TE Vfgh Erkenntnis 2015/3/3 G181/2014 ua

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Veröffentlicht am 03.03.2015
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Index

L0015 LVerwaltungsgericht

Norm

B-VG Art135 Abs1, Art135a Abs1
Wr VerwaltungsgerichtsG (Gesetz über das Verwaltungsgericht Wien - VGWG) §26 Z6
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
VwGVG §54

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien betreffend die den Landesrechtspflegerinnen und -rechtspflegern übertragenen Aufgaben in Verwaltungsstrafsachen mangels wesensmäßiger Eignung dieser Arten von Geschäften zur Besorgung durch Rechtspfleger

Spruch

I. §26 Z6 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien – VGWG, LGBl für Wien Nr 83/2012, idF LGBl für Wien Nr 45/2013, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2015 in Kraft.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Der Landeshauptmann von Wien ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Wien verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Anträge

Beim Verfassungsgerichtshof sind sieben auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützte Anträge des Verwaltungsgerichtes Wien anhängig, §26 Z6 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien (VGWG), LGBl 83/2012, idF LGBl 45/2013, als verfassungswidrig aufzuheben.

II.      Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):

1.       §§4 und 26 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien (VGWG), LGBl 83/2012, idF LGBl 45/2013, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Landesrechtspflegerinnen und -rechtspfleger

§4. (1-3) […]

(4) Die Landesrechtspflegerinnen und -rechtspfleger sind bei der Besorgung ihrer Geschäfte nur an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Mitgliedes des Verwaltungsgerichtes Wien gebunden.

(5) Das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied des Verwaltungsgerichtes Wien kann jederzeit die Erledigung einzelner Geschäftsstücke sich vorbehalten oder an sich ziehen. Eine solche Maßnahme ist im Akt zu vermerken.

(6) Die Landesrechtspflegerin bzw. der Landesrechtspfleger ist verpflichtet, dem Mitglied des Verwaltungsgerichtes Wien ein Geschäftsstück vorzulegen, wenn es die Schwierigkeit oder Wichtigkeit der Sache erfordert."

"Arbeitsgebiete

§26. Den Landesrechtspflegerinnen und -rechtspflegern obliegt die eigenständige Führung und Erledigung der Verfahren über Beschwerden in den folgenden, in Arbeitsgebieten zusammengefassten Angelegenheiten, sofern die Angelegenheit dem Mitglied, dem die Landesrechtspflegerin bzw. der Landesrechtspfleger zugeordnet ist, als Einzelrichterin bzw. Einzelrichter zugewiesen ist:

[…]

6. Verwaltungsstrafen:

Geldstrafen in jenen Fällen, in denen die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis höchstens 1.500 Euro bedroht ist."

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Den Anträgen liegen Verfahren über Vorstellungen gemäß §54 VwGVG gegen durch Rechtspfleger erlassene Erkenntnisse beim jeweils zuständigen Richter des antragstellenden Verwaltungsgerichtes im Rahmen von Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 zugrunde.

2.       Die Bedenken, die das antragstellende Gericht zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, legt es – in allen Anträgen nahezu wortgleich – im Wesentlichen wie folgt dar (Zitat aus dem zu G181/2014 protokollierten Antrag):

"[…]1. Widerspruch zu Art135a Abs1 B-VG

Gem. Art135a Abs1 B-VG kann im Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes die Besorgung einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bediensteten übertragen werden. […]

Art135a B-VG entspricht im Wesentlichen der für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Grundzügen seit dem Jahr 1962 (B-VG Novelle BGBl Nr 162/1962) geltenden Rechtslage des Art87a B-VG, der die Rechtsgrundlage für das (Bundes-)Rechtspflegergesetz bildet.

Die Gesetzesmaterialien zu Art87a B-VG (ErlRV 655 BlgNR 9. GP, 3) erläutern diese Bestimmung wie folgt:

'[D]ie Besorgung von Geschäften der Gerichtsbarkeit durch nicht-richterliche Organe [stellt] nur einen Ausnahmefall [dar], woraus sich der [...] zwingende Umkehrschluß ergibt, daß die Besorgung der Geschäfte der Gerichtsbarkeit durch Richter als Grundsatz zu gelten hat. [...] Die Wendung 'einzelne, genau zu bezeichnende Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit' soll klarstellen, daß die Übertragung von Geschäften der Gerichtsbarkeit [...] an Rechtspfleger[...] einen Ausnahmefall gegenüber der Tätigkeit des Richters darstellt. Durch die Wahl der Worte 'A r t e n von Geschäften' wird ferner zum Ausdruck gebracht, daß sowohl bestimmte Verfahren zur Gänze [...] als auch gewisse Akte innerhalb vom Richter durchzuführender Verfahren den Rechtspflegern übertragen werden dürfen. Welche Verfahren und Akte dies im einzelnen sein sollen, wird der Bundesgesetzgeber zu bestimmen haben. Es kann wohl davon ausgegangen werden, daß der Bundesgesetzgeber den Rechtspflegern nur jene Geschäfte übertragen wird, die sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen.'

Die Wendung 'einzelne, genau zu bezeichnende Arten von Geschäften' gemäß Art135a B-VG idF BGBl I 51/2012 ist im selben Sinne zu verstehen wie jene gemäß Art87a B-VG. Art135a B-VG idF BGBl I 51/2012 ermächtigt sohin auch dazu, Rechtspflegern – im Rahmen ihrer besonderen Ausbildung – bestimmte Verfahren zur Gänze zu übertragen, sofern sie sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen (VfGH 10.12.2013, G46/2013).

Das antragstellende Gericht bezweifelt jedoch, dass sämtliche Verwaltungsstrafen bis € 1.500,– ihrem Wesen nach für die Übertragung auf Rechtspfleger geeignet sind; der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis G46/2013 mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen (§62 Abs1 VfGG) nicht mit dieser Frage befassen müssen:

Aus der Wortfolge 'einzelne, genau zu bezeichnende Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit' folgt zunächst, dass die Tätigkeit des Richters den Regelfall und jene des Rechtspflegers die Ausnahme darstellt (vgl. Erl zur RV 655 9. GP, 3; Kolonovits, Die neuen Rechtspfleger bei den Verwaltungsgerichten erster Instanz (Art135a B-VG) im Lichte des Art6 EMRK in Jabloner/Kolonovits/Kucsko-Stadlmayer/Laurer/Mayer/Thienel/Zeleny (Hrsg.), GS Walter, 2013, 323). Allein im Bereich der StVO wird dieses Verhältnis nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes jedoch bereits umgedreht: Ein Großteil der StVO-Verfahren betrifft die Strafdrohung des §99 Abs3 lita, sodass die angefochtene Bestimmung in diesem Bereich für eine unmittelbare richterliche Zuständigkeit kaum mehr Raum lässt.

