TE Vfgh Erkenntnis 2015/2/19 E1383/2014

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Veröffentlicht am 19.02.2015
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §75 Abs20

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz und Zurückverweisung der Sache hins der Rückkehrentscheidung mangels Auseinandersetzung mit Feststellungen zur Heimatregion des Beschwerdeführers

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.               Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.               Der Beschwerdeführer stellte am 20. Juli 2013 den dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zugrunde liegenden Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.              Anlässlich der Erstbefragung am 20. Juli 2013 brachte der Beschwerdeführer vor, früher georgischer Staatsangehöriger gewesen zu sein, nunmehr jedoch keine Staatsbürgerschaft mehr zu besitzen, da seine Dokumente verloren gegangen seien und sein Vater Abchase gewesen sei. Bis zu seiner Ausreise habe der Beschwerdeführer im Haus seiner verstorbenen Eltern in Gali gewohnt. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er krank sei und sich in Österreich behandeln lassen wolle. Als weiteren Grund für seine Ausreise führte er an, dass sich in seiner Heimat Georgier und Abchasen nicht verstehen würden. Sein Vater sei Abchase gewesen, seine Mutter Georgierin, sodass der Beschwerdeführer in seiner Heimat nicht leben könne. Bei der Einvernahme am 17. September 2013 ergänzte der Beschwerdeführer insbesondere, dass sein Cousin "wegen georgischer und abchasischer Fragen" auf ihn geschossen habe. Der Cousin sei geflüchtet, lasse dem Beschwerdeführer aber immer wieder Drohungen ausrichten, dass er ihn umbringen und das Haus anzünden werde.

1.2.              Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Oktober 2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I), dem Beschwerdeführer gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und dieser gemäß §10 Abs1 Z2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen (Spruchpunkt III).

2.              Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 4. November 2013 fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben und den Bescheid in vollem Umfang angefochten.

2.1.              Begründend führte der Beschwerdeführer dabei insbesondere aus, dass er mit erheblichen Konsequenzen betreffend Wohnort, Reisemöglichkeiten und Besitzverhältnisse zu rechnen habe, sobald er sich für eine der beiden Staatsbürgerschaften entscheiden würde. Zudem habe das Bundesasylamt verkannt, dass auch nichtstaatliche Verfolgung, wie die Verfolgung durch die eigene Familie, durchaus asylrelevant sei. Aufgrund der Länderfeststellungen zu Abchasien bzw. Georgien sei nicht davon auszugehen, dass die abchasischen Behörden gewillt seien, den Beschwerdeführer zu schützen, während die georgischen Behörden keine staatliche Kontrolle über das Gebiet Abchasien hätten und somit den Beschwerdeführer auch nicht ausreichend schützen könnten. Unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers sei fraglich, ob ihm tatsächlich eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe. Das Bundesasylamt habe es unterlassen, sich mit der aktuellen Situation der Abchasier in Zentralgeorgien auseinanderzusetzen.

2.2.              Das Bundesverwaltungsgericht führte das beim Asylgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren gemäß §75 Abs19 AsylG 2005 weiter und wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 26. August 2014 gemäß §§3 und 8 Abs1 Z1 AsylG 2005 als unbegründet ab. Hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung wurde das Verfahren gemäß §75 Abs20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

2.3.              Begründend hält das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ genannten Gründe vorgebracht habe. Die Verfolgung durch den Cousin des Beschwerdeführers stelle keine staatliche Maßnahme von erheblicher Intensität in Verfolgungsabsicht oder eine sonstige staatliche Verfolgung im Sinne der in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Gründe dar. Dahingestellt bleiben könne, ob dieses Vorbringen der Wahrheit entspreche.

Zur Frage der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden führt das Bundesverwaltungsgericht wörtlich aus:

"In diesem Zusammenhang wird auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen, der sich mit der Problematik der Abweisung eines Asylantrages wegen möglichen staatlichen Schutzes vor Verfolgung durch Private befasst hat und dabei in der Entscheidung EGMR, 83.813/08 (A.M. ua gegen Schweden) vom 16.06.2009 eine Verletzung des Art3 EMRK verneinte. Begründend maß der EGMR hinsichtlich der Möglichkeit des Asylwerbers, Schutz vor privater Verfolgung durch die russischen Behörden zu erhalten, dem Umstand Bedeutung zu, dass Russland Mitgliedstaat der EMRK ist. Da sich der Beschwerdeführer nie an die Behörden gewandt hatte, könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihm kein Schutz vor von Privatpersonen ausgehender Verfolgung gewährt werden würde. In der Entscheidung EGMR, 43.700/07 (Harutioenyan ua gegen die Niederlande) vom 01.09.2009 ging der Europäische Gerichtshof noch einen Schritt weiter, in dem er ausführte, dass bis zum Beweis des Gegenteils bei einer Abschiebung in einen Konventionsstaat davon auszugehen ist, dass dieser seinen Verpflichtungen aus der Konvention nachkommt und der Beschwerdeführer in den Genuss des Schutzes vor Verfolgung seitens Privater kommt.

