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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Revision des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag in 8600 Bruck an der Mur, An der Postwiese 8, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 23. September 2014, Zl. RV/2101146/2014, betreffend Zurücknahmeerklärung des Vorlageberichtes (Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2009 bis 2011) und Einstellung des Beschwerdeverfahrens (mitbeteiligte Partei: H E in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheiden vom 25. März 2014 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2009 bis 2011 der Mitbeteiligten gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte die Einkommensteuer für diese Jahre neu fest.
Mit Eingabe vom 22. Mai 2014 erhob die - durch eine Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs GmbH vertretene - Mitbeteiligte "Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2009, 2010 und 2011 vom 25. März 2014". Angefochten wurde darin die Festsetzung der Sicherheitszuschläge im Rahmen der Gewinnermittlung.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 1. August 2014 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Eingabe vom 13. August 2014 beantragte die Mitbeteiligte, die Beschwerde vom 22. Mai 2014 gegen die Einkommensteuerbescheide 2009, 2010 und 2011 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Das Finanzamt legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom 20. August 2014 dem Bundesfinanzgericht vor.
Mit Beschluss vom 3. September 2014 trug das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt "gemäß § 85 Abs. 2 iVm § 2a BAO" auf, folgenden Mangel des Vorlageberichtes vom 20. August 2014 binnen 14 Tagen zu beheben: Laut Vorlagebericht seien u.a. auch die dem Vorlagebericht beigelegten Bescheide vom 25. März 2014 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2009 bis 2011 angefochten. Die diesbezügliche Beschwerde sei dem Vorlagebericht aber nicht angeschlossen. Die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2009 bis 2011 sei daher (elektronisch) nachzureichen. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Vorlagebericht vom 20. August 2014 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für 2009 bis 2011 als zurückgenommen gelte, wenn der angeführte Mangel innerhalb der gesetzten Frist nicht vollständig behoben werde.
Mit Schreiben vom 9. September 2014 teilte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht mit, die Wiederaufnahmebescheide 2009 bis 2011 seien versehentlich unter der Rubrik "Folgende Bescheide sind angefochten" abgespeichert worden. Tatsächlich hätten hier lediglich die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2011 angeführt gehört, da Gegenstand im Beschwerdeverfahren ausschließlich die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2011 seien. Die Wiederaufnahmebescheide hätten lediglich als sonstige Aktenteile angegeben werden sollen. Aus diesem Grund sei daher eine Nachreichung der Beschwerde betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2009 bis 2011 mangels Existenz derselben nicht möglich.
Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte das Bundesfinanzgericht den Vorlagebericht des Finanzamtes vom 20. August 2014 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2009 bis 2011 als zurückgenommen und stellte das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht ein.
Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, da dem Auftrag zur Mängelbehebung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen worden sei (bzw. nicht habe nachgekommen werden können), erkläre das Bundesfinanzgericht den Vorlagebericht betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 85 Abs. 2 BAO iVm § 278 Abs. 1 lit. b BAO als zurückgenommen.
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei im vorliegenden Fall zulässig, weil die Rechtsfrage, ob im Fall eines mangelhaften Vorlageberichtes eines Finanzamtes vom Bundesfinanzgericht ein Mängelbehebungsauftrag gemäß § 85 Abs. 2 BAO mit den im Gesetz genannten Rechtsfolgen zu erlassen sei, vom Verwaltungsgerichtshof bisher noch nicht entscheiden worden sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Revision des Finanzamtes, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 243 BAO (jeweils - soweit im Folgenden nicht anders angeführt - idF FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013) sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Nach § 249 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde bei der Abgabenbehörde einzubringen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Wird eine Bescheidbeschwerde innerhalb der Frist des § 245 BAO beim Verwaltungsgericht eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; das Verwaltungsgericht hat die bei ihm eingebrachte Bescheidbeschwerde unverzüglich an die Abgabenbehörde weiterzuleiten.
Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. In den in den Absätzen 2 bis 4 genannten Fällen (welche im Revisionsfall nicht vorliegen) hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben.
Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden.
§§ 265 und 266 BAO (samt Überschrift) lauten:
"11. Vorlage der Beschwerde und der Akten
§ 265. (1) Die Abgabenbehörde hat die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
(2) Die Vorlage der Bescheidbeschwerde hat jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.
(3) Der Vorlagebericht hat insbesondere die Darstellung des Sachverhaltes, die Nennung der Beweismittel und eine Stellungnahme der Abgabenbehörde zu enthalten.
(4) Die Abgabenbehörde hat die Parteien (§ 78) vom Zeitpunkt der Vorlage an das Verwaltungsgericht unter Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichtes zu verständigen.