Zweck des Art87a B-VG bzw. Art135a B-VG ist weiters die Entlastung des Richters, um sich der richterlichen Entscheidungsfindung widmen zu können (ErläutRV 655 BlgNR 9. GP 3).

Rechtsprechung ieS umfasst nach der Lehre die autoritative Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Parteien (Fasching (Hrsg.), Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen I, 2. Auflage (2000), RZ 55) bzw. die richterliche Sachentscheidung unter Einschluss der Sachverhaltsermittlung und -feststellung (vgl. Köllensperger, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erweiterung des Rechtspflegerwirkungskreises, NZ 2013/123, 296).

Rechtspfleger sind weiters keine Richter und daher auch bereits auf Grund ihrer Weisungsgebundenheit gegenüber dem jeweils zuständigen Mitglied des Verwaltungsgerichtes (vgl. Art135a Abs3 B-VG idF BGBl I 51/2012) keine 'Tribunale' iSd Art6 EMRK (VfGH 10.12.2013, G46/2013; ebenso Kolonovits, aaO, 329 ff).

Die genuin dem Richter vorbehaltene Tätigkeit beinhaltet nach Ansicht des erkennenden Gerichtes demzufolge die Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes sowie dessen Feststellung unter Einschluss der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhaltes. Diese Tätigkeit stellt geradezu den Kern der richterlichen Aufgabenbewältigung dar. Der Rechtspfleger soll bei dieser Funktion unterstützen bzw. Aufgaben, die nicht diesem Kernbereich zuzuordnen sind, übernehmen. Ein Blick in das Rechtspflegergesetz, BGBl Nr 560/1985 idF BGBl I Nr 15/2013 zeigt, dass den Rechtspflegern i[m] Bundesbereich einfachere, gleichförmige und weitgehend unstrittige Verfahren zugewiesen sind, die jeweils ein sachlich eng begrenztes Rechtsgebiet betreffen.

Die Zuweisung aller Verwaltungsstrafverfahren bis € 1.500,-- Geldstrafe bewirkt jedoch die Verlagerung eines Kernbereiches der richterlichen Entscheidungsbefugnis auf den Rechtspfleger: Die Entscheidung über die Strafbefugnis des Staates, mithin die Prüfung, ob die Tatbestandsmerkmale der angelasteten Straftat erfüllt sind, die Prüfung des Vorliegens von Strafaufhebungsgründen, die Prüfung des Verschuldens sowie die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe gem. §16 VStG, die einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit bedeutet, gehören allesamt zum genuinen Bereich der Rechtsprechung ieS und zählen somit zu den Richtervorbehaltssachen. Zwar erlaubt Art87 Abs2 B-VG seit der Novelle BGBl I Nr 47/2009 den Einsatz von Rechtspflegern auch in Strafrechtssachen. Nach den Erwägungen in den Materialien (IA 516/A GP XXIV) war jedoch daran gedacht, den Rechtspflegern Entscheidungsbefugnisse in 'Kostenbestimmungen' zu übertragen. Für die Ansicht, dass der Verfassungsgesetzgeber es für zulässig erachtet hätte, die Entscheidung über die Verhängung einer Strafe an Rechtspfleger delegieren zu dürfen, findet sich kein Anhaltspunkt. Verwaltungsstrafverfahren sind keineswegs allesamt gleichförmig oder einfach gestaltet, sondern bereits ihrem Wesen nach strittige Verfahren, bei denen der Sachverhaltsermittlung und der Würdigung der aufgenommenen Beweise größtes Gewicht zukommt (vgl. Kolonovits, aaO, 337, wonach für die Übertragung nur 'einfache oder stark formalisierte Verfahren' sowie Geschäfte, die 'keinen hohen Schwierigkeitsgrad aufweisen, in Betracht kommen').

Nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes greift der Wr. Landesgesetzgeber durch die Zuweisung der Entscheidung in Verwaltungsstrafsachen an die Rechtspfleger somit in die den Richtern vorbehaltenen Materien ein. Die Entscheidung über Beschwerden in Verwaltungsstrafverfahren ist ihrem Wesen nach nicht für die Erledigung durch Rechtspfleger geeignet und widerspricht somit Art135a Abs1 B-VG.

Dabei ist […]vor dem Hintergrund des Art6 EMRK auch zu beachten, dass die richterlichen Garantien der Unabhängigkeit, Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit den Rechtspflegern gerade nicht zukommen; auch ihr Ausbildungsstand ist ein anderer als der der Richter (vgl. Art134 Abs2 B-VG bzw. §4 VGWG). Während jedoch die Ausbildung nach dem (Bundes-)Rechtspflegergesetz 1985 zumindest drei Jahre dauert (§25 Abs2 RpflG), bestimmt §17 Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz – VGW-DRG, LGBl für Wien Nr 84/2012 idF LGBl für Wien Nr 13/2014, dass die Ausbildung lediglich ein Jahr beträgt; für die derzeit tätigen Landesrechtspfleger gab es eine Übergangsbestimmung in §23 VGW-DRG im Hinblick auf die praktische Tätigkeit. Der theoretische Grundlehrgang der derzeit tätigen Rechtspfleger hat 13 Tage betragen, die Fachausbildung für VStG 4 x 4 Stunden; Materiengesetze zu §26 Z6 VGWG wurden gar nicht geschult und auch nicht geprüft. Dienstprüfungsstoff waren das VStG sowie die §§23 und 24 StVO.

[…]2. Widerspruch zu Art7 B-VG

Weiters widerspricht die Zuweisung der Verwaltungsstrafverfahren bis € 1.500,-- dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot der Bundesverfassung (Art7 B-VG). Dem antragstellenden Gericht ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen diese Wertgrenze bei der Abgrenzung von Strafverfahren irgendeine Bedeutung zukommen könnte: Zwar ist der vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachte Unrechtsgehalt aufgrund der niedrigeren Strafdrohung geringer, dass die durchzuführenden Verfahren aus diesem Grund jedoch 'einfacher' wären oder in weitgehend gleichbleibenden Grundstrukturen ablaufen würden, ist nicht erkennbar.

[…]

Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg 14.039/1995 ausgesprochen, dass eine um Rechtsschutz angerufene Behörde nicht nur in angemessener Zeit Rechtsschutz gewähren muss, sondern dass dem Rechtsschutzsuchenden auch die Anrufung der Behörde nicht unnötig erschwert werden darf. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Gesetzgeber den Rechtsschutzsuchenden mit weitreichenden, durch die Rechtssache nicht gebotenen Vorkehrungen als Voraussetzung für das Herantreten an die Behörde belastet oder wenn er ihm mehrere Belastungen auferlegt, die zwar einzeln betrachtet durchaus dem Zweck des späteren Verfahrens dienen (oder sogar dazu führen, dieses zu vermeiden), aber in ihrem Zusammenwirken den Weg zur alsbaldigen behördlichen Entscheidung mühsam machen und unnötig verlängern. Eine Regelung dieser Art ist – vom Blickpunkt des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebotes her betrachtet – deshalb verfassungswidrig, weil sie dem Sachlichkeitsgebot […] widerstreitet.

