TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/21 97/20/0465

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Veröffentlicht am 21.09.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §73 Abs1;
WaffG 1986 §12 Abs1;
WaffG 1986 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des FK in K, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, Münzgasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 9. Juli 1997, Zl. Wa-911/96, betreffend Entzug einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/20/0329, verwiesen. Danach hatte die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt - ausgelöst durch eine Amtshandlung im September 1992 - mit Bescheid vom 2. August 1993 ein Waffenverbot über den Beschwerdeführer verhängt, das nach dem hg. Erkenntnis vom 21. September 1994, Zl. 93/01/1539, mit einem auf § 66 Abs. 2 AVG gestützten Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 19. Jänner 1995 wieder aufgehoben worden war. Schon im März 1996 hatte die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer mitgeteilt, dass nunmehr die Absicht bestehe, ihm die Waffenbesitzkarte zu entziehen. Die im September 1992 abgenommenen Waffen samt Munition waren ihm im Juli 1996 unter Berufung auf § 13 Abs. 3 WaffG 1986 wieder ausgefolgt worden, und im Oktober 1996 war dem Beschwerdeführer - nach dem Zurücklangen des Aktes von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten, die über einen Devolutionsantrag des Beschwerdeführers zu entscheiden gehabt hatte - auch die ihm im September 1992 abgenommene Waffenbesitzkarte mit dem Hinweis, dass das deren Entzug betreffende Verfahren nunmehr weitergeführt werde, wieder ausgefolgt worden. Gegenstand der mit dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/20/0329, erledigten Beschwerde war die letztinstanzliche Entscheidung des Bundesministers für Inneres über den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 1. Februar 1996 (und nicht, wie der Beschwerdeführer nunmehr behauptet, der Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 10. Oktober 1996 über diesen Devolutionsantrag).

Mit Bescheid vom 26. Mai 1997 entzog die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt dem Beschwerdeführer die ihm am 12. März 1990 ausgestellte Waffenbesitzkarte mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei nicht mehr verlässlich.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 2 AVG Folge. Sie behob den erstinstanzlichen Bescheid über die Entziehung der Waffenbesitzkarte und trug der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt auf, "in dieser Angelegenheit nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens einen neuen Bescheid zu erlassen". In der Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde aus, die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt habe durch die auf § 13 Abs. 3 WaffG 1986 gestützte Wiederausfolgung der beschlagnahmten Gegenstände an den Beschwerdeführer "bekundet, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbotes nun nicht mehr vorliegen". Sie habe den Beschwerdeführer aber darauf aufmerksam gemacht, dass das gegen ihn eingeleitete Verfahren betreffend den Entzug seiner Waffenbesitzkarte weitergeführt werde. Um der Behörde erster Instanz "Gelegenheit zu geben, das eingeleitete Verfahren zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes fortzuführen und abzuschließen", werde - dem Antrag des Beschwerdeführers in seiner Berufung entsprechend - der erstinstanzliche Bescheid vom 26. Mai 1997 behoben.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Verfahren weder eine Gegenschrift erstattet noch Verwaltungsakten vorgelegt. Der erstinstanzliche Bescheid vom 26. Mai 1997 ist aber Teil der Akten, die dem Verwaltungsgerichtshof zur hg. Zl. 97/20/0329 (von der dort belangten Behörde, dem Bundesminister für Inneres) vorgelegt wurden. Er enthält eine 14 Seiten lange Begründung, in der der Gang des Verfahrens und die Ermittlungsergebnisse im Einzelnen dargestellt und (auf den Seiten 11 bis 14) näher ausgeführt wird, aufgrund welcher Überlegungen die Behörde erster Instanz zu der Ansicht gelangte, der Beschwerdeführer sei nicht mehr verlässlich. Verwiesen wird im Wesentlichen auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Bedeutung etwa von Anzeichen einer paranoiden Reaktionsbereitschaft für die waffenrechtliche Verlässlichkeit, auf einen Erlass des Bundesministers für Inneres, wonach unter näheren bezeichneten Voraussetzungen eine psychiatrische Untersuchung zu veranlassen sei, weiters darauf, dass sich der Beschwerdeführer weder einer ärztlichen Untersuchung unterzogen noch selbst ein Fachgutachten vorgelegt habe, und schließlich auf seine Mitwirkungspflicht im Verfahren. Abschließend wird noch der - nunmehrige - Verfahrensgegenstand des Entzuges der Waffenbesitzkarte von demjenigen der Verhängung eines Waffenverbotes abgegrenzt.

