RS Vfgh 2015/3/11 WII1/2014

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Veröffentlicht am 11.03.2015
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Index

82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art120c
B-VG Art141 Abs1 lita, litd
ÄrzteG 1998 §68, §70, §74, §76, §77
Ärztekammer-WahlO 2006 §8, §56

Leitsatz

Abweisung des Antrags der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien auf Verlustigerklärung des Mandates eines Mitgliedes dieser Vollversammlung wegen rückwirkender Streichung aus der Ärzteliste mangels eines ausdrücklich normierten Erlöschens- oder Abberufungsgrundes

Rechtssatz

Anders als der Verzicht oder das Ableben des Mandatars ist die Streichung aus der Ärzteliste, mit der gleichzeitig auch die Mitgliedschaft zum Selbstverwaltungskörper erlischt, weder im ÄrzteG 1998 noch in der Ärztekammer-WahlO 2006 - ÄKWO 2006 ausdrücklich geregelt.

Nach der Rechtsprechung des VfGH besteht die Notwendigkeit einer strengen Auslegung und Abgrenzung der einzelnen Tatbestände des Art141 Abs1 B-VG. Daran anknüpfend können Rechtswidrigkeiten betreffend das Wahlverfahren nur unter dem Gesichtspunkt des Art141 Abs1 lita B-VG geltend gemacht werden; einen Mandatsverlustgrund gem Art141 Abs1 litd B-VG stellen sie - insbesondere wegen der im Gegensatz zum Mandatsverlustverfahren vorgesehenen Befristung der Wahlanfechtung sowie der Verhinderung einer vom Verfassungsgesetzgeber nicht beabsichtigten partiellen Doppelgleisigkeit der Rechtsschutzverfolgung - hingegen nicht dar.

Selbst wenn die "rückwirkende" Streichung der Antragsgegnerin aus der Ärzteliste ihre passive Wahlberechtigung am Wahlstichtag "rückwirkend" beseitigt hat, ist der von der Antragstellerin geltend gemachte Mandatsverlustgrund nicht wegen eines gesetzlich normierten Grundes eingetreten, sondern beruht auf dem Wahlakt selbst und wäre damit ausschließlich mit der Wahlanfechtung gemäß Art141 Abs1 lita B-VG bekämpfbar gewesen.

Begriff der "anders gearteten Erledigung" (eines Mandates in §56 Abs1) der ÄKWO 2006 kann nur so verstanden werden, dass darunter lediglich Ereignisse fallen, die - wie der Todesfall - das Mandat faktisch beenden. Die (rückwirkende) Streichung aus der Ärzteliste führt hingegen keineswegs zwingend und selbstverständlich zu einer Mandatsbeendigung.

In Ermangelung eines ausdrücklich gesetzlich vorgesehenen Erledigungsgrundes bleibt das Mandat für die gewählte Dauer aufrecht, liegt es hier doch auch im Interesse der Rechtssicherheit, dass einmal gewählte Organe für die Dauer ihrer Funktionsperiode ihre gesetzlich vorgesehenen Aufgaben erfüllen. Es gibt hier keinen gesetzlichen Grund iSd Art141 Abs1 zweiter Satz erster Teilsatz B-VG, der für den Fall des (nachträglichen) Eintretens von Umständen, die die Wählbarkeit zu einem Organ des Selbstverwaltungskörpers ausschließen, das Erlöschen des Mandates oder die Möglichkeit seiner Aberkennung vorsieht.

Bei Fehlen eines ausdrücklich normierten Erlöschens- oder Abberufungsgrundes ist selbst vor dem Hintergrund des Art120c B-VG hinzunehmen, dass - wie im vorliegenden Fall - Regelungen (lediglich) auf den Kreationsakt abstellen und ein nachträglicher Wegfall der Wählbarkeit nicht zur Aberkennung des Mandates führt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Ärzte, Ärztekammer, Wahlrecht passives, Selbstverwaltung, VfGH / Mandatsverlust, Auslegung Verfassungs-

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2015:WII1.2014

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2016
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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