Im vorliegenden Fall führt die Vorschaltung der Rechtspflegerzuständigkeit in Verwaltungsstrafverfahren zu solch einer weitreichenden Belastung: In der Regel werden hier nämlich strittige Verfahren behandelt, die nach der Entscheidung durch den Rechtspfleger sowohl von der belangten Behörde als auch vom Rechtsschutzsuchenden mittels Vorstellung gem. §54 VwGVG angefochten werden können. Dem Beschwerdeführer, seinem Rechtsvertreter sowie allfälligen Zeugen wird daher die Verpflichtung auferlegt, aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzipes zweimal zu Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht Wien zu erscheinen. Eine solche Regelung verstößt nach Ansicht des antragstellenden Gerichts gegen Art7 B-VG.

[…]3. Widerspruch zu Art6 EMRK

Das antragstellende Gericht hegt außerdem das Bedenken, dass durch die Vorschaltung der Rechtspfleger das Recht auf Zugang zu einem Gericht in unzulässiger Weise beschränkt wird:

Nach der Rechtsprechung des VfGH und EGMR ist es zulässig, in Verwaltungsstrafverfahren Verwaltungsbehörden zur Vollziehung vorzuschalten (EGMR Baischer, 20.3.2002, Nr 32.381, VfSlg 16.624/2002; 19.425/2011 mwN). Demgemäß begegnet die Vorschaltung etwa des Magistrates der Stadt Wien vor der Entscheidungsfindung durch ein Tribunal iSd. Art6 EMRK auch keinen Bedenken. Das antragstellende Gericht ist jedoch der Meinung, dass eine nochmalige Vorschaltung eines 'Nichttribunales' diesen Erfordernissen nicht genügt. Damit der Rechtsschutzsuchende zu einem Tribunal gelangt, ist von ihm vielmehr erneut ein (fristgebundenes) Rechtsmittel zu ergreifen (nämlich die Vorstellung gem. §54 VwGVG). Die zweimalige Vorschaltung von Entscheidungsträgern, die nicht den Erfordernissen des Art6 EMRK entsprechen, stellt nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes eine solche unzulässige Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht dar: Es führt zu einer Verfahrensverzögerung, widerspricht dem Grundsatz der Effizienz (Durchführung zweier Verhandlungen unter Ladung aller beantragten Zeugen) und führt zu keiner Entlastung im Gerichtsbetrieb (vgl. zu den Voraussetzungen für den Rechtspflegereinsatz Kolonovits, aaO, 331 ff).

Erlässt der Magistrat eine Beschwerdevorentscheidung, muss der Rechtsschutzsuchende sogar drei fristgebundene Rechtsmittel ergreifen, ehe eine richterliche Prüfung und Entscheidung möglich ist."

3.       Die Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der den in den Anträgen erhobenen Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:

"1. Zum behaupteten Widerspruch mit Art135a Abs1 B-VG:

[…]

Hiezu ist zu bemerken, dass die Einrichtung der Rechtspfleger im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich gedeckt ist. Gemäß Art135a Abs1 B-VG kann im Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes die Besorgung einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bediensteten übertragen werden. Diese Bestimmung überträgt in Verbindung mit Art136 Abs1 B-VG dem Landesgesetzgeber die Befugnis, einzelne genau zu bezeichnende Arten von Geschäften festzulegen.

Die Wendung 'einzelne[,] genau[…] zu bezeichnende Arten von Geschäften' kann anhand der Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Art87a Abs1 B-VG ausgelegt werden. […]

[…]

Die Entscheidung, welche Geschäfte den Rechtspflegern übertragen werden dürfen, liegt somit im Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers. Den Großteil der Entscheidungen, jedenfalls aber jene Aufgaben, die auf Grund ihres Inhaltes nur von Richtern entschieden werden können, hat er diesen zur Entscheidung zu übertragen. Eine gewisse Anzahl von Aufgaben, jedenfalls eine solche, wo das Verhältnis Regel-Ausnahme zwischen Richtern und Rechtspflegern gewahrt wird, darf der Gesetzgeber den Rechtspflegern übertragen. Die Einschränkung, dass den Rechtspflegern nur jene Geschäfte übertragen werden dürfen, die sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen, kann nur so verstanden werden, dass der einfache Gesetzgeber darauf zu achten hat, dass die Rechtspfleger eben keine Richter, sondern 'besonders ausgebildete nichtrichterliche Bedienstete' sind (Art135a Abs1 B-VG). Der einfache Gesetzgeber darf ihnen daher grundsätzlich nur solche Aufgaben übertragen, die einen ihrer Ausbildung und Erfahrung sachlich angemessenen Schwierigkeitsgrad – somit einen geringeren Schwierigkeitsgrad als die Aufgaben der Richter – aufweisen.

Der Wiener Landesgesetzgeber hat diese Vorgabe mit §26 Z6 VGWG zur Gänze erfüllt. […] Die in §26 VGWG vorgenommene Aufgabenzuweisung auf die Rechtspfleger wahrt das oben angeführte 'Regel-Ausnahme-Verhältnis'.

Dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Besorgung gerichtlicher Aufgaben im Übrigen nicht punktuell, sondern gesamtheitlich zu sehen ist, zeigt die Betrachtung der Situation bei den ordentlichen Gerichten: In einer Darstellung des rechtspflegerischen Berufsbildes in der offiziellen Zeitschrift des Bundesministeriums für Inneres 'öffentliche Sicherheit' (Ausgabe 5/6-2006) wird festgestellt, dass von sämtlichen bei Bezirksgerichten anhängigen Rechtssachen 19 % von Richtern und 81 % von Rechtspflegern bearbeitet werden.

Auch eine Beurteilung anhand des tatsächlichen Arbeitsanfalls bei den bisherigen Mitgliedern des unabhängigen Verwaltungssenates Wien in den Jahren 2009 bis 2012 ergibt kein anderes Bild. Nimmt man an, dass §26 VGWG bereits in diesem Zeitraum in Geltung gestanden wäre und bezieht man die seinerzeitige Arbeitsbelastung des Amtes der Wiener Landesregierung in Rechtsmittelangelegenheiten einschließlich der Sonderbehörden Wiens mit ein, ergibt sich ein durchschnittlicher Arbeitsanfall von ca. 22.000 Geschäftsfällen pro Jahr. Von diesen würden ca. 5000 Fälle von Rechtspflegern erledigt. Für die Richter verbleiben daher ca. 17.000 Fälle.

