TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/21 2000/20/0197

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Veröffentlicht am 21.09.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des WO in Graz, geboren am 22. September 1965, vertreten durch Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den am 8. Juni 1999 mündlich verkündeten und am 7. März 2000 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates Zl. 200.400/0-V/13/98, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 30. September 1997 in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. Oktober 1997 einen Asylantrag, den der damit begründete, dass er einer der Hauptorganisatoren einer am 14. September 1997 in seinem Heimatland durchgeführten Demonstration gewesen sei. Er sei als PR-Manager der politischen Bewegung CD (Campaign for Democracy) für eine bestimmte Region innerhalb des Edo-State zuständig gewesen. Am 15. September 1997 habe sich der Beschwerdeführer einer Verhaftung durch die Polizei entziehen können und er habe aus Furcht, vor ein Militärtribunal gestellt und mit dem Tod bestraft zu werden, die Flucht ergriffen.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1997 wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 3 AsylG 1991 ab.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Juni 1999 abgewiesen. Sie schenkte den Angaben des Beschwerdeführers über die Gründe, aus welchen er in seinem Heimatland verfolgt werde, wegen der groben Unkenntnis über die angeblich von ihm vertretene politische Bewegung keinen Glauben. Der Beschwerdeführer deponierte insbesondere, der führende Aktivist der CD, Herr Dr. Beko Ransome-Kuti, habe im Jahre 1997 im Rahmen von Großdemonstrationen persönlich vor Menschen gesprochen und er habe diese Ansprachen sogar im Radio gehört. Auf Vorhalt, dass Dr. Ransome-Kuti am 27. Juli 1995 von staatlichen Behörden verhaftet und erst am 16. Juni 1998 wieder frei gelassen worden sei, habe der Beschwerdeführer keine plausiblen Erklärungen geben können.

Die belangte Behörde stellte ferner fest, dass sich die politische Situation in Nigeria seit der Flucht des Beschwerdeführers aus diesem Land wesentlich gebessert habe. General Abdusalam Abubakar habe im Juni 1998 bei seinem Amtsantritt versprochen, die Demokratisierung des Landes voranzutreiben. Bei den Kommunalwahlen vom 5. Dezember 1998 sei die Partei des früheren Staatschefs Obasanjo, die PDP (Peoples Democratic Party) als klare Siegerin hervorgegangen. Die PDP habe bei dem Urnengang zur Wahl von Parlamenten und Gouverneuren am 9. Jänner 1999 in 20 Staaten die Mehrheit erzielt und werde den Gouverneur stellen. Diese Wahlen seien allgemein von Beobachtern und der unabhängigen Wahlkommission als Erfolg für die Demokratie bewertet worden. Die Abstimmung sei überall friedlich verlaufen und die Wahlbeteiligung sei sehr hoch gewesen. Aus den am 22. Februar 1999 durchgeführten Parlamentswahlen sei der Ex-Militärmachthaber Obasanjo als klarer Sieger hervorgegangen. Ende Mai wollten die Militärs ihre Macht nach 15 Jahren der Diktatur an den neu gewählten Präsidenten übergeben. Der von den Verlierern der Präsidentenwahl angestrebten Klage gegen das Wahlresultat wegen verbreiteter Wahlfälschung würden nur geringe Chancen eingeräumt. Die zum Teil groben Fälschungsmanöver auf beiden Seiten reichten nicht aus, um das klare Wahlergebnis in Frage zu stellen.

Sämtliche Militär- und Zivilpersonen, die angeblich in zwei Komplotte gegen den verstorbenen Militärmachthaber Abacha in den Jahren 1995 und 1997 verwickelt gewesen sein sollen, seien begnadigt worden. Mit der Note vom 3. März 1999 habe die österreichische Botschaft in Lagos mitgeteilt, dass seit dem Tod von General Abacha sämtliche politischen Gefangenen auf freien Fuß gesetzt worden seien. Eine Verfolgung auf Grund politischer bzw. ethnischer Zugehörigkeit durch staatliche Autoritäten könne unter den gegenwärtigen Verhältnissen so gut wie ausgeschlossen werden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland keine asylrelevante Verfolgung zu befürchten habe. Selbst wenn man seine Behauptungen über die Fluchtgründe als wahr unterstellte, würden die zwischenzeitigen grundlegenden politischen Veränderungen in seinem Heimatland eine weitere Verfolgungsgefahr ausschließen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer tritt der Schlussfolgerung der belangten Behörde über seine persönliche Unglaubwürdigkeit mit dem Argument entgegen, dass man die Verhältnisse in Nigeria mit mitteleuropäischen Verhältnissen nur bedingt vergleichen könne. Er selbst lese keine Zeitung und erhalte keine Informationen über das Radio oder das Fernsehen. Das gesamte politische Bewusstsein insbesondere der ärmeren Bevölkerung sei unterentwickelt und bedürfe einer längerfristigen Entwicklung und Reifung. Daher habe die belangte Behörde das Informationserfordernis gegenüber dem Beschwerdeführer überspannt.

