TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/21 99/18/0263

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Veröffentlicht am 21.09.2000
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StGB §201 Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/18/0265 E 21. September 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 22. Mai 1971 geborenen J S in Schwarzach, vertreten durch Mag. Friedrich Kühleitner und Mag. Franz Lochbichler, Rechtsanwälte in 5620 Schwarzach, Markt 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 28. Mai 1999, Zl. Fr-50/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) wurde in dem in Beschwerde gezogenen Spruchpunkt I gegen den Beschwerdeführer, (nach der Aktenlage: einen jugoslawischen Staatsangehörigen), gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 38 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 5. Juni 1998 vom Landesgericht Salzburg wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr - unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen - verurteilt worden, weil er gemeinsam mit S. S. am 10. August 1997 in Bischofshofen die am 7. Juli 1979 geborene U. K. mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes bzw. einer den Beischlaf gleichzusetzenden Handlung gezwungen hätte, in dem er sie trotz heftiger Gegenwehr an den Brüsten betastet, ihr die Jeanshose ausgezogen und mit seinem Glied für kurze Zeit in ihre Scheide einzudringen versucht hätte und, nachdem es ihr gelungen wäre, sich für kurze Zeit zu befreien, sie wieder erfasst und mit seinem Penis in ihren After einzudringen versucht hätte. Damit sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG (bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten) formell erfüllt, ohne dass es dazu weiterer Erhebungen bedürfe.

Zum Privatleben des Beschwerdeführers sei von der Behörde erster Instanz festgestellt worden, dass er seit 1991 in Österreich lebe. Er sei ledig und habe keine näheren Verwandten in Österreich. Auf Grund seines mehrjährigen Aufenthaltes und seiner Beschäftigung sei zweifellos ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben gegeben.

Die belangte Behörde habe nunmehr zu würdigen, inwieweit das Verhalten des Beschwerdeführers, das zur Verurteilung gemäß § 201 Abs. 1 StGB geführt habe, dazu geeignet sei, die Annahme zu rechtfertigen, sein Aufenthalt gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (§ 36 Abs. 1 FrG). Der Beschwerdeführer hätte trotz heftiger Gegenwehr U. K. an den Brüsten betastet und ihr die Jeanshose ausgezogen und mit seinem Glied für kurze Zeit in ihre Scheide einzudringen versucht. Auch hätte er sogar, nachdem es ihr gelungen wäre, sich für kurze Zeit zu befreien, sie wieder erfasst und hätte versucht, mit seinem Penis in ihren After einzudringen. Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine gravierende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität einer anderen Person und eine schwere Missachtung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung dar, weshalb die Annahme einer davon ausgehenden massiven Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass gegen den Beschwerdeführer nur eine bedingte Strafe verhängt worden sei.

Obwohl von einem im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen sei, müsse der Eingriff unter dem Gesichtspunkt relativiert werden, dass der Beschwerdeführer ledig sei und keine näheren Verwandten in Österreich habe. Es gebe damit keine Bindungen, die unter den Schutz des Familienlebens im Sinn der EMRK fielen. Auf Grund der Ausführungen zum Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers vertrete die belangte Behörde die Ansicht, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) notwendig sei.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung auch die Ansicht vertreten, dass gegen ihn kein Aufenthaltsverbot hätte erlassen werden dürfen, weil ihm auf Grund der Dauer seines Aufenthaltes die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Dies sei nicht richtig: Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG dürfe ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, hätte verliehen werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wie aus der Aktenlage ersichtlich sei, halte sich der Beschwerdeführer erst seit 1991 und somit erst ca. acht Jahre in Österreich auf. Gemäß der zitierten Bestimmung des Staatsbürgerschaftsgesetzes hätte ihm die Staatsbürgerschaft aber erst ab einer Aufenthaltsdauer von zehn Jahren verliehen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der genannten Straftat (oben I.1.) begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und auch die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

2. Mit seinem gegen die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG gerichteten Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer aus folgenden Gründen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

2.1. Den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 1991 sowie seine Berufstätigkeit hat die belangte Behörde ohnehin berücksichtigt und daher - zutreffend - einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Ebenso zutreffend ist sie aber - entgegen der Beschwerde - zu dem Ergebnis gelangt, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot im Licht des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, liegt doch dem Beschwerdeführer das durch die besagte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung feststehende Fehlverhalten der Vergewaltigung zur Last, welches als schwere und besonders verwerfliche strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338, mwH) das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt.

Von daher erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Interessenabwägung als unbedenklich, sind doch die dargestellten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers dadurch in ihrem Gewicht gemindert, dass die für das Ausmaß der Integration wesentliche soziale Komponente durch das besagte gravierende Fehlverhalten deutlich beeinträchtigt wird.

Auf dem Boden des Gesagten ist die Rüge, der angefochtene Bescheid sei bezüglich der nach § 37 FrG vorzunehmenden Beurteilung nicht hinreichend begründet, nicht zielführend.

Der vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verlobt sei und beabsichtige, "in einigen Tagen" die Ehe zu schließen, bewirkt keine über den Stellenwert des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Berufstätigkeit hinausgehende zusätzliche Stärkung der persönlichen Interessen.

3. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte, zumal weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG berücksichtigte Umstände ersichtlich sind, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. In Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid seit 1991, somit selbst im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht seit zehn Jahren, ununterbrochen in Österreich aufhältig ist, erfüllt er - entgegen der Beschwerde - nicht die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 für die Verleihung der Staatsbürgerschaft, sodass § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG dem vorliegenden Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht.

5. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999180263.X00

Im RIS seit

30.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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