Dass sich der Wiener Landesgesetzgeber, was den Schwierigkeitsgrad betrifft, der mit der Besorgung von Verwaltungsstrafsachen verbunden ist, innerhalb seines Gestaltungsspielraumes gehalten hat, zeigt außerdem folgender Vergleich mit den Aufgaben der Rechtspfleger nach dem Rechtspflegergesetz des Bundes, BGBl Nr 560/1985 – RpflG. Gemäß §17 Abs2 RpflG entscheiden Rechtspfleger unabhängig von der Höhe einer Geldforderung über die Exekution zu ihrer Hereinbringung, und zwar durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung und durch Exekution auf das bewegliche Vermögen, jeweils nach näher genannten Bestimmungen der Exekutionsordnung. Nach §17a Abs1 RpflG entscheiden die Rechtspfleger ferner über die Geschäfte in Konkurssachen vor dem Bezirksgericht. Dazu gehören Konkursverfahren mit Aktiven bis EUR 50.000,-- (Umkehrschluss aus §17a Abs2 Z1 RpflG, der Verfahren mit Aktiven über EUR 50.000,-- dem Richter vorbehält). Gleiches gilt gemäß §18 Abs1 RpflG in Bezug auf den Wirkungsbereich der Rechtspfleger in Verlassenschaftssachen. Hier beträgt die Wertgrenze sogar EUR 150.000,--. Ferner obliegen den Rechtspflegern gemäß §19 Abs1 Z1 RpflG die Geschäfte in Pflegschaftsangelegenheiten.

Im hier wesentlichen Zusammenhang ist außerdem noch auf die Aufgaben der Rechtspfleger in Sachen des Firmenbuches gemäß §22 RpflG hinzuweisen. Zu diesen Aufgaben zählt unter anderem die Verhängung von Zwangsstrafen gemäß §24 Abs1 des Firmenbuchgesetzes in der Höhe von bis zu EUR 3.600,–. Gemäß §24 Abs4 leg.cit. kann das Gericht überdies anstelle der Androhung einer Zwangsstrafe gemäß Abs3 dieser Bestimmung mit Zwangsstrafverfügung i[m] Bereich des für den Pflichtverstoß vorgesehenen Strafrahmens vorgehen, wenn der Pflichtverstoß anhand der Umstände naheliegt. Der Rechtspfleger kann in diesem Zusammenhang, wenn die Voraussetzungen vorliegen (z. B. um eine Rechnungslegung zu erzwingen), Beugestrafen bis zur Höhe von EUR 3.600,– verhängen. Dies ist nach Auskunft des Handelsgerichtes Wien in Firmenbuchsachen sämtlicher Gesellschaften möglich, auch jener Gesellschaften, welche über ausländische Zweigniederlassungen verfügen.

Aus dieser beispielhaften Aufzählung ergibt sich zum einen, dass der Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers sehr wohl die Befugnis umfasst, den Rechtspflegern die Besorgung von Angelegenheiten zu übertragen, in denen sich in Einzelfällen möglicherweise komplexe Rechtsprobleme stellen. Weder das Rechtspflegergesetz noch die Exekutionsordnung, noch die Insolvenzordnung oder das Außerstreitgesetz enthalten Ausnahmebestimmungen, die aus den oben beispielhaft angeführten, durchwegs fachlich anspruchsvollen Aufgaben komplexe Rechtssachen aus dem Zuständigkeitsbereich der Rechtspfleger ausnehmen. Zum anderen ergibt sich daraus aber auch, dass der einfache Gesetzgeber den Rechtspflegern nicht nur Angelegenheiten mit niedrigen Streitwerten oder Angelegenheiten übertragen hat, die nur geringfügige Folgen nach sich ziehen. Wenn auch Zwangsstrafen keine Strafen im Sinn des Strafrechtes sind, sondern Beugemittel, so zeigen doch gerade die genannten Aufgaben nach dem Firmenbuchgesetz, dass die vom Wiener Landesgesetzgeber gewählte Grenze von EUR 1.500,– in sachlicher Hinsicht unbedenklich ist.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass es sich bei der – abstrakten – Aufgabenzuweisung an Rechtspfleger notwendigerweise immer um eine Durchschnittsbetrachtung handeln muss, bei der auf den Regelfall abgestellt wird. Dass dies auch bedingt, dass davon auch in Schwierigkeit und Komplexität vom Regelfall abweichende Geschäftsfälle betroffen sind, liegt auf der Hand und kann die Aufgabenzuteilung per se noch nicht unzulässig machen. Wesentlich ist viel mehr, ob das Gesetz Lösungen vorsieht, wie in derartigen Fällen vorzugehen ist. Dies ist im gegebenen Zusammenhang aber der Fall: Zunächst hält bereits das B-VG hierfür eine Regelung bereit. Art135a Abs2 B-VG sieht nämlich vor, dass das nach der Geschäftsverteilung zuständige (richterliche) Mitglied des Verwaltungsgerichtes jederzeit die Erledigung von den den Rechtspflegern zugewiesenen Geschäften an sich ziehen kann.

Diese Bestimmung, die in §4 Abs5 VGWG wiederholend aufgenommen wurde, wird durch Abs6 des §4 VGWG noch dahingehend ergänzt, dass der Landesrechtspfleger bzw. die Landesrechtspflegerin verpflichtet ist, dem Mitglied des Verwaltungsgerichtes Wien ein Geschäftsstück vorzulegen, wenn es die Schwierigkeit oder Wichtigkeit der Sache erfordert.

Mit diesem System ist daher gewährleistet, dass einerseits die – einfacheren – Regelfälle den Rechtspflegern zufallen, andererseits aber die aus der Durchschnittsbetrachtung herausfallenden – schwierigen – Fälle dem Richter zugeordnet werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Bundesverfassung entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes Wien den Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers zur Übertragung von Aufgaben an die Rechtspfleger nicht eng begrenzt hat. Der Vorwurf, der einfache Gesetzgeber hätte unter dem Aspekt der Wendung 'genau zu bezeichnende Arten von Geschäften' in Art135a Abs1 B-VG von seinem Gestaltungsspielraum nicht den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen entsprechend Gebrauch gemacht, erweist sich daher als unzutreffend.

Zur Ausbildung der derzeit bestellten Rechtspfleger ist zu bemerken, dass diese unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen bestmöglich erfolgt ist. Vorauszuschicken ist, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber den Ländern für die Einrichtung der Verwaltungsgerichte nur etwas mehr als eineinhalb Jahre Zeit zur Verfügung gestellt hat (die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde am 5. Juni 2012 kundgemacht; Art135a B-VG trat gemäß Art151 Abs51 Z6 B-VG am 1. Jänner 2014 in Kraft). Ferner hat der Bundesverfassungsgesetzgeber als Grundlage für die Tätigkeit der Rechtspfleger in Art135a Abs1 B-VG die Erlassung organisationsrechtlicher sowie – auf Basis der Grundlage von Art21 Abs1 B-VG – die Erlassung dienstrechtlicher Regelungen vorgesehen.