Die zur hg. Zl. 97/20/0329 vorgelegten Akten enthalten auch die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid. Darin wird auf insgesamt neun Seiten zunächst dargelegt, dass die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt aufgrund des in der Waffenverbotsangelegenheit im Februar 1996 eingebrachten Devolutionsantrages des Beschwerdeführers unzuständig sei. Weiters wird geltend gemacht, die Behörde erster Instanz habe "die strittigen Rechtsfragen, dass in rechtlicher Hinsicht Tatsachen die Annahme nicht rechtfertigen, dass bei mir durch missbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährdet wird, und die weitere Frage, dass mir die Behörde erster Instanz die psychiatrische Untersuchung durch Dr. B. zu Unrecht aufgetragen

hat, ... nicht gelöst". Darüber hinaus habe die Behörde erster

Instanz im Herbst 1996 dadurch, dass sie dem Beschwerdeführer die ihm "bereits am Beginn des Verfahrens" abgenommenen Waffen und die Waffenbesitzkarte wieder ausgefolgt habe, "sachlich über das gegenständliche Verfahren bereits in der Weise erkannt, dass sie die Voraussetzungen für den Entzug der Waffenbesitzkarte und für die Abnahme der Waffen und der Munition nicht als gegeben erachtet hat". Damit habe die Behörde erster Instanz "formal und inhaltlich

... bestätigt, dass die Voraussetzungen für die Einleitung bzw.

Aufrechterhaltung eines Verfahrens über das Verbot des Besitzes von Waffen und Munition und über die Innehabung einer Waffenbesitzkarte nicht gegeben waren". Seither sei "ein vollkommen neues Verwaltungsverfahren und eine vollkommen neue Situation gegeben". Die Behörde erster Instanz habe kein Ermittlungsverfahren mehr durchgeführt. Gegenstand des Verfahrens sei nicht mehr das Waffenverbot, sondern nur mehr der Entzug der Waffenbesitzkarte, für den aber keinerlei ausreichende Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorlägen. Durch die Wiederausfolgung der Waffen und der Waffenbesitzkarte im Herbst 1996 habe die Behörde erster Instanz "jedenfalls rechtswirksam von ihrer Überprüfungsbefugnis" hinsichtlich der Verlässlichkeit des Beschwerdeführers "Gebrauch gemacht" und die Verlässlichkeit bejaht. Für eine Wiederholung der Überprüfung gebe es keinen Grund. Es bedeute einen schweren Verfahrensmangel, wenn nun auf Beweisergebnisse aus der Zeit vor der Wiederausfolgung der Waffen und der Waffenbesitzkarte zurückgegriffen werde. Die Entscheidung über den am 1. Februar 1996 vom Beschwerdeführer eingebrachten Devolutionsantrag sei "noch nicht rechtskräftig", weil der Beschwerdeführer dagegen eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben habe. Unter diesen Umständen könne die Behörde dem Beschwerdeführer nicht vorwerfen, dass er kein Gutachten beigebracht habe. Die "Ausschöpfung des Instanzenzuges und Inanspruchnahme der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes" könne "nicht als Weigerung im Sinn des § 6 Abs. 4 Waffengesetz angesehen werden". Eine solche Rechtsansicht wäre "nicht verfassungskonform". Hinzu komme noch, dass die Behörde erster

Instanz dem Beschwerdeführer "vollkommen zu Unrecht ... die Vorlage

eines psychiatrischen Gutachtens durch Dr. B. aufgetragen" habe. Für den Fall der endgültigen Abweisung seiner näher bezeichneten Anträge (nämlich derjenigen, auf die sich der Devolutionsantrag bezog) werde der Beschwerdeführer "sehr wohl einen Befund beibringen", der den Vorwurf eines "chronifizierten paranoiden Zustandsbildes" widerlegen werde. Darüber hinaus sei § 6 Abs. 4 WaffG (1986) aus näher dargestellten Gründen einerseits nicht anwendbar und andererseits verfassungs- und konventionswidrig.

