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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 2005 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über die Revision des A O in T, vertreten durch Dr. Stephan Gruböck, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Beethovengasse 4-6, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2014, Zl. I405 1235384- 2/5E, betreffend eine Asylangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 24. Oktober 2013 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 15. November 2013 wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und wies den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nach Nigeria aus.
Der mit 10. Dezember 2013 datierten Übernahmebestätigung zufolge wurde dieser Bescheid dem Revisionswerber am 10. Dezember 2013 beim Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, persönlich ausgefolgt. In einer ebenfalls im Verwaltungsakt enthaltenen "Fremdenpolizeiliche(n) Information" vom 11. Dezember 2013 wiederum wird festgehalten, dass der Bescheid mit 11. Dezember 2013 erlassen worden sei.
Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 erhob der Revisionswerber Beschwerde gegen diesen Bescheid.
Einem im Verwaltungsakt erliegenden E-Mail Verkehr vom 27. Jänner 2014 ist zu entnehmen, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das nunmehrige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Erstaufnahmestelle Ost, um Auskunft zu den divergierenden Angaben zum Zustelldatum des asylbehördlichen Bescheides ersuchte. Die Erstaufnahmestelle Ost teilte daraufhin mit, dass der Bescheid am 10. Dezember 2013 zugestellt und in der Fremdenpolizeilichen Information "irrtümlich (bzw. Schreibfehler)" angegeben worden sei, dass der Bescheid mit 11. Dezember 2013 erlassen worden sei. Die Zustellung sei wie auf der Übernahmebestätigung angegeben am 10. Dezember 2013 erfolgt.
Mit Schreiben vom 28. Jänner 2014 setzte das BVwG den Revisionswerber darüber in Kenntnis, dass die Rechtsmittelfrist nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen am 17. Dezember 2013 geendet habe und die am 18. Dezember 2013 eingebrachte Beschwerde daher gemäß § 63 Abs. 5 AVG verspätet sei. Der Revisionswerber werde ersucht, dazu bis 30. Jänner 2014 ab Zustellung des Schreibens eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Dieses Schriftstück wurde an den Revisionswerber adressiert und die Zustellung zu eigenen Handen (RSa) verfügt.
Laut dem im Akt befindlichen RSa-Rückschein wurde dieses Schreiben der Stampiglie zufolge am 30. Jänner 2014 vom BFA, Erstaufnahmestelle Ost, übernommen. Dass es dem Revisionswerber zugekommen wäre, ist hingegen nicht feststellbar.
Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2014 erfolgte die Vollmachtsbekanntgabe durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Rechtsanwalt Dr. Lennart Binder für den Revisionswerber.
Das BVwG teilte daraufhin dem Revisionswerber mit Schreiben vom 20. Februar 2014 erneut mit, dass es dessen Beschwerde nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen als verspätet erachte. Der Revisionswerber werde ersucht, bis zum 28. Februar 2014 ab Zustellung des Schreibens schriftlich dazu Stellung zu nehmen.
Dieses Schreiben wurde nach der Aktenlage an das BFA Regionaldirektion Niederösterreich am 24. Februar 2014 per Fax zugestellt. Eine Zustellverfügung oder ein Hinweis auf eine Zustellung dieses Schreibens an den Revisionswerber im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung sind dem Verwaltungsgerichtsakt nicht zu entnehmen.
2. Mit Beschluss vom 14. März 2014 wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.
3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die gegenständliche Revision. Zur Zulässigkeit und zur Sache führt der Revisionswerber unter anderem aus, der angefochtene Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil der Revisionswerber von den Verständigungen des BVwG keine Kenntnis erlangt habe und so sein Recht auf Parteiengehör nicht habe wahrnehmen können. Der angefochtene Beschluss sei außerdem rechtswidrig, weil der Revisionswerber seine Beschwerde fristgerecht eingebracht habe. Das BVwG sei aus näher dargelegten Gründen von einem falschen Zustelldatum (10. Dezember 2013) ausgegangen. Tatsächlich sei dem Revisionswerber der erstinstanzliche Bescheid erst am 11. Dezember 2013 persönlich ausgefolgt worden.
Das BFA hat von einer Revisionsbeantwortung Abstand genommen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Gemäß § 21 Zustellgesetz - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, dürfen zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.
Nach ständiger hg. Rechtsprechung hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. Jänner 2008, 2005/01/0600, und vom 20. Oktober 2010, 2008/23/0036, mwH).
Der Revisionswerber bringt vor, mangels rechtswirksamer Zustellung von keinem der beiden Verspätungsvorhalte des BVwG Kenntnis erlangt zu haben.
Auch dem Verwaltungsgerichtsakt sind keine Belege einer gesetzmäßigen Zustellung zu entnehmen. So wurde der erste Verspätungsvorhalt vom 28. Jänner 2014 nach der Aktenlage mittels RSa an den als Empfänger bezeichneten Revisionswerber übermittelt. Obwohl die Zustellung dementsprechend zu seinen eigenen Handen zu erfolgen hatte, weist der Rückschein des RSa-Kuverts eine Übernahme durch das BFA, Erstaufnahmestelle Ost, nicht aber des Revisionswerbers aus.
Hinsichtlich des zweiten Verspätungsvorhalts vom 20. Februar 2014 enthält der Verwaltungsgerichtsakt keinen Hinweis auf einen gesetzmäßigen Zustellvorgang; ein solcher konnte vom BVwG auch auf hg. Nachfrage hin nicht dokumentiert werden.
Mangels rechtswirksamer Zustellung der Verspätungsvorhalte konnten diese gegenüber dem Revisionswerber somit keine Rechtswirksamkeit entfalten.
Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben, zumal im Hinblick auf das zur Frage der Zustellung erstattete Vorbringen des Revisionswerbers nicht ausgeschlossen werden kann, dass das belangte Gericht bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers und Berücksichtigung des Vorbringens des Revisionswerbers zum Zustellvorgang des asylbehördlichen Bescheides zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 28. Jänner 2015
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014180026.L00Im RIS seit
05.03.2015Zuletzt aktualisiert am
20.03.2015