Die Ausbildung der Landesrechtspfleger setzte daher voraus, dass diese notwendigen gesetzlichen Grundlagen – im hier wesentlichen Zusammenhang das Gesetz über das Verwaltungsgericht Wien sowie das Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz – zumindest kundgemacht wurden (die Kundmachung dieser beiden Gesetze erfolgte am 31. Dezember 2012 – vgl. LGBl Nr 83 und 84/2012). Der Bundesverfassungsgesetzgeber hat daher für die Ausbildung der Rechtspfleger der Verwaltungsgerichte einen geringeren Zeitraum zugelassen als jenen, den das Rechtspflegergesetz des Bundes vorsieht.

Die Ausbildung zum Landesrechtspfleger umfasst gemäß §17 Abs1 VGW-DRG die praktische Ausbildung im Verwaltungsgericht, die Teilnahme am Grundlehrgang sowie am Lehrgang für das angestrebte Arbeitsgebiet (Arbeitsgebietslehrgang) und die erfolgreiche Ablegung der Prüfung über die Stoffgebiete des Grundlehrgangs sowie die Prüfung über das Arbeitsgebiet. Für Bedienstete, welche die Ausbildung zum Rechtspfleger vor dem 1. Jänner 2014 begonnen haben, gelten gemäß §23 VGW-DRG die Vorschriften über die praktische Ausbildung mit der Maßgabe, dass bestimmte praktische Tätigkeiten auf die erforderlichen Praxiszeiten angerechnet wurden. Insbesondere wurde die Tätigkeit als Geschäftsabteilungsleiter des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (UVS Wien) auf die praktische Ausbildung angerechnet.

Zur erstmaligen Bestellung der Rechtspfleger ist ferner zu bemerken, dass die Wiener Landesregierung – sie bestellt die Rechtspfleger gemäß §4 Abs1 VGWG – mit der Situation konfrontiert war, dass sich fast alle Geschäftsabteilungsleiter des UVS Wien als Rechtspfleger beworben haben. Diese Bewerber verfügten alle ausnahmslos über langjährige Erfahrungen bei einer Rechtsmittelbehörde. Ferner wurde bei der Auswahl der Kandidaten darauf geachtet, dass Bewerber in die Ausbildung aufgenommen wurden, die langjährige Erfahrungen in behördlichen Verfahren beim Magistrat der Stadt Wien aufweisen. In den ersten neun Monaten der praktischen Tätigkeit der Rechtspfleger beim Verwaltungsgericht Wien haben sich im Kontakt mit dem Verwaltungsgericht keinerlei Informationen ergeben, dass die Ausbildung der Rechtspfleger negative Auswirkungen auf die Erledigung der Aufgaben der Rechtspfleger hätte. Im Gegenteil – nach den dem Verwaltungsgericht Wien zum Stichtag 30. September 2014 vorliegenden Zahlen ergibt sich folgendes Bild: Nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtes Wien für das Jahr 2014 entfielen auf die Rechtspfleger bis zum genannten Stichtag 3.118 Fälle. Hievon sind 1.798 Fälle bereits abgeschlossen. In 977 Fällen wurde für den Beschwerdeführer negativ entschieden. In nur 239 von diesen Fällen wurde eine Vorstellung erhoben. In nur einem dieser Fälle entschied der Richter anders als der Rechtspfleger. Die Rechtspfleger wurden daher offenkundig sehr wohl in einer Weise ausgebildet, die sie in die Lage versetzt, ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen.

Zum Vorwurf, den Rechtspflegern würden vor dem Hintergrund des Art6 EMRK die richterlichen Garantien nicht zukommen und ihr Ausbildungsstand sei ein anderer als jener der Richter, ist zu bemerken, dass das Verwaltungsgericht Wien dieses Bedenken in rechtlicher Hinsicht nicht näher ausgeführt hat. Der Wiener Landesregierung ist es daher nicht möglich, darauf näher einzugehen. Sollte damit aber gemeint sein, dass die Rechtspfleger kein unabhängiges Tribunal seien und ihre Tätigkeit daher gegen Art6 EMRK verstoße, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

Rechtspfleger sind nach Art135a Abs1 B-VG besonders ausgebildete nichtrichterliche Bedienstete. Sie sind keine Mitglieder im Sinn von Art134 Abs1 B-VG (das sind nach dieser Bestimmung nur der Präsident, der Vizepräsident und die erforderliche Zahl sonstiger Mitglieder) und daher auch keine Richter (Art134 Abs7 erster Satz B-VG: nur Mitglieder sind Richter). Sie sind darüber hinaus gemäß Art135a Abs3 B-VG weisungsgebunden und deshalb nicht unabhängig. Auf Grund dieser Rechtsstellung sind Rechtspfleger keine Tribunale im Sinn des Art6 EMRK. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Übertragung von Angelegenheiten im Aufgabenbereich des Art6 EMRK automatisch als Verletzung dieser Bestimmung zu bewerten ist. Denn nach der Judikatur des EGMR (EGMR 23. Juni 1981, Nr 6878/75, Le Compte gegen Belgien) verpflichtet Art6 Abs1 EMRK die Mitgliedsstaaten nicht dazu, die Streitigkeiten einem Verfahren zu unterstellen, das in jeder Phase vor einem Tribunal geführt wird. Dem Verfahren vor Gericht kann daher ein besonderes Verfahren vorgeschaltet werden, das dem Art6 EMRK nicht entspricht. Diese Judikatur des EGMR bezieht sich sowohl auf zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen (Fall Le Compte gegen Belgien)[…] als auch auf strafrechtliche Bagatelldelikte (wozu Verwaltungsstrafsachen zählen: EGMR 21. Februar 1984, Nr 8544/79, Öztürk gegen Deutschland, EGMR 29. April 1988, Nr 10328/83, Belilos gegen Schweiz). Die Übertragung von Geschäften, die zivilrechtliche Angelegenheiten bzw. strafrechtliche Anklagen im Sinn von Bagatelldelikten (Verwaltungsstrafsachen) zum Inhalt haben, an Organe, die nicht alle Garantien des Art6 EMRK erfüllen, ist nach der Judikatur des EGMR aber nur zulässig, wenn ein Rechtszug an ein Tribunal mit voller Kognitionsbefugnis eröffnet wird (EGMR 20. Dezember 2001, Baischer gegen Österreich, Nr 32381/96).

Auch nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist für den Kernbereich der zivilrechtlichen Angelegenheiten und für die Entscheidungen über strafrechtliche Anklagen der Rechtszug zu einem Tribunal erforderlich. Nach der Entscheidung VfSlg 19.425/2011 reicht im Kernbereich der civil rights auch eine nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof aus, sofern dieser die ihm in gewissem Umfang eingeräumte Möglichkeit zur Sachverhaltskontrolle in verfassungs- und konventionskonformer Weise wahrnimmt.