Auch Georgien ist Konventionsstaat. Dem Beschwerdeführer ist der Beweis der mangelnden Schutzwilligkeit und -fähigkeit der georgischen Behörden nicht gelungen. Nochmals sei angemerkt, dass der Beschwerdeführer nicht einmal versucht hat, das gegen ihn gesetzte strafrechtliche Verhalten durch seinen Cousin zur Anzeige zu bringen. Auch aus den getroffenen Länderfeststellungen ergibt sich nicht, dass die Sicherheitsbehörden im Herkunftsstaat nicht willens oder in der Lage wären, den Beschwerdeführer vor allfälligen, von Privatpersonen ausgehenden Übergriffen auf seine Person[…] ausreichenden Schutz zu gewähren. Der Beschwerdeführer gab im Zuge seiner Einvernahmen an, nie Probleme mit staatlichen Behörden oder der Polizei gehabt zu haben, sodass davon auszugehen ist, dass er den effektiven staatlichen Schutz der georgischen Sicherheitsverwaltung in Anspruch nehmen könnte. Von mangelnder Schutzgewährungswilligkeit und Schutzgewährungsfähigkeit kann unter Zugrundelegung dieses Maßstabes im gegenständlichen Fall auch unter der hypothetischen Annahme des Zutreffens de[s] von dem Beschwerdeführer diesbezüglich vorgebrachten Vorfall[es], einer Bedrohung durch eine Privatperson, nicht ausgegangen werden. Eine Verletzung von Art3 EMRK im Falle einer Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat ist somit nicht zu erblicken."

2.4.              Im Hinblick auf §8 Abs1 AsylG 2005 führt das Bundesverwaltungsgericht auszugsweise Folgendes aus:

"Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens gibt es im vorliegenden Fall weder einen Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Georgien den in §8 Abs1 AsylG umschriebenen Gefahren ausgesetzt wäre, noch liegen Hinweise auf außergewöhnliche Umstände, die eine Abschiebung des Beschwerdeführers unzulässig machen könnten, vor.

[…]

Was den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers betrifft, so ist festzuhalten, dass dieser, wie festgestellt, an chronischer Hepatitis C, an einer Gelenksarthrose, an Schmerzen und Verspannungen im Nackenbereich, an Magenschmerzen sowie an Zahnschmerzen leidet und bei ihm darüber hinaus ein Schulterhochstand, eine Schussverletzung und reaktive Knochenveränderung am linken Knie sowie eine Polytoxikomanie (derzeit substituiert) diagnostiziert wurden. Das erkennende Gericht vermag doch auch unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes entscheidungsgegenwärtig nicht zu erkennen, warum dieser einer Überstellung nach Georgien entgegenstehen sollte. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass es in Tiflis und den umliegenden Regionen derzeit 100 funktionierende Krankenhäuser gibt und georgische Staatsbürger Leistungen von zahlreichen staatlichen Programmen in Anspruch nehmen können. Auch sind in Georgien alle Arten von Medikamenten, sowohl als Original als auch als Generikum, erhältlich.

[…]

Zusammenfassend ist nochmals festzuhalten, dass sich aus den […] Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden[,] und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art3 EMRK.

Auf Grundlage der oben dargestellten Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit der zu Art3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR und des damit einhergehenden Beurteilungsmaßstabes gelangt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass der gegenständliche Fall nicht mit dem Fall D. v. the United Kingdom – in welchem die unmenschliche Behandlung nicht bloß darin zu sehen war, dass sich der Beschwerdeführer in den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit befand, sondern in den besonderen Umständen, mit denen der Beschwerdeführer im Fall der Abschiebung konfrontiert gewesen wäre, nämlich im Risiko eines Todes unter qualvollen Umständen ohne jegliche Aussicht auf medizinische Behandlung oder familiäre Begleitung – vergleichbar ist.

