TE Vwgh Erkenntnis 2015/1/28 2011/13/0120

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2015
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §16 Abs1 Z10;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Stefan Schermaier, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Rilkeplatz 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 3. Oktober 2011, Zl. RV/3742-W/10, betreffend Einkommensteuer 2005 bis 2008, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1982 geborene Beschwerdeführer begann 2001 ein Jusstudium, war seit 2004 als Profihandballer berufstätig und setzte daneben, soweit es die zum Teil auch im Ausland ausgeübte Berufstätigkeit zuließ, das Jusstudium fort. Strittig sind die von ihm als Kosten einer umfassenden Umschulungsmaßnahme geltend gemachten Kosten des Jusstudiums in den Streitjahren 2005 bis 2008.

Im Verfahren über seine Berufung gegen Einkommensteuerbescheide des Finanzamts, in denen diese Kosten nicht anerkannt wurden, machte der Beschwerdeführer insbesondere geltend, die profimäßige Ausübung des Handballsports sei altersmäßig begrenzt. Selbst bei Ausbleiben gröberer Verletzungen und unter der Voraussetzung besten Gesundheitszustandes werde er diese Berufstätigkeit "bis längstens 35 Jahre" ausüben können, was er auch anstrebe. Danach müsse er aber auf andere Weise für seinen Lebensunterhalt sorgen. Er habe - so das Vorbringen in einem Ergänzungsschreiben zur Berufung - "noch keine konkreten Pläne, in welchem Bereich er später als Jurist tätig sein möchte - ob er versucht in einer Rechtsanwaltskanzlei aufgenommen zu werden oder im Wirtschaftsbereich unterzukommen". Im Vorlageantrag gegen eine abweisende Berufungsvorentscheidung gab er dazu an, er "möchte" "in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig werden". In der Berufungsverhandlung führte sein Vertreter aus, spätestens nach dem 35. Lebensjahr beabsichtige der Beschwerdeführer "als Jurist zu arbeiten". Die Umschulungsmaßnahme ziele darauf ab, in Zukunft seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, da er "gezwungen sein" werde, "seine Sportlerkarriere zu beenden".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab, was sie in Bezug auf die geltend gemachten Umschulungskosten im Anschluss an allgemeine Rechtsausführungen wie folgt begründete:

"Der Bw. beantragt die Aufwendungen im Zusammenhang mit seinem Jusstudium als Umschulungskosten und somit als Werbungskosten zu berücksichtigen. Das Jusstudium wurde im Wintersemester 2001 begonnen. Ab 1. Juli 2004 war der Bw. als Profihandballer beim Verein A. tätig. Bis zu diesem Zeitpunkt stellte das Studium daher jedenfalls keine Umschulungsmaßnahme dar und sind sämtliche damit in Zusammenhang stehenden Kosten Aufwendungen der privaten Lebensführung iSd. § 20 EStG 1988 und somit nicht abzugsfähig. Dadurch, dass der Bw. im weiteren Verlauf des Studiums die Tätigkeit als Profihandballer ausübte und aus dieser Tätigkeit Einkünfte erzielt, wird das Studium, das er gleichzeitig fortsetzt, nicht zu einer Umschulungsmaßnahme in dem Sinn, dass der Bw. aus der Sicht der Erwerbstätigkeit als Profihandballer nunmehr ein Studium beginnt, das auf die Ausübung eines anderen Berufes abzielt. Dieses Abzielen auf die Ausübung eines anderen Berufes, das erst ein Studium zu einer begünstigten Umschulungsmaßnahme iSd. § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 macht, ist aus der Sicht der bisherigen Tätigkeit zu sehen, da nur dann beurteilt werden kann, inwiefern es sich bei der durch die Umschulung angestrebten Tätigkeit um eine 'andere' handelt. Umschulung kann begrifflich nur der Wechsel von einer Tätigkeit zu einer anderen sein, die inhaltlich andere Kenntnisse erfordert, die sich der Veränderungswillige erst aneignen muss. Die Umschulung setzt auch - wie bereits ausgeführt - eine Willensentscheidung voraus, diese berufliche Veränderung gegenüber der bisherigen Tätigkeit herbeiführen zu wollen. Ein Studium wird daher nicht dadurch zu einer Umschulungsmaßnahme, dass es neben der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit fortgesetzt wird. Wenn nun aber das Studium schon begrifflich an sich keine Umschulung darstellt, kann daran auch das Vorbringen des Bw. hinsichtlich der konkreten Absicht, einen anderen Beruf ausüben zu wollen nichts ändern. Die Ausführungen des Bw. dazu sind im Übrigen äußerst unbestimmt: Bei dem Vorbringen, dass der Bw. mit längstens 35 Jahren mit dem Ende seiner Sportkarriere rechnen müsse, handelt es sich lediglich um eine Mutmaßung, die in dieser allgemeinen Form nichts darüber aussagt, welche andere Tätigkeit der Bw. aufnehmen werde. Ausdrücklich wird in dem Ergänzungsschreiben vom 20. Juli 2010 vorgebracht, dass der Bw. hoffe, den Handballsport doch noch einige Jahre ausüben zu können. Er habe noch keine konkreten Pläne, in welchem Bereich er später als Jurist tätig sein möchte. Es könne sich um eine Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei oder im Wirtschaftsbereich handeln. Laut Vorbringen in der mündlichen Verhandlung habe er die 'Absicht als Jurist zu arbeiten'. Diesen Vorbringen ist zu entnehmen, dass sich der Bw. jede Art von Tätigkeit vorstellen könnte, in der juristische Kenntnisse von Vorteil sind. Diese Vorstellungen des Bw. im Hinblick auf seine weitere berufliche Tätigkeit sind jedoch nichts weiter als Wunschvorstellungen, die den von Lehre und Judikatur restriktiv ausgelegten Begriff einer Umschulungsmaßnahme nicht erfüllen.

Daran ändern auch die Vorbringen des Bw. im Vorlageantrag nichts:

dass er den Beruf des Profihandballers nur bis 35 Jahre ausüben könne, ist eine Annahme, die möglicherweise gewissen Erfahrungswerten hinsichtlich der Belastbarkeit von Profisportlern entspricht. Das Vorbringen, 'er möchte in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig werden' ist nicht geeignet, die Absicht in einem anderen Beruf tätig zu werden ausreichen(d) zu begründen, da gerade das Jusstudium eine Vielfalt von Betätigungsfeldern eröffnet und daher der Bw., wenn sich seine Wunschvorstellung nicht realisieren lässt ('möchte'), in jedem anderen Beruf tätig werden kann, in dem juristische Kenntnisse zumindest von Vorteil sind. Wenn auch die bisherige lange Dauer des Studiums mit der hauptberuflichen Tätigkeit begründbar erscheint, so ist zu bedenken, dass der Bw. erst in sechs Jahren das 35. Lebensjahr vollenden wird und trotz behaupteter Absicht nach Beendigung der Profisportlerkarriere zu diesem Zeitpunkt als Jurist arbeiten zu wollen, nach dem bisher vorliegenden Sachverhalt noch völlig unbestimmt ist, wie sich der Bw. künftig seinen Lebensunterhalt verdienen wird.

Da schon begrifflich keine Umschulung vorliegt, erübrigt es sich auf weitere Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates, in denen Umschulungskosten als Werbungskosten anerkannt wurden, einzugehen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der auch für den Streitzeitraum schon maßgeblichen geltenden Fassung u. a. "Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen". Eine entsprechende Bestimmung enthält § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988.