Gemäß §54 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG (Art1 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013, BGBl I Nr 33/2013) kann gegen Erkenntnisse und Beschlüsse des Rechtspflegers eine Vorstellung an das zuständige Mitglied des Verwaltungsgerichtes erhoben werden. Diesem Mitglied kommt als Richter (Art134 Abs7 erster Satz B-VG) unzweifelhaft Tribunalqualität zu. Die Übertragung der Entscheidung über civil rights sowie über die Verhängung von Geldstrafen wegen Verwaltungsübertretungen an Rechtspfleger stellt daher keine Verletzung von Art6 EMRK dar.

2. Zum behaupteten Widerspruch mit Art7 B-VG:

[…]

Zum erstgenannten Einwand ist zu bemerken, dass die Festlegung einer Grenze durch den einfachen Gesetzgeber für sich gesehen immer zu einer Ungleichbehandlung führt, deren Zulässigkeit mit Argumenten in Abrede gestellt werden kann (dies betrifft z. B. zeitliche Grenzen wie Fristen oder die Festlegung des Inkrafttretens von Normen). Dies ist gleichheitsrechtlich aber weder verboten noch suspekt, solange sich der Gesetzgeber innerhalb seines Gestaltungsspielraumes hält (vgl. Pöschl in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, §192, Rz 54).

Der Wiener Landesgesetzgeber trachtete bei der Schaffung des §26 VGWG danach, eine möglichst schlanke Vollziehung in einfachen und standardisierbaren Rechtssachen sowie in Massenverfahren zu erreichen. Nach einer Berechnung des Amtes der Wiener Landesregierung enthalten ca. 60 % der Straftatbestände, die von den Rechtspflegern anzuwenden sind, Strafdrohungen in der Höhe von bis zu EUR 726,-- (davon enthalten wiederum 60 % Strafdrohungen in der Höhe von bis zu EUR 400,--), ca. 30 % enthalten Strafdrohungen bis EUR 1.000,-- und die restlichen 10 % entfallen auf Strafdrohungen bis EUR 1.500,--. Hinzu kommt, dass die zu bearbeitenden Strafverfahren auch zahlenmäßig im weit überwiegenden Ausmaß Straftatbestände betreffen, die Strafdrohungen bis zu EUR 726,-- vorsehen.

Zu den Straftatbeständen der ersten Gruppe gehören die Verletzung von Anzeige- oder Anmeldepflichten wie über das Bestehen von Vereinigungen nach dem Wiener Feuerwehrgesetz, über das Halten von Apparaten nach dem Vergnügungssteuergesetz 2005, über die Benützung von Bundesstraßengrund, für die nach der Straßenverkehrsordnung keine Bewilligung erforderlich ist, nach dem Gebrauchsabgabegesetz 1996, ferner das Unterlassen des Erstattens von Angaben nach dem Wiener Weinbaugesetz 1955, das unbefugte Entnehmen von Wasser nach dem Wasserversorgungsgesetz, die Nichteinhaltung von Fristen von Abgabenerklärungen bei Abgaben wie insbesondere der Ortstaxe, der Dienstgeberabgabe oder die Verletzung von Anzeigepflichten bei der Abwassergebühr, ferner die Missachtung von ortspolizeilichen Verordnungen des Magistrats der Stadt Wien wie insbesondere betreffend das Verbot der Fütterung von Wasservögel[n] an der Alten Donau einschließlich Kaiserwasser, betreffend die Benützung von Grünanlagen, betreffend das Verbot des Abschießens von Tauben im verbauten Stadtgebiet, betreffend die Reinhaltung von nicht öffentlich zugänglichen Gebäuden, Höfen und Grundstücken sowie betreffend das Verbot des Kampierens.

Auch der dem Antrag G181/2014-3 zu Grunde liegende Beschwerdefall ist ein besonders gutes Beispiel für die erstgenannte Gruppe: Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 sowie der Parkometerabgabenverordnung im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Abstellen eines Kraftfahrzeuges werden in Wien nach Auskunft des Magistrats der Stadt Wien – MA 67 Parkraumüberwachung täglich ca. 4000 mal beanstandet. Wenn auch nur in einem Bruchteil hievon Straferkenntnisse ausgefertigt und diese in der Folge angefochten werden, erscheint es vor dem Hintergrund der genannten Zielsetzung nicht unsachlich, wenn der Wiener Landesgesetzgeber für solche Beschwerdefälle von der durch Art135a B-VG eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, Rechtspfleger mit deren Behandlung und Erledigung zu betrauen.

Als Beispiele für Straftatbestände mit Strafdrohungen bis EUR 1.000,-- sind zu nennen die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ohne Ausbildungsbescheinigung nach dem Wiener Pflanzenschutzmittelgesetz, Verstöße gegen das Wiener Reinhaltegesetz sowie das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 im Erstfall und die Verletzung von Anzeige- und Meldepflichten nach dem Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen. In die letzte Gruppe von Straftatbeständen bis EUR 1.500,-- fallen die Nichteinhaltung von Mindestpflanzabständen für Kulturpflanzen von Grundstücksgrenzen nach dem gleichnamigen Landesgesetz, die Verletzung von Auskunfts- oder Übermittlungspflichten nach dem Wiener Statistikgesetz, Verstöße gegen Auflagen, Bedingungen und Befristungen in Bescheiden auf Grund des Wiener Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013, Verstöße gegen Aufzeichnungspflichten nach dem Gelegenheits-Verkehrsgesetz 1996 im Wiederholungsfall sowie die Begehung von Verwaltungsübertretungen nach dem Wiener Jagd- sowie dem Wiener Fischereigesetz.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang – dies geht aus der oben angeführten beispielhaften Aufzählung eindeutig hervor – dass den Straftatbeständen, die den Rechtspflegern zur Behandlung und Erledigung übertragen wurden, durchwegs einfache Sachverhalte zu Grunde liegen. Der Landesgesetzgeber hat sich somit, was die Eignung der von den Rechtspflegern zu besorgenden Geschäfte betrifft, voll und ganz an die Vorgaben des Art135a Abs1 B-VG gehalten.

Dem Bedenken, dass die Rechtspfleger eine mühsame und unnötige Erschwerung für die Rechtsschutzsuchenden darstellen, ist entgegenzuhalten, dass die Schaffung des Art135a B-VG eine grundsätzliche Systementscheidung ist, von der der einfache Gesetzgeber Gebrauch machen darf. Ferner erscheint dieses Argument nicht schlüssig, da solche negativen Auswirkungen nur dann eintreten würden, wenn ein hoher Prozentsatz der Entscheidungen der Rechtspfleger rechtswidrig wäre. Dies ist weder in der Praxis zu beobachten noch hat dies das Verwaltungsgericht Wien behauptet. Im Übrigen wird zu diesem Punkt des Antrages darauf hingewiesen, dass sich dieses Bedenken dem Inhalt nach nicht gegen §26 Z6 VGWG, sondern gegen §54 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I Nr 33/2013, richtet, eine Bestimmung, deren Verteidigung der Bundesregierung obliegt.