(5) Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist auch die Abgabenbehörde, deren Bescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten ist.
(6) Die Abgabenbehörde ist ab der Vorlage der Bescheidbeschwerde verpflichtet, das Verwaltungsgericht über Änderungen aller für die Entscheidung über die Beschwerde bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverzüglich zu verständigen. Diese Pflicht besteht ab Verständigung (Abs. 4) auch für den Beschwerdeführer.
§ 266. (1) Die Abgabenbehörde hat, soweit nicht anderes angeordnet ist, gleichzeitig mit der Vorlage der Bescheidbeschwerde die Akten (samt Aktenverzeichnis) vorzulegen. Die Abgabenbehörde hat den Parteien (§ 78) eine Ausfertigung des Aktenverzeichnisses zu übermitteln.
(2) Mit Zustimmung des Verwaltungsgerichtes darf die Übermittlung der Beschwerde (§ 265) und die Aktenvorlage (Abs. 1) in Form von Ablichtungen erfolgen.
(3) Soweit Akten oder Beweismittel nur auf Datenträgern vorliegen, sind auf Verlangen des Verwaltungsgerichtes ohne Hilfsmittel lesbare, dauerhafte Wiedergaben von der Abgabenbehörde bzw. von der Partei (§ 78) beizubringen.
(4) Soweit die Abgabenbehörde die Vorlage von Akten (Abs. 1 bzw. bezüglich Maßnahmenbeschwerden oder Säumnisbeschwerden auf Verlangen des Verwaltungsgerichtes) unterlässt, kann das Verwaltungsgericht nach erfolgloser Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen."
Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht anderes vorsehen, ist das Verwaltungsgericht gemäß § 291 Abs. 1 BAO verpflichtet, über Anträge der Parteien und über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Bescheidbeschwerden beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde (§ 265 BAO).
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FVwGG 2012 (2007 BlgNR 24. GP 18) wird u.a. ausgeführt, § 265 Abs. 2 und 3 BAO "soll den Verwaltungsgerichten den Überblick über die strittigen Sach- und Rechtsfragen erleichtern".
Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt nach diesen Bestimmungen die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde. Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde. Der Vorlagebericht dient hingegen - wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht - bloß dazu, um den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs. 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde. Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst; die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde. Dass eine Mangelhaftigkeit des Vorlageberichts Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung in der Sache oder auf den Beginn des Laufes der Entscheidungsfrist hätte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Anders als das Unterlassen der Vorlage der Akten (vgl. § 266 Abs. 4 BAO) ermöglicht das bloße Unterlassen der Übermittlung eines Vorlageberichtes auch nicht eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers.
Wenn der Vorlagebericht andere (oder zusätzliche oder auch weniger) anzufechtende Bescheide bzw. erhobene Rechtsmittel nennt als jene, die vorgelegt werden, so wird das Bundesfinanzgericht diesen Widerspruch aber aufzuklären haben (§ 115 BAO).
Mit Verbesserungsauftrag kann hingegen nicht vorgegangen werden. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenverwaltungsreformgesetz, BGBl. I Nr. 20/2009, (38 BlgNR 24. GP 7) kommen Mängelbehebungsaufträge "wie bisher" "nur für Anbringen zur Geltendmachung von Rechten in Betracht, weil nur für solche Anbringen ein Zurücknahmebescheid möglich ist". Bei der Beifügung eines Vorlageberichtes im Rahmen einer Beschwerdevorlage handelt es sich um die Erfüllung einer Rechtspflicht des Finanzamtes (vgl. Tanzer in Holoubek/Lang, Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 285 ff (290)), nicht aber um die Geltendmachung eines Rechtes durch das Finanzamt (als Partei des Beschwerdeverfahrens).
Schon deswegen erweist sich der angefochtene Beschluss als inhaltlich rechtswidrig.
Wenn - wie im hier vorliegenden Verfahren - das Finanzamt den Widerspruch zwischen Vorlagebericht und den vorgelegten Bescheiden und Bescheidbeschwerden in der Weise aufklärt, dass im Vorlagebericht irrtümlicherweise weitere Rechtsmittel genannt wurden (Beschwerde auch gegen die Wiederaufnahmebescheide), so hat das Bundesfinanzgericht ohne Weiteres - also ohne Entscheidung über den Vorlagebericht - über die vorgelegte Bescheidbeschwerde zu entscheiden.
Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am 29. Jänner 2015
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:RO2015150001.J00Im RIS seit
05.03.2015Zuletzt aktualisiert am
02.02.2018