TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/21 2000/18/0057

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Veröffentlicht am 21.09.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §36;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2000/18/0053 E 21. September 2000 2000/18/0054 E 21. September 2000 2000/18/0055 E 13. Oktober 2000 2000/18/0056 E 21. September 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der J N, geboren am 28. Oktober 1975, vertreten durch Dr. Franz Kriftner, Dr. Christian Sparlinek, Mag. Alexander Piermayr und Mag. Doris Prossliner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. Februar 2000, Zl. St 286/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes und Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über das Aufenthaltsverbot wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

In seinem Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 1. Februar 2000 wurden das von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Bescheid vom 20. November 1998 gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 8 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gegen die Beschwerdeführerin, eine ungarische Staatsangehörige, für die Dauer von drei Jahren erlassene Aufenthaltsverbot und der unter einem gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer (allfälligen) Berufung im Grund des § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.

Die Beschwerdeführerin sei am 16. November 1998 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist. Am 20. November 1998 sei sie durch Beamte des Gendarmeriepostenkommandos Regau und des Arbeitsinspektorates Wels in einer namentlich genannten Bar in Regau bei der Ausübung einer unerlaubten Tätigkeit als "Go-Go-Tänzerin" betreten worden. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 20. November 1998 habe die Beschwerdeführerin genaue Angaben "hinsichtlich des Kooperationsvertrages, Ihrer Arbeitszeit, Ihrer Getränkekonsumbeteiligung bzw. Art und Entlohnung Ihrer Tätigkeit als Tänzerin gemacht (siehe diesbezüglich die ausführliche Niederschrift)". Im Berufungsverfahren habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass ihre Tätigkeit in der genannten Bar von einem "Herrn der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck" kontrolliert und für in Ordnung befunden worden wäre. Sie habe in der Stellungnahme vom 15. Juli 1999 - diese findet sich nicht bei den Verwaltungsakten - darauf verwiesen, dass sie nach dem Kooperationsvertrag als wirtschaftlich selbstständige Darbieterin weisungsfrei und organisatorisch nicht an den Veranstalter gebunden hätte auftreten sollen. Der Entgeltbezug wäre ausschließlich der Vereinbarung zwischen ihr und dem jeweiligen Publikum unterlegen und von ihr selbst direkt vereinnahmt worden.

Die belangte Behörde gehe wie die Erstbehörde und das Arbeitsinspektorat vom Vorliegen einer illegalen Tätigkeit nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz aus. Der Beschwerdeführerin sei beizupflichten, dass die dem von ihr abgeschlossenen Kooperationsvertrag entsprechende Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit ohne eine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgeübt werden könne. Der im Kooperationsvertrag vereinbarte Rahmen sei jedoch von der Beschwerdeführerin "bei weitem gesprengt" worden. Die Beschwerdeführerin sei insoweit am wirtschaftlichen Erfolg der Bar beteiligt gewesen, als sie am Getränkekonsum mitverdient habe. Diese Tätigkeit gehe "klar in Richtung Animiertätigkeit" und sei keinesfalls mehr vom Kooperationsvertrag erfasst. Aber auch die übrigen Ausführungen der Beschwerdeführerin bei der niederschriftlichen Einvernahme (Hinweise auf Arbeitszeit und auf die Tatsache, dass sie nach Aufruf habe Tanzen müssen) ließen darauf schließen, dass die Beschwerdeführerin wirtschaftlich und organisatorisch in den Betrieb eingliedert gewesen sei. Auch nach Ansicht des Arbeitsinspektorrates handle es sich zumindest um ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis. Sowohl die Organisation der Auftritte als auch die Bezahlung sei durch den Geschäftsführer der Bar erfolgt.

Die ohne Beanstandungen verlaufene Kontrolle der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck in der Bar sei veranstaltungsrechtlicher Natur gewesen und könne an der mangelnden Erlaubtheit der Tätigkeit der Beschwerdeführerin nichts ändern.

Die Beschwerdeführerin hätte für ihre Tätigkeit somit nicht nur eine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz benötigt, sondern auf Grund der ausgeübten Erwerbstätigkeit auch einen Aufenthaltstitel, welchen sie nicht besessen habe. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf ihre Unkenntnis der österreichischen Rechtslage berufe, sei ihr entgegenzuhalten, dass es an ihr gelegen wäre, sich entsprechend zu erkundigen.