3. Zum Widerspruch mit Art6 EMRK:

[…]

Das Recht auf Zugang zu einem Gericht ist das zentrale Recht der Garantien des Art6 EMRK. Dieses Recht muss effektiv gewährleistet sein, d. h. der Zugang zu Gericht muss nicht nur illusorisch, sondern tatsächlich möglich sein. Es ist jedoch nicht absolut gewährleistet. Verhältnismäßige Einschränkungen – diese müssen ein legitimes Ziel verfolgen und es muss ein vernünftiges Verhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln und den angestrebten Zielen bestehen – sind zulässig (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Auflage 2012, §24, Rz 48ff).

In den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sind die Ziele, die der Bundesverfassungsgesetzgeber mit der Einrichtung der Rechtspfleger in der Verwaltungsgerichtsbarkeit verfolgt, nicht explizit angeführt. In den Erläuterungen ist aber Folgendes vermerkt:

'Die Einrichtung des Rechtspflegers hat in der (ordentlichen) Gerichtsbarkeit eine lange Tradition und soll auch für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz vorgesehen werden.'

Der Bundesverfassungsgesetzgeber hatte daher bei der Einrichtung der Rechtspfleger im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit jenes Bild der Rechtspfleger vor Augen, die in der ordentlichen Gerichtsbarkeit tätig sind. Dort dienen die Rechtspfleger unbestrittenermaßen der Unterstützung und Entlastung der Richter sowie der Sicherstellung einer raschen und effizienten Vollziehung. Überträgt man diese Zielsetzung auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, so dienen die Rechtspfleger in diesem Bereich nicht nur der Entlastung der Verwaltungsrichter, sondern auch der Sicherung eines raschen und effizienten Rechtsschutzes.

Angesichts des Umstandes, dass das 'Regel-Ausnahme-Prinzip' zwischen den Richtern und den Rechtspflegern beim Verwaltungsgericht Wien gewahrt ist […] sowie auf Grund der Einschränkung, dass den Rechtspflegern nur Geschäfte übertragen werden dürfen, für die sie ausgebildet sind, ist die Wiener Landesregierung der Auffassung, dass durch die Rechtspfleger der Zugang zu Gericht nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird.

Dem Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien, dass die Vorschaltung eines 'Nichttribunales' zu Verfahrensverzögerungen und daher zu Vorgängen führt, die dem Grundsatz der Effizienz widersprechen, ist entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht gemäß §34 Abs1 VwGVG verpflichtet ist, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Adressat dieser Bestimmung ist das Verwaltungsgericht, zu dem in Wien auch die Rechtspfleger gehören (vgl. §2 Abs1 VGWG). Der Bundesgesetzgeber hat somit für alle Verfahren – jene, die vom Rechtspfleger oder Richter alleine geführt werden sowie jene, in denen auf Grund einer Vorstellung ein Einschreiten nacheinander erfolgt – ein- und dieselbe Erledigungsfrist vorgesehen. Die vom Verwaltungsgericht Wien befürchteten Verzögerungen sind somit nur als Vorgänge in der Praxis denkbar, die jedoch rechtlich nicht zulässig sind und denen daher durch eine entsprechend straffe Verfahrensführung zu begegnen ist. Verfassungsrechtliche Bedenken können daraus keine abgeleitet werden.

Ferner übersieht das Verwaltungsgericht Wien, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber für die Erledigung der Rechtspfleger eine Mitverantwortung der Richter vorgesehen hat. Gemäß Art135a Abs2 B-VG kann das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied des Verwaltungsgerichtes die Erledigung der Geschäfte des Rechtspflegers sich vorbehalten oder an sich ziehen. Diese Bestimmung bringt zwar primär zum Ausdruck, dass der Rechtspfleger nicht bloß ein Hilfsorgan des Richters ist (vergleichbar mit Kanzleipersonal), sondern ein eigenständig entscheidender, nichtrichterlicher Bediensteter (Piska in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Band II/2, Rz 6 zu Art87a). Gleichzeitig setzt die Bestimmung aber voraus, dass der Richter auch eine Aufsicht über die Erledigungen des Rechtspflegers wahrnimmt (vgl. das Erkenntnis vom 10. Dezember 2013, ZI. G46/2013, Punkt 2.5.1.). Andernfalls könnte der Richter nicht beurteilen, ob im Einzelfall triftige Gründe für ein An-sich-ziehen der Erledigung gegeben sind. Wenn also – was in der Praxis der Hauptgrund für eine solche Vorgangsweise sein wird – die betreffende Rechtssache eine Frage aufwirft, die eine Beurteilung durch einen Richter erfordert, so darf – wenn eine interne Kommunikation zwischen Richter und Rechtspfleger nicht zur Lösung der Frage führt – deshalb der Richter nicht untätig bleiben und eine Verfahrensverzögerung in Kauf nehmen.

Aber auch den Rechtspfleger trifft in einem solchen Fall die in §4 Abs6 VGWG geregelte Pflicht zur Vorlage des betreffenden Geschäftsstückes an den Richter, wenn es die Schwierigkeit oder Wichtigkeit der Sache erfordert. Der Gesetzgeber erfasst hiebei mit dem Begriff 'Schwierigkeit' jene Fälle, bei denen eine Durchschnittsbetrachtung ergibt, dass Fragen im Vordergrund stehen, die vom Richter zu beurteilen sind. Dadurch ist auch auf der Seite des Rechtspflegers gesetzlich abgesichert, dass in schwierigen Fällen keine Verzögerung bei der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes eintritt.

Zum Bedenken, dass ein drittes Rechtsmittel ergriffen werden müsse, wenn der Magistrat eine Beschwerdevorentscheidung erlasse, ist zu bemerken, dass die Beschwerdevorentscheidung im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geregelt ist. Ob diese in Anbetracht des Art135a B-VG der Verfassung entspricht, ist von der Wiener Landesregierung nicht zu beurteilen."

IV.      Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1.       Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1.    Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2.    Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der bekämpften Bestimmung in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge insgesamt als zulässig.

2.       In der Sache

2.1.    Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2.    Die Anträge sind begründet.

2.3.    Soweit das antragstellende Gericht in der Durchführung zweier verwaltungsgerichtlicher Verfahren, nämlich im Falle einer Entscheidung durch einen Rechtspfleger und anschließender Erhebung einer Vorstellung gemäß §54 VwGVG an den zuständigen Richter, eine im Lichte des – aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden – Sachlichkeitsgebotes verfassungswidrige unnötige Erschwerung der Rechtsschutzsuche (vgl. VfSlg 14.039/1995) erblickt, verfehlt es mit dem gegen die bekämpfte Bestimmung gerichteten Aufhebungsbegehren den Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit: Wie die Landesregierung in ihrer Äußerung zutreffend entgegnet, läge diese Verfassungswidrigkeit in – dem vom antragstellenden Gericht unbekämpft gebliebenen – §54 VwGVG, welche Bestimmung das Rechtsmittel der Vorstellung einrichtet. Eine Verfassungswidrigkeit der bekämpften Bestimmung vermag das antragstellende Gericht mit diesem Bedenken nicht darzutun. Im Übrigen hegt der Verfassungsgerichtshof gegenüber dem Umstand alleine, dass der Gesetzgeber dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem zuständigen Richter nach Maßgabe der verfassungsgesetzlichen Ermächtigung gemäß Art135a B-VG ein Verfahren vor einem Rechtspfleger vorschaltet, keine Bedenken im Lichte des Sachlichkeitsgebotes.

