TE Vfgh Beschluss 2015/3/23 E444/2015, G135/2015, A 2/2015

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Veröffentlicht am 23.03.2015
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art137 / sonstige Klagen
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
B-VG Art144 Abs1 / Allg
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags als aussichtslos; Zurückweisung einer allenfalls erhobenen Beschwerde und des Individualantrags sowie Ab- bzw Zurückweisung einer allfälligen Staatshaftungsklage zu gewärtigen

Spruch

Der Antrag der *** ***** *****, **********************, **** ********, auf Bewilligung der Verfahrenshilfe 1. zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 18. Dezember 2014, Z 2 Ob 202/14s, 2. zur Einbringung eines Antrages, §§41 und 50 ZPO als verfassungswidrig aufzuheben, und 3. zur Einbringung einer Staatshaftungsklage wegen Verstoßes des Obersten Gerichtshofes gegen die Vorlagepflicht wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Die Einschreiterin beantragt zum einen die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen einen Beschluss des Obersten Gerichtshofes, mit dem ihr außerordentlicher Revisionsrekurs gemäß §526 Abs2 Satz 1 ZPO mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §528 Abs1 ZPO zurückgewiesen wurde, und damit gegen einen Akt der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Weder Art144 B-VG – dieser bezieht sich nur auf Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte (Art129 B-VG) – noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit ein, Akte der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf Grund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu überprüfen (zB VfSlg 18.411/2008, 18.666/2009 mwN). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde erscheint somit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage die Zurückweisung einer allenfalls erhobenen Beschwerde wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zu gewärtigen wäre.

2. Zum anderen beantragt sie die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrages auf Aufhebung der den Beschlüssen des Landesgerichtes Salzburg vom 1. August 2014, Z 2 Cg 138/13p-21, und des Oberlandesgerichtes Linz vom 1. Oktober 2014, Z 12 R 2/14x-25, zugrunde liegenden Rechtsvorschriften über den Kostenersatz, d.s. die §§41 und 50 ZPO, als verfassungswidrig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der dem einzelnen Normunterworfenen mit Art140 Abs1 Z1 litc B-VG eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen – gleichsam lückenschließend – nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht oder stand, weil man andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes gelangte, die mit dem Charakter eines sogenannten Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg 11.479/1987, 18.739/2009; VfGH 12.6.2012, G2/12).

Ein solcher zumutbarer Weg stand der Einschreiterin aber – wie die vorgelegten Beschlüsse des Landesgerichtes Salzburg und des Oberlandesgerichtes Linz zeigen – offen: Im Zuge des von ihr angestrengten zivilgerichtlichen Verfahrens bestand für die Antragstellerin nämlich Gelegenheit, ihre Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Gesetzesstelle vorzutragen und bei dem in dieser Rechtssache zuständigen Oberlandesgericht die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen. Gemäß Art89 Abs2 B-VG ist das Gericht, sofern es Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines anzuwendenden Gesetzes hegt, zur entsprechenden Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet (vgl. zB VfSlg 11.890/1988, 17.110/2004; VfGH 20.9.2010, G65/10 ua.).

War aber – wie hier – ein gerichtliches Verfahren, in dem der Betroffene eine solche amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anregen konnte, bereits anhängig, so müssen besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des Gerichtsverfahrens selbst – trotz der ihr dort gegeben gewesenen Möglichkeit – das Recht auf Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages einzuräumen. Solche außergewöhnlichen Umstände werden von der Antragstellerin nicht behauptet und sind für den Verfassungsgerichtshof auch nicht erkennbar.

Damit erweist sich auch diese Form der (angestrebten) Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos, zumal ein allenfalls eingebrachter Individualantrag mangels Legitimation zurückzuweisen wäre.

3. Schließlich begehrt die Antragstellerin noch die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Staatshaftungsklage "aufgrund gemeinschaftsrechtswidrigen Fehlverhaltens des OGH", nämlich der "Missachtung der Vorlagepflicht" an den Europäischen Gerichtshof.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. 19.361/2011 und 19.471/2011) ist es nicht seine Aufgabe, in einem Staatshaftungsverfahren wie dem hier intendierten – ähnlich einem Rechtsmittelgericht – die Richtigkeit der Entscheidungen anderer Höchstgerichte zu prüfen. Der Verfassungsgerichtshof ist nur zur Beurteilung berufen, ob ein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. u.a. EuGH 30.9.2003, Rs. C-224/01, Köbler, Slg. 2003, I-10239) vorliegt (vgl. VfSlg 17.214/2004, 17.095/2003, 19.471/2011).

Unter Bedachtnahme auf die von der Einschreiterin vorgelegten Entscheidungen (vgl. Pkt. 1 und 2) besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass der behauptete Verstoß – so er überhaupt seiner Art nach möglich ist (die Entscheidung des Obersten Gerichtshof erschöpft sich in der – gemäß §510 Abs3 iVm §528a ZPO begründungslosen – Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses) – im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hinreichend qualifiziert wäre, zumal sich die Unterinstanzen mit der den maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssache (EuGVVO) und der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausführlich auseinandergesetzt haben. Eine allfällige Klage gemäß Art137 B-VG erwiese sich daher als nicht erfolgversprechend, sodass ihre Ab-, wenn nicht sogar Zurückweisung zu gewärtigen wäre.

4. Der Antrag ist sohin gemäß §20 Abs1a VfGG mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) zur Gänze abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Individualantrag, VfGH / Klagen, Staatshaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2015:E444.2015

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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