Da die Beschwerdeführerin in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz habe, keiner legalen Beschäftigung nachgehe und über keine familiären oder sonstigen Bindungen im Bundesgebiet verfüge, erübrige sich eine Erörterung, ob das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 FrG zulässig sei. Im Übrigen wäre das Aufenthaltsverbot auf Grund der großen Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch die illegal Beschäftigung und den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin sowohl im Grund des § 37 Abs. 1 FrG als auch im Grund des Abs. 2 dieser Bestimmung gerechtfertigt.

Von einer gesonderten "Absprache" über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung habe insofern Abstand genommen werden können, als die Verwaltungsangelegenheit bereits einer Gesamterledigung zugeführt worden sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 oder 2 dieser Bestimmung genannten Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß § 36 Abs. 2 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 8) von einem Organ der Arbeitsinspektorrate, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen.

2.1. Zwischen den Parteien besteht Übereinstimmung, dass es sich bei der in dem von der Beschwerdeführerin abgeschlossenen "Kooperationsvertrag" beschriebenen Tätigkeit um eine selbstständige Tätigkeit handelt, für deren Ausübung keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erforderlich ist.

Die belangte Behörde vertrat jedoch die Ansicht, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG deswegen erfüllt sei, weil die Beschwerdeführerin den Rahmen dieses Vertrages "bei weitem gesprengt" und eine bewilligungspflichtige unselbstständige Tätigkeit ausgeübt habe.

Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, keine über den "Kooperationsvertrag" hinausgehende Tätigkeit ausgeübt zu haben.

2.2. Zu klären ist somit, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich nur die im genannten Vertrag umschriebene selbstständige Tätigkeit oder darüber hinaus eine zumindest arbeitnehmerähnliche, dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegende Tätigkeit ausgeübt hat.

Dazu sind einerseits Feststellungen über den Inhalt des Kooperationsvertrages und andererseits Feststellungen über die konkrete Tätigkeit der Beschwerdeführerin erforderlich. Derartige Feststellungen sind jedoch im angefochtenen Bescheid nicht in ausreichendem Umfang enthalten.

Dieser Bescheid enthält - ebenso wie der Erstbescheid - keine Feststellungen über den Inhalt des - nicht bei den Verwaltungsakten erliegenden - "Kooperationsvertrages", sondern nur die Wiedergabe des Vorbringens der Beschwerdeführerin über die Grundzüge dieses Vertrages. Im Übrigen befindet sich die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 15. Juli 1999, die nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheid diese Ausführungen enthält, nicht bei den Verwaltungsakten.

Über die konkrete Tätigkeit der Beschwerdeführerin ist lediglich festgestellt, dass sie als "Go-Go-Tänzerin" aufgetreten sei und am Getränkekonsum mitverdient habe. Weiters ist festgehalten, dass nach Ansicht des Arbeitsinspektorrates sowohl die Organisation der Auftritte als auch die Bezahlung durch den Geschäftsführer der Bar erfolgt sei. Überdies ergäben sich aus der Niederschrift über die Einvernahme der Beschwerdeführerin "Hinweise" auf die Arbeitszeit und die Verpflichtung, nach Aufruf zu tanzen. Eine zusammenhängende Darstellung der von der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Tätigkeit erbrachten Leistungen enthält der Bescheid jedoch nicht.

Mangels ausreichender Feststellungen ist somit die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe - über den "Kooperationsvertrag" hinaus - eine Beschäftigung ohne die hiefür erforderliche Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgeübt, für den Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfbar.

3. Da die belangte Behörde den Ausspruch der Erstbehörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer (allfälligen) Berufung im Spruch ihres Bescheides bestätigt hat, steht die Passage in der Bescheidbegründung, wonach von einem derartigen Abspruch Abstand genommen habe werden können, mit dem Spruch in Widerspruch. Auf Grund dessen leidet der angefochtene Bescheid insofern an inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 575 wiedergegebene hg. Judikatur).

Hinzugefügt sei, dass das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin hinsichtlich dieses Ausspruches deshalb gegeben ist, weil das Aufenthaltsverbotsverfahren auf Grund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides in das Berufungsstadium zurücktritt und infolge dessen nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde über die Berufung gegen den Abspruch der Erstbehörde betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung - abgesondert - zu Gunsten der Beschwerdeführerin entscheidet. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 2000/18/0026.)

4. Im Hinblick auf die aufgezeigte Mangelhaftigkeit war der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch betreffend die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in seinem Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 leg. cit. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. September 2000

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Trennbarkeit gesonderter Abspruch Verhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG (siehe auch Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000180057.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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