2.4.    Gleiches gilt für die im Lichte des Rechts auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) dargelegten Bedenken gegen die durch die Rechtspflegerzuständigkeit (in Zusammenschau mit der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Erstentscheidung) bewirkte "zweimalige Vorschaltung von Entscheidungsträgern, die nicht den Erfordernissen des Art6 EMRK entsprechen", welche eine unzulässige Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht gemäß Art6 EMRK bewirkten. Das antragstellende Gericht bringt damit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des einfachgesetzlich ausgestalteten Verwaltungsrechtsschutzsystems vor, in welches die Rechtspflegerzuständigkeit eingebettet ist. Der Sitz dieser behaupteten Verfassungswidrigkeit liegt aber nicht in einer – im vorliegenden Fall bekämpften – einzelnen Bestimmung über die Übertragung einer Angelegenheit an Rechtspfleger, mag diese Angelegenheit auch von Art6 EMRK erfasst sein: Läge die behauptete Verfassungswidrigkeit vor, belastete sie im Kern die betreffenden Verfahrensregelungen mit Verfassungswidrigkeit; dem vorliegenden Aufhebungsbegehren vermöge sie dagegen nicht zum Erfolg zu verhelfen.

2.5.    Selbst wenn mit dem vorliegenden Aufhebungsbegehren die im Hinblick auf das dargelegte Bedenken richtige Bestimmung bekämpft wäre, bliebe ihm der Erfolg versagt, weil das Bedenken jedenfalls nicht zutrifft: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verpflichtet Art6 Abs1 EMRK die Konventionsstaaten nicht dazu, die von dieser Bestimmung erfassten Angelegenheiten einem Verfahren zu unterwerfen, das in jeder Phase durch ein "Tribunal" geführt wird; vielmehr können Erfordernisse der Flexibilität und der Effizienz es rechtfertigen, dem Verfahren vor dem Tribunal ein Verfahren vor (verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen) Organen vorzulagern, die den Anforderungen an ein "Tribunal" nicht entsprechen (vgl. EGMR 23.6.1981, Fall Le Compte, Appl. 6878/75 ua., Rz 51; 21.2.1984, Fall Öztürk, Appl. 8544/79, Rz 56; 25.8.1987, Fall Lutz, Appl. 9912/82, Rz 57; idS auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, vgl. VfSlg 11.591/1987, 11.760/1988, 11.762/1988, 12.669/1991). Im Hinblick darauf ist die dem Verfahren vor dem zuständigen Richter des Verwaltungsgerichtes vorgelagerte Entscheidungszuständigkeit eines Rechtspflegers (zur mangelnden Tribunalqualität des Rechtspflegers vgl. VfSlg 19.825/2013), deren zentraler Zweck die Steigerung der Effizienz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist (siehe Pkt. 2.5.4), im Lichte des Art6 EMRK zulässig; dem verschlägt der Umstand nichts, dass mit dem Rechtspfleger – nach der Verwaltungsbehörde – bereits ein zweites Organ berufen ist, das kein Tribunal iSd Art6 EMRK ist (vgl. [implizit] auch EGMR 29.4.1988, Fall Belilos, Appl. 10.328/83, Rz 71 bis 73; 2.9.1998, Fall Lauko, Appl. 26.138/95, Rz 64; 2.9.1998, Fall Kadubec, Appl. 27.061/95, Rz 57).

2.6.    Soweit das antragstellende Gericht hingegen Bedenken gegen die bekämpfte Bestimmung im Lichte des Art135a B-VG darlegt, ist es damit im Ergebnis im Recht:

2.6.1.  Nach Ansicht des antragstellenden Gerichts bewirke die bekämpfte Regelung eine Übertragung von Angelegenheiten an Rechtspfleger, die sich ihrem Wesen nach nicht für eine Erledigung durch diese eigneten. Bei der – durch die bekämpfte Regelung dem Rechtspfleger überantworteten – Ermittlung, Feststellung und rechtlichen Würdigung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes in Verwaltungsstrafsachen handle es sich um "genuin" dem Richter vorbehaltene Tätigkeiten, mithin den "Kern der richterlichen Aufgabenbewältigung". Zudem sei der Ausbildungsstand der Rechtspfleger mit jenem der Richter nicht vergleichbar und seien die durch die bekämpfte Bestimmung zur Besorgung übertragenen Verwaltungsstrafverfahren keineswegs allesamt einfach oder gleichförmig gestaltet. Ferner verletze die bekämpfte Regelung Art135a B-VG insofern, als durch diese das zwischen Richterzuständigkeiten und Rechtspflegerzuständigkeiten maßgebliche "Regel-Ausnahme-Verhältnis" insbesondere im Bereich der Straßenverkehrsordnung 1960 durchbrochen werde.

2.6.2.  Die Landesregierung entgegnet diesem Vorbringen, dass sich ein Geschäft seinem Wesen nach dann für die Übertragung an Rechtspfleger eigne, wenn seine Besorgung einen der Ausbildung und Erfahrung von Rechtspflegern "sachlich angemessenen Schwierigkeitsgrad" aufweise, und dass die bekämpfte Bestimmung diese Vorgabe erfülle. Den an Rechtspfleger übertragenen Straftatbeständen lägen "durchwegs einfache Sachverhalte" zugrunde. Bei der Beurteilung des Schwierigkeitsgrades eines Geschäfts sei notwendigerweise auf den "Regelfall" abzustellen; daher schade es nicht, wenn sich "in Einzelfällen möglicherweise komplexe Rechtsprobleme" stellen können. Für solche Einzelfälle halte die Verfassung selbst in Art135a Abs2 B-VG eine entsprechende Kautel bereit; ferner verpflichte §4 Abs6 VGWG den Rechtspfleger dazu, ein Geschäftsstück dem zuständigen Richter vorzulegen, wenn es die Schwierigkeit oder Wichtigkeit der Sache erfordere. Schließlich wahre die bekämpfte Bestimmung auch das bezeichnete "Regel-Ausnahme-Verhältnis".

2.6.3.  Verwaltungsgerichte erkennen von Verfassungs wegen durch Richter (Art135 Abs1 B-VG). Gemäß Art135a Abs1 B-VG kann im Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes allerdings die Besorgung "ein

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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