Unter Zugrundelegung der Länderfeststellungen, wonach die vorgebrachten Erkrankungen des Beschwerdeführers auch im Heimatland behandelt werden können, handelt es sich im Lichte der dargestellten Judikatur bei den Erkrankungen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht um dermaßen schwere, akut lebensbedrohliche und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbare Erkrankungen, die zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art3 EMRK führen könnten. Dass die Behandlung in Georgien nicht dem österreichischen Niveau entspricht und nicht so leicht erhältlich ist oder die Umstände einer Behandlung im Herkunftsstaat ungünstiger sind[…] wie in Österreich, vermag zur Gewährung des subsidiären Schutzes nicht auszureichen. Schlechtere Behandlungsmöglichkeiten und weniger günstige Verhältnisse im Herkunftsstaat als jene, die der Beschwerdeführer in Österreich genießt, sind kein Abschiebehindern[i]s. Der Beschwerdeführer, der bis zu seinem fünfundvierzigsten Lebensjahr in Georgien aufhältig war, leidet an keiner die hohe Schwelle des Art3 EMRK überschreitenden, lebensbedrohlichen Krankheit und [es] ist nicht davon auszugehen, dass sein Gesundheitszustand wegen seiner Überstellung in den Herkunftsstaat lebensbedrohend beeinträchtigt werden würde oder er durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben."

3.              Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. Oktober 2014 stattgegeben. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie für den Fall einer Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof. Begründend wird insbesondere ausgeführt, dass eine fundierte Einschätzung der örtlichen Lage und Situation im Heimatort Gali nicht vorgenommen worden sei, sondern nur sehr allgemein Informationen durch Länderberichte über Georgien und Abchasien eingeholt worden seien, sodass keine ausreichende Befassung mit dem Schicksal des Beschwerdeführers erfolgt sei. Dass der Beschwerdeführer aus Angst wegen des politischen Einflusses des Cousins diesen nicht bei der Polizei angezeigt habe, erscheine durchaus realistisch und stelle ein Indiz dafür dar, dass sich die belangte Behörde nur oberflächlich mit der Situation des Beschwerdeführers befasst habe, jegliche Ermittlungstätigkeit dazu unterlassen habe und damit Willkür geübt habe.

4.              Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift, verwies auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II.              Erwägungen

1.              Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2.              Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

3.              Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

4.              Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

5.              Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

5.1.              Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er aus Gali (Abchasien) stamme, ist das Bundesverwaltungsgericht nicht entgegengetreten. In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses stellt es aber sowohl bei der Prüfung der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß §3 AsylG 2005 als auch bei der Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 AsylG 2005 zuzuerkennen ist, undifferenziert ausschließlich auf die Situation in Georgien ab, ohne sich mit den konkreten Verhältnissen in der Heimatregion des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Bereits aus den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Länderfeststellungen ergibt sich jedoch, dass generelle Aussagen zu Georgien nicht pauschal auf Abchasien übertragbar sind. So wird in diesen Länderfeststellungen insbesondere festgehalten, dass Abchasien nicht mehr unter der Kontrolle der georgischen Regierung stehe und die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung über die administrativen Grenzen zwecks medizinischer Versorgung, Pensionsangelegenheiten, Gottesdiensten und Bildung durch die de-facto-Behörden und die russischen Streitkräfte beschränkt werde. Die Lage gerade in der Region Gali sei auf Grund der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie angesichts von Berichten über Erpressung, Plünderung und Raub durch russische und abchasische Kräfte und kriminelle Banden angespannt geblieben.

5.2.              Vor diesem Hintergrund wäre es daher erforderlich gewesen, der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten bzw. eines subsidiär Schutzberechtigten erfüllt sind, die konkrete Situation in der Heimatregion des Beschwerdeführers zugrunde zu legen und – unter Berücksichtigung dieser Situation – allenfalls zu beurteilen, inwieweit dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

5.3.              Schon dadurch, dass es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen hat, sich in der Begründung des Erkenntnisses mit den getroffenen Feststellungen zur Heimatregion des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen und die dortige Lage bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, hat das Bundesverwaltungsgericht somit Willkür geübt (vgl. auch VfSlg 19.695/2012; VfGH 26.6.2013, U2557/2012; 20.2.2014, U1919/2013 ua.).

6.              Eine Zurückverweisung des Verfahrens zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wie sie im Spruchpunkt A II. der angefochtenen Entscheidung angeordnet wird, ist gemäß §75 Abs20 Z1 AsylG 2005 nur dann zulässig, wenn der abweisende Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt wird. Dies ist mit der Kassation der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten bzw. eines subsidiär Schutzberechtigten nicht länger der Fall. Da die Aufhebung dieses Spruchteiles auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung zurückwirkt, entbehrt damit auch der Spruchteil A II. des angefochtenen Bescheides nunmehr seiner Rechtsgrundlage; auch dieser Spruchteil ist daher aufzuheben (vgl. VfGH 27.9.2014, E54/2014).

III.              Ergebnis

1.              Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

2.              Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

3.              Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.              Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2015:E1383.2014

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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