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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
VfGG §33Leitsatz
Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags zur Erhebung einer Beschwerde mangels zumutbarer Handlungen seitens des Rechtsanwalts; Zurückweisung der Beschwerde als verspätetSpruch
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
II. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit dem am 5. Jänner 2015 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz begehrt die antragstellende Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde und erhebt unter einem insoweit Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. Juni 2014, als damit ihr Antrag auf internationalen Schutz gemäß §3 AsylG 2005 abgewiesen wurde.
2. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages führt die antragstellende Partei im Wesentlichen Folgendes aus:
"Ich war im Asylbeschwerdeverfahren durch Herrn RA Mag. Dr. […] vertreten. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts […] wurde meinem rechtsfreundlichen Vertreter am 25.06.2014 zugestellt. Eine Kopie des Erkenntnisses wurde mir mit Schreiben der Kanzlei meines rechtsfreundlichen Vertreters vom 26.06.2014 per Post an meine frühere Adresse […] übermittelt. Ich bin der deutschen Sprache nicht mächtig, auch Dari und Paschtu beherrsche ich nicht in […] ausreichendem Maße, da ich Usbeke bin. Aus diesem Grunde verstand ich nicht, dass ich gegen die Abweisung meines Asylantrages Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. Revision an den Verwaltungsgerichtshof einlegen kann. Die auf dem Bescheid in Dari angeführte Rechtsmittelbelehrung war für mich nicht verständlich.
Erst am 23.12.2014, anlässlich einer Besprechung in der Wiener Sprechstelle meines Rechtsvertreters wurde ich – in Gegenwart eines usbekisch Dolmetschs – von meinem Rechtsvertreter über die Möglichkeit, VfGH-Beschwerde einzulegen bzw. Revision an den VwGH zu erheben, informiert. Erst zu diesem Zeitpunkt ist daher jenes Hindernis, das mich an der rechtzeitigen Beschwerdeerhebung gehindert hat, weggefallen. Der Wiedereinsetzungsantrag wird daher rechtzeitig gestellt. Aufgrund meiner Wohnsituation in Tirol und des fehlenden Zugangs zu Usbekisch sprechenden Sprachmittlern, hatte ich keine Möglichkeit, Kenntnis von der Beschwerdemöglichkeit und der hierfür vorgesehenen Frist zu erlangen. Der Umstand, dass ich nunmehr erst jetzt Beschwerde einlege, kann mir daher nicht als Verschulden angelastet werden."
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über den – zulässigen – Wiedereinsetzungsantrag erwogen:
Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.
Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).
Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.
Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.
Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde fiel anlässlich eines Beratungsgespräches in der Sprechstelle des Rechtsvertreters in Wien am 23. Dezember 2014 weg. Mit dem am 5. Jänner 2015 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.
Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens des Bevollmächtigten der antragstellenden Partei im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden:
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wurde nach eigenem Vorbringen dem Rechtsvertreter der antragstellenden Partei am 25. Juni 2014 zugestellt, der ihr am nächsten Tag eine Kopie der Entscheidung übermittelte. Aus dem Vorbringen lässt sich jedoch auch entnehmen, dass erst ca. sechs Monate nach Zustellung der Entscheidung anlässlich einer Besprechung zwischen dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Antragsteller und seinem Rechtsvertreter erstmals eine Kontaktaufnahme erfolgte, in deren Zuge der Antragsteller u.a. über die Möglichkeit, Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu erheben, informiert wurde.
Dem Vorbringen kann nicht entnommen werden, dass seitens des Rechtsvertreters – abgesehen von der Übermittlung der Entscheidung – irgendwelche Anstrengungen unternommen worden wären, mit seinem Mandanten Kontakt aufzunehmen oder die – "der deutschen Sprache nicht mächtig[e]" – antragstellende Partei über den Inhalt der Entscheidung sowie die gegebenen rechtlichen Möglichkeiten zu informieren. Der Rechtsvertreter hat demnach nicht versucht, zumutbare Handlungen zu setzen (idS. zB VwGH 25.3.2010, 2009/21/0176). Diese Unterlassungen können aber nicht als bloß geringfügiger Fehler gewertet werden, die gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen passieren können, und sie sind einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten.
Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon aus diesem Grund nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.
4. Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.
5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2015:E21.2015Zuletzt aktualisiert am
18.03.2015