anlassverfahren maßgebende Rechtslage nach dem NÖ Tourismusgesetz 2010 ist weder mit jener vollständig vergleichbar, die dem Erkenntnis VfSlg 15.215/1998 zu Grunde lag, noch mit jener im Erkenntnis VfSlg 16.198/2001.

Dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ist aber jedenfalls in seiner Ansicht zu folgen, dass mit der Aufhebung der Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 Umsatzsteuergesetzes 1994" in §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010 der verbleibende Terminus "steuerbare Umsätze" im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit so zu verstehen wäre, dass dieser nur die in Niederösterreich erwirtschafteten Inlandsumsätze umfasst.

Die Anträge sind somit insofern, als sie sich nur auf die Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994" in §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010 beziehen, nicht zu eng gefasst und somit zulässig.

1.6.    Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge als zulässig.

2.       In der Sache

2.1.    Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2.    Das Landesverwaltungsgericht vertritt die Auffassung, die Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 Umsatzsteuergesetzes 1994" in §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Stammfassung LGBl 7400-0, lasse keine Beschränkung der Beitragspflicht für Tourismusinteressenten auf in Niederösterreich erzielte Umsätze zu. Mangels einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung für nicht in Niederösterreich getätigte Umsätze müsse der Abgabenberechnung der gesamte Inlandsumsatz zugrunde gelegt werden. Der eindeutige Wortlaut lasse auch keinen Spielraum für eine verfassungskonforme Interpretation.

2.3.    Die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich treffen zu: Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung aus der Einordnung der Fremdenverkehrsabgaben als Landesabgaben abgeleitet, daß nur der im jeweiligen Bundesland erzielte Umsatz in einem sachgerechten Verhältnis zum Fremdenverkehrsnutzen stehe, und daher Bedenken gegen Regelungen geäußert, die dazu führten, daß auch der außerhalb des Landes erzielte Umsatz in die Bemessung der Fremdenverkehrsabgaben einbezogen wurde (VfSlg 5811/1968, 5995/1969, 6205/1970, 11.640/1988, 12.224/1989, 15.215/1998, 16.198/2001). Da eine Regelung, die auf den Umsatz nach dem Umsatzsteuergesetz 1994 verweist, nicht in dem Sinn verstanden werden kann, dass sie nur den im jeweiligen Bundesland erzielten Umsatz erfasst, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 15.215/1998 die Wortfolge "im Sinne des Umsatzsteuergesetzes" in §27 Abs2 Burgenländisches Tourismusgesetz 1992 als verfassungswidrig aufgehoben.

2.4. Diese Erwägungen treffen auch auf §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Stammfassung LGBl 7400-0, zu: Mit der Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 Umsatzsteuergesetzes 1994" ist vorgesehen, dass die Regelung des §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010 der Abgabenberechnung zunächst den gesamten Inlandsumsatz zugrunde legt, wobei die Ausnahmeregelungen des §13 Abs7 lita sublitaa und des §13 Abs5 litc NÖ Tourismusgesetz 2010 nicht sämtliche außerhalb von Niederösterreich erzielten Umsätze aus der Bemessungsgrundlage ausscheiden. Die Aufhebung der Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994" beseitigt die zwingende Anknüpfung an den Inlandsumsatz und führt im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung zum Ergebnis, dass der "steuerbare Umsatz" bei der Bemessung von Fremdenverkehrsabgaben jener Umsatz ist, der innerhalb des betreffenden Bundeslandes erzielt wird.

IV.      Ergebnis

1.       Daher ist die Wortfolge "im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994" in §13 Abs7 lita NÖ Tourismusgesetz 2010, in der Stammfassung LGBl 7400-0, als verfassungswidrig aufzuheben.

2.       Da die als verfassungswidrig erkannte Bestimmung ungeachtet ihrer zwischenzeitig erfolgten Novellierung (LGBl für Niederösterreich 7400-2) mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung steht, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe zB VfSlg 19.343/2011 mwN) mit Aufhebung nach Abs3 des Art140 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 dieser Verfassungsbestimmung vorzugehen.

3.       Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

4.       Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Niederösterreich zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung gründet sich auf Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG.

5.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Fremdenverkehr, Abgaben, Umsatzsteuer, Auslegung verfassungskonforme, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2015:G168.2014

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2016
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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