Warum es sich beim Jusstudium des als Profisportler berufstätigen Beschwerdeführers "schon begrifflich" um "keine Umschulung" (das Gesetz spricht von "Umschulungsmaßnahmen") handeln soll, geht aus den Darlegungen der belangten Behörde nicht klar hervor. Dass eine Tätigkeit als "Jurist" aus der "Sicht der bisherigen Tätigkeit" als Profihandballer die "Ausübung eines anderen Berufes" bedeuten würde und es dazu eines Jusstudiums bedarf, scheint die belangte Behörde im ersten Teil ihrer Ausführungen zunächst in Frage stellen zu wollen, um sich dann aber - unter vorläufiger Ausklammerung des Vorbringens, das unabwendbare Ende der Profisportkarriere sei absehbar - auf die Aussage zurückzuziehen, eine Umschulungsmaßnahme liege nicht schon dann vor, wenn ein Studium "neben der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit fortgesetzt" werde. Für den vorliegenden Fall soll sich daraus ergeben, dass "das Studium schon begrifflich an sich keine Umschulung darstellt", woran auch das Vorbringen über die konkrete Absicht, später einen anderen Beruf ausüben zu wollen, "nichts ändern" könne. Dass dieses Vorbringen zu unbestimmt sei, wird nur mehr "im Übrigen", also nicht mehr als tragendes Argument ins Treffen geführt.

Als sachliches Substrat dieses Teils der Ausführungen ist nur der Hinweis darauf zu erkennen, dass das Studium schon vor dem Beginn der Berufstätigkeit begonnen worden war. Wenn das Studium bei Aufnahme der völlig andersartigen Berufstätigkeit nicht abgebrochen, sondern im Hinblick auf die Unmöglichkeit, diese Berufstätigkeit bis zur Erreichung des Pensionsalters auszuüben, unter Schwierigkeiten fortgesetzt wurde, dann führt eine auf den Streitzeitraum bezogene Betrachtung aber gerade unter dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten Blickwinkel der "bisherigen Tätigkeit" zum Ergebnis, dass es im Sinne des Gesetzes zur Ausübung eines "anderen Berufes" qualifizieren soll. Dabei liegt im vorliegenden Fall auch keine Berufstätigkeit vor, die nur zur Finanzierung des Studiums aufgenommen wurde, sodass auf diese im Schrifttum (vgl. z. B. Hammerl, SWK 2004, 1270) erörterte Konstellation hier nicht eingegangen werden muss.

Das Gesetz begnügt sich nicht damit, dass das Studium die Ausübung eines anderen als des bisherigen Berufes ermöglicht. Es verlangt, dass die Maßnahmen "auf eine tatsächliche Ausübung" eines anderen Berufes "abzielen". In diesem Zusammenhang bezeichnet es die belangte Behörde - im zweiten Teil ihrer Ausführungen - zunächst als bloße "Mutmaßung", dass der Beschwerdeführer seine Profisportkarriere spätestens mit 35 Jahren beenden müsse. Später wird eingeräumt, diese "Annahme" entspreche "möglicherweise gewissen Erfahrungswerten". Zur "Mutmaßung" wird auch nur näher ausgeführt, sie besage "in dieser allgemeinen Form" nichts darüber, "welche" andere Tätigkeit der Beschwerdeführer aufnehmen werde. Tragender Gesichtspunkt dieses zweiten Teils der Ausführungen scheint somit zu sein, dass "das Jusstudium eine Vielfalt von Betätigungsfeldern eröffnet" und der Beschwerdeführer noch nicht in der Lage war, sich auf eines davon festzulegen und die Realisierbarkeit seiner diesbezüglichen "Wunschvorstellung" glaubhaft zu machen.

Zu dieser Argumentation kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2013, 2011/15/0159, verwiesen werden. Eine Universitätsausbildung zielt im Allgemeinen gerade darauf ab, dass die Absolventen Fähigkeiten erwerben, aufgrund derer sie sodann in unterschiedlichsten Bereichen erfolgreich tätig werden können, was der Subsumierbarkeit der Aufwendungen für eine solche Ausbildung unter die hier auszulegende Bestimmung nicht entgegensteht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 28. Jänner 2015

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:2011130120.X00

Im RIS seit

02.03.2015

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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