TE Vwgh Erkenntnis 2015/1/30 Ra 2014/17/0041

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Veröffentlicht am 30.01.2015
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1a;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2014/17/0044 E 6. März 2015

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 12. August 2014, Zl. LVwG-410390/2/Gf/Rt, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (mitbeteiligte Partei: A W in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 11. Juli 2014 wurde über den Mitbeteiligten wegen Übertretung des Glücksspielgesetzes (GSpG) gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG iVm § 50 Abs. 4 GSpG eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde.

Ohne ein weiteres Verfahren durchzuführen, sprach das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 12. August 2014 aus, der Beschwerde werde gemäß § 50 VwGVG dahin stattgegeben, dass das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werde (Spruchpunkt I.). Weiters wurde - abgesehen von einer Kostenentscheidung (Spruchpunkt II.) - ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

In der Begründung gelangte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu dem Ergebnis, der Beschwerde sei gemäß § 50 VwGVG dahin stattzugeben gewesen, dass das angefochtene Straferkenntnis, mit dem wegen Nichterteilung einer Auskunft im Zusammenhang mit einem unzulässigen Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes nach § 52 GSpG eine Geldstrafe verhängt worden sei, wegen Widerspruchs der diese Bestrafung tragenden nationalen Regelungen zum Unionsrecht aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen gewesen sei. Bezüglich der weiteren - inhaltsgleichen - Begründung wird auf das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0121, verwiesen.

Zur Begründung der Unzulässigkeit der Revision führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich unter Zitierung von fünf von ihm erlassenen Erkenntnissen aus, soweit im Zuge des vorliegenden Verfahrens Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beantworten gewesen seien, denen grundsätzliche Bedeutung zukomme, seien diese schon Gegenstand in zahlreichen, beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich anhängig gewesenen Verfahren mit identischer Problemlage gewesen. Da "in jenem Verfahren" vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich eine ordentliche Revision zugelassen worden sei, habe "sohin" für die Landespolizeidirektion Oberösterreich bereits dort eine entsprechende Rechtsmittellegitimation bestanden, sodass es im nunmehr vorliegenden Verfahren keiner neuerlichen Einräumung einer prozessualen Möglichkeit zur Geltendmachung derselben Rechtsfragen im Sinne des § 25a VwGG mehr bedürfe.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und aussprechen, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten als unbegründet abgewiesen werde. In eventu möge der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften seinem gesamten Inhalt und Umfang nach aufheben.

Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Bezüglich der anzuwendenden Rechtslage und des Inhaltes der Revision des Bundesministers für Finanzen wird betreffend die Entscheidung in der Sache gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0121, verwiesen.

Zur Nichtzulassung der ordentlichen Revision durch das Landesverwaltungsgericht ist festzuhalten, dass gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig ist, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Solange zu einer Rechtsfrage eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliegt, handelt es sich daher um eine Rechtsfrage, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG regelmäßig grundsätzliche Bedeutung zukommt, und zwar - entgegen den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts - unabhängig davon, ob einer Partei in diesem Zusammenhang bereits eine Rechtsmittellegitimation zukam oder nicht. Anders als das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich meint, soll nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG und den Bestimmungen und der Systematik des VwGG, i.d.F. des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, grundsätzlich gewährleistet sein (s. die Ausnahmefälle in § 25a Abs. 2 bis 4 VwGG, in denen die Revision jedenfalls unzulässig ist), dass der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, zu überprüfen, ob Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG im Einzelfall rechtsrichtig gelöst wurden (s. insbesondere § 34 Abs. 1a VwGG, wonach der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 erster Satz VwGG, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, nicht gebunden ist und die Möglichkeit der Erhebung einer außerordentlichen Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG).

Gesetzliche Bestimmungen, aus denen sich ergeben würde, dass es ausreicht, wenn eine Partei ein Mal die Möglichkeit gehabt hätte, gegen eine von einem Verwaltungsgericht vertretene Auffassung zu einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 VwGG eine Revision zu erheben, wie dies dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorschwebt, liegen hingegen nicht vor.

Da im vorliegenden Revisionsfall im Zeitpunkt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu jenen Rechtsfragen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht vorlag, hätte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im angefochtenen Erkenntnis die ordentliche Revision zulassen müssen. Dies wird im Revisionsfall dadurch besonders deutlich, dass ab Vorliegen des hg. Erkenntnisses vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0121, die ordentliche Revision schon deshalb zulässig gewesen wäre, weil die vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im angefochtenen Erkenntnis vertretene Rechtsansicht jener widerspricht, die im zitierten Erkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof vertreten wurde.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG allerdings nicht gebunden. Zur Frage, welchen Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG im Revisionsfall grundsätzliche Bedeutung zukam, wird ein weiteres Mal auf das bereits wiederholt zitierte Erkenntnis vom 15. Dezember 2014 verwiesen.

Daraus ergibt sich für den Revisionsfall im Ergebnis Folgendes:

Im hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0121,wurde bereits ausgesprochen, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aufgrund des im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 38 VwGVG iVm § 25 Abs. 1 VStG geltenden Amtswegigkeitsprinzips und des Grundsatzes der Erforschung der materiellen Wahrheit Feststellungen hätte treffen müssen, aufgrund derer hätte beurteilt werden können, ob das Unionsrecht im vorliegenden Beschlagnahmeverfahren überhaupt anzuwenden ist. Bei Bejahung dieser Frage hätte das Landesverwaltungsgericht, um rechtens zu der Beurteilung zu gelangen, dass Bestimmungen des Glücksspielgesetzes dem Unionsrecht widersprechen, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen gehabt, aus denen abzuleiten gewesen wäre, dass durch anzuwendende Bestimmungen des GSpG vorgenommene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht gerechtfertigt sind. Dadurch, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht nicht amtswegig ein Beweisverfahren durchgeführt und entsprechende Feststellungen getroffen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet.

Weiters wären den Parteien gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 24 VStG und § 45 Abs. 3 AVG die Ergebnisse des bislang durchgeführten bzw. durchzuführenden Ermittlungsverfahrens vorzuhalten und ihnen die Möglichkeit einzuräumen gewesen, dazu ein Vorbringen zu erstatten und Beweise für die eigenen Behauptungen anzubieten (Grundsatz der Wahrung des Parteiengehörs). In der Folge wären aufgrund eines erstatteten relevanten Parteienvorbringens und Beweisanbotes Ermittlungen durchzuführen und im angefochtenen Erkenntnis Feststellungen hiezu zu treffen gewesen. Indem diese Verfahrensschritte nicht gesetzt wurden, hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Ein Absehen von der Verhandlung wäre nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen gewesen. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat auch in diesem Zusammenhang das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Festgehalten sei, dass im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren zutreffend von der Zuständigkeit der erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde ausgegangen wurde, da gemäß § 52 Abs. 3 GSpG in der im Zeitpunkt der Entscheidung der Landespolizeidirektion Oberösterreich bereits anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 GSpG zu bestrafen ist, wenn durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht ist. Anders als im wiederholt zitierten Erkenntnis vom 15. Dezember 2014 ist im vorliegenden Revisionsfall die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde daher jedenfalls gegeben gewesen.

Zum notwendigen Inhalt der Entscheidungsbegründung eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes wird auf das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076, verwiesen.

Aufgrund obiger Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 30. Jänner 2015

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014170041.L00

Im RIS seit

11.03.2015

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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