Der Beschwerdeführer verkennt jedoch, dass die Beweiswürdigung nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen unterliegt der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 549 f, abgedruckte hg. Judikatur). Mit seinem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer jedoch nicht die auf den Wissensmangel und die Widersprüche in den Behauptungen des Beschwerdeführers gegründete Beweiswürdigung der belangten Behörde zu erschüttern. Das gilt insbesondere für die detaillierten Feststellungen über die geänderte politische Situation in Nigeria, welchen der Beschwerdeführer lediglich entgegenhält, dass die Familie und der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers die Situation nach wie vor für unsicher hielten und dem Beschwerdeführer daher dringend angeraten hätten, vorerst nicht zurückzukehren.

Ein Verfahrensmangel soll darin liegen, dass die belangte Behörde ihre Informationen einerseits zu aktualisieren gehabt hätte und andererseits Anfragen über die Situation in der Heimatstadt des Beschwerdeführers sowie über die Person des Beschwerdeführers hätte durchführen müssen. Der Beschwerdeführer sei im gesamten Verfahren niemals aufgefordert worden, Zeugen namhaft zu machen oder Urkunden vorzulegen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nur relevante Verfahrensverletzungen zur Aufhebung eines damit belasteten Bescheides führen könnten. Ist die Relevanz eines solchen Verfahrensfehlers nicht offenkundig, so ist in der Beschwerde konkret darzulegen, inwieweit die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1999, Zl. 98/20/0579). Der Beschwerde lässt sich jedoch nicht entnehmen, um welche Zeugen oder Urkunden es sich dabei handelt und inwieweit die Ergebnisse dieser Beweismittel zu einem anderen Bescheid hätte führen können.

Die belangte Behörde verstieß auch nicht gegen Ermittlungspflichten. Der bezughabende § 28 AsylG konkretisiert lediglich die aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Es ist jedoch in Anbetracht der unglaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, welche weiteren Erhebungen geeignet gewesen sein könnten, die belangte Behörde vom Vorliegen des behaupteten Fluchtgrundes zu überzeugen.

Auch über die geänderten politischen Verhältnisse in Nigeria hat die belangte Behörde die im Bescheid wiedergegebenen Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt. Sie hat dem Beschwerdeführer mit zweimaligem "Parteiengehörschreiben" Gelegenheit gegeben, zu den diesbezüglichen Beweisergebnissen Stellung zu nehmen. Die vom Beschwerdeführer geäußerte allgemeine Skepsis gegenüber der Nachhaltigkeit der demokratischen Entwicklungen in Nigeria ist nicht geeignet, weitere Ermittlungen nahe zu legen oder an der Stichhaltigkeit der bisher eingeholten Informationen zu zweifeln.

Wenn die Beschwerde geltend macht, dass sich in Nigeria seit Februar 2000 ein Religionskrieg zwischen Christen und Moslems entwickelt habe, bei dem mindestens 500 Menschen umgekommen seien, so steht einer Berücksichtigung dieses Vorbringens das verwaltungsgerichtliche Neuerungsverbot entgegen.

Schließlich ist der belangten Behörde auch insoweit kein Rechtsirrtum unterlaufen, als sie den festgestellten Sachverhalt auf Informationen gestützt hat, die - von der Ausfertigung des angefochtenen Bescheides aus gesehen - bereits rund ein Jahr alt waren. Die belangte Behörde hatte den Verfahrensgegenstand der Asylgewährung nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - das war im vorliegenden Fall der Zeitpunkt der mündlichen Verkündung vom 8. Juni 1999 - vorlagen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 21. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000200197.X00

Im RIS seit

29.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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