Welche dieser Ausführungen die belangte Behörde dazu bewogen, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben, geht aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervor. Sie enthält keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Bescheid und dem dagegen erhobenen Rechtsmittel. Zu entnehmen ist ihr nur, dass die belangte Behörde beschlossen habe, den erstinstanzlichen Bescheid dem Berufungsantrag des Beschwerdeführers "entsprechend" zu beheben und der Behörde erster Instanz "Gelegenheit zu geben, das eingeleitete Verfahren zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes fortzuführen und abzuschließen". Inwiefern der Sachverhalt ergänzungsbedürftig sei und weshalb sich die belangte Behörde außer Stande sehe, selbst - gegebenenfalls nach Veranlassung der erforderlichen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens - in der Sache zu entscheiden, wird nicht nur nicht schlüssig begründet, sondern überhaupt nicht erörtert.

Eine derartige - im vorliegenden Fall nicht mit der Überbindung irgendwelcher Rechtsansichten verbundene - Kassation verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Sachentscheidung (vgl. dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 408 zu § 66 AVG; zu den Voraussetzungen einer Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG vgl. dieselben, E 354 ff zu § 66 AVG).

Eine solche inhaltliche Rechtswidrigkeit könnte der Verwaltungsgerichtshof aus Eigenem - gemäß § 41 VwGG allerdings nur im Rahmen des Beschwerdepunktes - aufgreifen.

Die Verletzung im Recht auf Sachentscheidung ist aber nicht der Punkt, in dem sich der Beschwerdeführer beschwert erachtet. In der Beschwerde wird - unter synonymer Verwendung der Begriffe "Beschwerdegrund" und "Beschwerdepunkt" - vielmehr geltend gemacht, die Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion "als erste Instanz aufgrund des Devolutionsantrages" sei "noch immer ungeklärt". Der Beschwerdeführer vertrete die Auffassung, dass "aufgrund der seinerzeitigen Devolutionsanträge" die Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion in erster Instanz gegeben sei. Mit der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde erster Instanz habe die belangte Behörde daher gegen § 6 Abs. 6 AVG verstoßen. Darüber hinaus wird geltend gemacht, die belangte Behörde hätte das Verfahren einzustellen gehabt, weil dadurch, dass die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer im Herbst 1996 die Waffen samt Munition und die Waffenbesitzkarte wieder ausgefolgt habe, "entschiedene Rechtssache" vorliege. Ein neues Verfahren dürfe nur aufgrund neuer Tatsachen eingeleitet werden. Die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, "dass ein für den Zeitraum vor dem 12. Juli 1996 (Ausfolgung der Waffen samt Munition) bzw. vor dem 17. Oktober 1996 (Ausfolgung der Waffenbesitzkarte) gelegener Umstand neuerlich und ein zweites Mal zum Gegenstand eines Entzugsverfahrens nach dem Waffengesetz 1986 dienen" könne, und habe "damit gegen den Grundsatz der res judicata verstoßen".

Mit diesen Ausführungen macht der Beschwerdeführer sein vermeintliches Recht auf das Unterbleiben einer (wie er meint: neuerlichen) Sachentscheidung über den Entzug der Waffenbesitzkarte geltend. In diesem Recht ist der Beschwerdeführer nicht verletzt. Es stünde nämlich selbst eine rechtskräftige Entscheidung darüber, dass kein Waffenverbot zu verhängen sei, einem Entzug der Waffenbesitzkarte wegen der Verschiedenheit dieser Entscheidungsgegenstände nicht entgegen. Darüber hinaus wurde auch das Verfahren zur Verhängung eines Waffenverbotes aber nicht in einer der Rechtskraft fähigen Weise, sondern - mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Entziehung der Waffenbesitzkarte beabsichtigt sei - formlos eingestellt, wobei im Besonderen auch der Ansicht des Beschwerdeführers, die Ausfolgung der Waffen samt Munition im Juli 1996 und der Waffenbesitzkarte im Oktober 1996 seien der Rechtskraft fähige Erledigungen gewesen, nicht zu folgen ist. Dass die formlose Einstellung des - nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens betreffenden - Verfahrens zur Erlassung eines Waffenverbotes an Stelle einer Bescheiderlassung darüber der Rechtslage entsprach, kann dem zur Zl. 97/20/0329 ergangenen Erkenntnis vom heutigen Tag entnommen werden.

Auf dieses Erkenntnis ist der Beschwerdeführer auch insoweit zu verweisen, als er glaubt, durch seinen Devolutionsantrag vom 1. Februar 1996 die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz herbeigeführt zu haben. Diese Wirkung ist, wie zur Zl. 97/20/0329 näher ausgeführt wurde, selbst im Verfahren zur Verhängung eines Waffenverbotes nicht einmal vorübergehend eingetreten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 21. September 2000

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997200465.X00

Im RIS seit

25.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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