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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
FremdenpolizeiG §46a Abs1a, Abs2Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Zurückweisung des Antrags auf Feststellung der DuldungSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer stellte am 20. April 2012 einen Antrag auf Feststellung des Status eines Geduldeten im Sinne des §46a FPG. Da die Behörde erster Instanz binnen der sechswöchigen Frist gemäß §73 Abs1 AVG über den Antrag nicht entschieden hat, erwies sich der vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2012 gestellte Devolutionsantrag als zulässig.
2. Auf Grund des Devolutionsantrags des Beschwerdeführers erließ die Sicherheitsdirektion Wien am 28. November 2012 einen Bescheid, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 20. April 2012 auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Unmöglichkeit seiner Abschiebung (auf Feststellung des Status eines Geduldeten) gemäß §46a Abs1a FPG als unzulässig zurückgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag auf Feststellung des Status eines Geduldeten im Sinne des §46a FPG mangels Parteistellung zurückzuweisen war, da das Gesetz keinen Rechtsanspruch auf eine diesbezügliche Antragstellung vorsehe.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG, im Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK, im Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK sowie eine Verletzung des Verbots der Benachteiligung gemäß Art14 EMRK behauptet werden.
1. Mit Verfügung vom 28. März 2014 teilte die belangte Behörde mit, dass sich der Verwaltungsakt beim Verwaltungsgerichtshof befinden würde. Sie sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
4. Mit Beschluss vom 23. Juni 2014 leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §46a Abs1a des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG), BGBl I 100 idF BGBl I 38/2011, ein.
5. Mit Erkenntnis vom 9. Dezember 2014, G160-162/2014, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass §46a Abs1a FPG, BGBl I 100 idF BGBl I 38/2011, nicht verfassungswidrig war.
II. Rechtslage
1. §46a FPG in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl I 38/2011 lautete:
"Duldung
§46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist geduldet, solange deren Abschiebung gemäß
1. §§50 und 51 oder
2. §§8 Abs3a und 9 Abs2 AsylG 2005 unzulässig ist.
(1a) Darüber hinaus ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet, wenn die Behörde von Amts wegen feststellt, dass die Abschiebung des Betroffenen aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist, es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt. Diese Duldung kann von der Behörde mit Auflagen verbunden werden, sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden von der Behörde mit Verfahrensanordnung (§63 Abs2 AVG) mitzuteilen. §56 gilt sinngemäß.
(1b) Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen jedenfalls vor, wenn er
1. seine Identität verschleiert,
2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder
3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
(2) Die Behörde hat Fremden, deren Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet ist, eine Karte für Geduldete auszustellen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren nach diesem Bundesgesetz oder nach Abschluss eines Verfahrens nach dem AsylG 2005 und hat insbesondere die Bezeichnungen 'Republik Österreich' und 'Karte für Geduldete', weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.
(3) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Gültigkeit der Karte für Geduldete gemäß Abs1a endet mit dem Ende der Duldung. Die Karte ist zu entziehen, wenn
1. deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;
2. eine Duldung im Sinne des Abs1 nicht oder nicht mehr vorliegt;
3. das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder
4. andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.
Der Fremde hat die Karte unverzüglich der Behörde vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und die Behörde ermächtigt, die Karte abzunehmen. Abgenommene Karten sind unverzüglich der Behörde vorzulegen, in deren örtlichen Wirkungsbereich das Organ eingeschritten ist. Diese hat die Karte an die zuständige Behörde weiterzuleiten."
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.
2. Hinsichtlich der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschrift des §46a Abs1a FPG, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 38/2011, wurde zu G160-162/2014 ein Gesetzesprüfungsverfahren durchgeführt und festgestellt, dass diese Bestimmung nicht verfassungswidrig war.
3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
4. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
5. Keiner dieser Mängel liegt hier jedoch vor:
1.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. Dezember 2014, G160-162/2014, ausgesprochen hat, kommt einem Fremden ein Antragsrecht auf Ausstellung einer Karte für Geduldete iSv §46a Abs2 FPG zu. Wird ein solcher Antrag gestellt, hat die Behörde das Vorliegen der Duldung gemäß §46a Abs1a FPG zu prüfen, die ex lege eintritt, sobald die Voraussetzungen dafür vorliegen. Ist keine Duldung eingetreten, so hat die Behörde den Antrag auf Ausstellung der Karte mit Bescheid abzuweisen. Ein solcher Bescheid ist im Rechtsmittelweg auch dahin zu überprüfen, ob die Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für eine Duldung gemäß §46a Abs1a FPG, also die Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen, nicht vorlagen.
1.2. Bei diesem Verständnis des §46a Abs2 FPG gebietet es das Rechtsstaatsprinzip nicht, §46a Abs1a FPG so zu interpretieren, dass dem Fremden auch ein Antragsrecht auf Feststellung der Duldung zukommt, um einen Weg zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sicherzustellen. Einen solchen sieht das Gesetz nämlich mit dem Antragsrecht auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vor. Es ist der Behörde daher kein willkürliches Verhalten vorzuwerfen, wenn sie davon ausging, dass dem Beschwerdeführer ein solches Antragsrecht auf Feststellung der Duldung nicht zukommt.
IV. Ergebnis
1. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat nicht stattgefunden.
6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlage ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde. Die Beschwerde ist daher abzuweisen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abzutreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Fremdenpolizei, DuldungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2015:B77.2013Zuletzt aktualisiert am
20.03.2015