TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/21 2000/20/0300

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Veröffentlicht am 21.09.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der PO in Graz, geboren am 2. Februar 1962, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 10/3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Mai 2000, Zl. 200.826/0-V/14/98, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, reiste am 30. Mai 1997 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. August 1997 wurde dieser Antrag abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 AsylG ab und traf folgende Feststellungen:

"Schon seit langer Zeit gab es Auseinandersetzungen zwischen den Stämmen der Ijaw, Unbro, Isoko und dem Stamm der Eshekire, dem sie - als erste Tochter des zweiten Führers - angehört. Der Konflikt dreht sich nun um das Land, keiner der drei Stämme hat Anspruch auf dieses. Am 8.5.1997 gab es wieder eine Auseinandersetzung: Es sollte ein Versammlung zwischen den Ijaws und den Eshekire stattfinden, in der es darum ging, wer den Sitz der örtlichen Gemeindeverwaltung inne haben sollte. Der Hauptsitz dieser Gemeindeverwaltung war aus dem Land der Ijaw in ihr Land, dem der Eshekire, verlegt worden, was naturgemäß Konflikte hervorrief. Ihr Vater hätte die Regierung - die schon öfters die Auseinandersetzungen zu stoppen versucht hat - informieren sollen, hat dies aber nicht getan. In den folgenden Auseinandersetzungen zwischen den beiden Stämmen wurden ihr Vater und ihre beiden Brüder getötet. Sie selbst war an den Kämpfen nicht beteiligt. Weil in Folge des Kampfes viele Ijaws getötet wurden, suchten sie die Angehörigen dieses Stammes zu Hause. In der Nacht wurde sie darüber von einem ca. fünfzehnjährigen Jungen gewarnt. Da ihr Vater die Behörden nicht rechtzeitig von der geplanten Versammlung unterrichtet hatte, konnten die Behörden nicht mehr Sicherheitskräfte schicken, um das Blutvergießen, bei dem auch zwei Polizisten den Tod fanden, zu verhindern. Sie hatte Angst vor den Ijaws, die sie umbringen wollten. Die Möglichkeit, in eine andere Stadt, zB. Lagos, zu flüchten, hat bestanden. Nicht festgestellt werden konnte hingegen, dass sie selbst, weil ihr Vater die Behörden von der bevorstehenden Versammlung nicht informiert hatte, von diesen nunmehr gesucht wird. So gibt sie auf die Frage, wer zu ihrem Haus gekommen ist an, dass die Ijaws sie gesucht haben."

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie wäre in ihrer Eigenschaft als erste Tochter ihres Vaters, dem "Zweiten Mann" in ihrem Stamm, von den staatlichen Organen gesucht worden, weil ihr Vater die Regierung nicht über die abzuhaltende Stammesversammlung informiert habe, schenkte die belangte Behörde keinen Glauben. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht vorgebracht, dass der Staat die befürchteten Übergriffe durch Angehörige des verfeindeten Stammes dulden würde.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass eine Verfolgung der Beschwerdeführerin aus asylrelevanten Motiven nicht vorliege und überdies in Nigeria, insbesondere in Lagos, angesichts der insgesamt 107 Millionen Einwohner eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde macht zunächst geltend, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin Gelegenheit hätte geben müssen, sich zu den für die Behörde objektiv nicht nachvollziehbaren Angaben zu äußern. Die Beschwerde unterlässt aber Angaben darüber, was der Inhalt dieser Äußerungen gewesen sein könnte und inwieweit dadurch die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Nur relevante Verfahrensverletzungen könnten zu einer Aufhebung eines damit belasteten Bescheides führen. Ist die Relevanz eines solchen Verfahrensfehlers nicht offenkundig, so ist sie in der Beschwerde konkret darzulegen, was im vorliegenden Fall unterblieben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1999, Zl. 98/20/0579).

Mit den Ausführungen über das herabgesetzte Beweismaß gemäß § 7 AsylG erörtert die Beschwerde abstrakt, dass der Behörde nicht die volle Überzeugung von der Wahrheit vermittelt werden müsse, sondern "lediglich die Wahrscheinlichkeit des festzustellenden Sachverhaltes darzulegen ist, was die Beschwerdeführerin durch die von ihr getätigten Aussagen wohl auch getan hat". Diese und weitere gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichteten abstrakten Erwägungen sind nicht geeignet, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde zu erwecken. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen unterliegt der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 549 ff).

Die Beschwerde wirft der belangten Behörde weiters vor, dass sie die Beschwerdeführerin in keiner Weise angeleitet habe. Es ermangle irgend eines Hinweises, dass der Beschwerdeführerin in rechtlicher Hinsicht dargelegt worden sei, dass sie für die von ihr zu Protokoll gegebenen Tatsachen auch Beweismittel angeben könne bzw. solle, weil dadurch die Glaubwürdigkeit erhöht werden könne. Die Beschwerde unterlässt es aber auch hier, die Relevanz des angeblichen Verfahrensmangels darzulegen.

Darüber hinaus ist das Beschwerdevorbringen insofern widersprüchlich, als der belangten Behörde einerseits vorgeworfen wird, selbst kein Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben, andererseits aber angemerkt wird, die belangte Behörde habe sich mit "der bloßen Einvernahme der Beschwerdeführerin begnügt". Worin die vermissten weiteren Ermittlungen hätten bestehen sollen und inwieweit deren Unterbleiben für den Verfahrensausgang relevant hätte sein können, wird in der Beschwerde nicht dargelegt.

Soweit sich die Beschwerdeführerin schließlich dadurch in ihren Rechten verletzt sieht, dass die belangte Behörde keine Non-Refoulement-Prüfung vorgenommen hat, ist sie auf § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG zu verweisen, wonach eine Verpflichtung der Berufungsbehörde in Fällen, in denen die Entscheidung der Behörde erster Instanz vor dem 1. Jänner 1998 erging, eine Non-Refoulement-Prüfung vorzunehmen, nicht besteht. Dies bedeutet aber nicht - wie die Beschwerdeführerin irrig anzunehmen scheint -, dass eine Feststellung, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat oder in einen Drittstaat zulässig ist (§ 57 FrG) durch die Fremdenbehörden unterbleiben könnte.

Weil bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes

nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000200300.X00

Im RIS seit

21.12.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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