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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 2005 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Feiel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Revision des S M in H, vertreten durch Mag. Ulrich Bernhard, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Deuringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 2014, Zl. L516 1432756- 2/5E, betreffend Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Rückkehrentscheidung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtene Entscheidung wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Pakistan, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10. September 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
In seinen Vernehmungen vor dem Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) gab er zu seinen Fluchtgründen - auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst - an, er habe in Pakistan im Grenzgebiet zu Indien gelebt. Er sei von den indischen Grenzbeamten für einen Spion gehalten worden. Die indischen Grenzbeamten hätten ihn gesucht und wären auch zu ihm nach Hause gekommen. Im Zuge dessen hätten sie seinen Vater geschlagen. Der Bruder des Revisionswerbers sei bereits im Jahr 1992 von der indischen Polizei festgenommen und verschleppt worden.
Das Bundesasylamt wies den Antrag (im ersten Rechtsgang) mit Bescheid vom 22. Jänner 2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ab. Unter einem wurde der Revisionswerber nach Pakistan ausgewiesen.
Der Asylgerichtshof gab der dagegen gerichteten Beschwerde mit Erkenntnis vom 21. Juni 2013 statt und verwies das Verfahren gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Dies begründete der Asylgerichtshof im Wesentlichen damit, dass die Verwaltungsbehörde keine Ermittlungen zur Person des Revisionswerbers durchgeführt habe.
In der Folge veranlasste das Bundesasylamt Erhebungen im Heimatland des Revisionswerbers seiner Person und seinem Vorbringen. Mit Note vom 13. November 2013 wurde dem Bundesasylamt die Antwort auf seine Anfrage übersendet. Im Rahmen der Vernehmung vom 22. November 2013 wurde dem Revisionswerber vom Bundesasylamt zur Kenntnis gebracht, dass seine Angaben einer vertraulichen Überprüfung im Heimatland unterzogen worden seien. Demnach stimme das Vorbringen des Revisionswerbers nicht mit den Tatsachen überein. Insbesondere habe im von ihm angeführten Heimatdorf niemand den Revisionswerber oder seine Familie gekannt. Dazu gab der Revisionswerber an, die Leute im Dorf würden keine Auskunft geben, weil sie Angst hätten, dass er und andere im Ausland Lebende zurückgeschoben würden.
Mit (im zweiten Rechtsgang ergangenem) Bescheid vom 22. November 2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Revisionswerbers neuerlich hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) und des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) ab und erließ gegen ihn (gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005) eine Ausweisung nach Pakistan.
Begründend führte das Bundesasylamt aus, der Revisionswerber sei pakistanischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der Volksgruppe der Rajput; er sei Sunnit. Seine Identität stehe nicht fest. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass er aus der Provinz Azad Kashmir stamme.
Die Angaben des Revisionswerbers zum vorgebrachten Fluchtgrund seien - aus den in der Beweiswürdigung näher ausgeführten Gründen - widersprüchlich, unplausibel und "total" unglaubwürdig. Der Revisionswerber habe sein Vorbringen immer wieder gesteigert. Die von ihm präsentierte "Fluchtgeschichte" sei als zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich zu qualifizieren. Im zweiten Verfahrensgang habe sich aufgrund der im Heimatland des Revisionswerbers vertraulich durchgeführten Ermittlungen herausgestellt, dass seine Angaben zu den Fluchtgründen tatsachenwidrig seien. An der Objektivität und der Seriosität der in den Ermittlungen involvierten Personen und Institutionen bestünden überhaupt keine Zweifel. Der Revisionswerber habe die ermittelten Tatsachen nicht zu widerlegen vermocht.
Für den Fall der Rückkehr seien keine Umstände bekannt, weshalb der Revisionswerber nicht in der Lage sein sollte, in seinem Heimatland für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Er verfüge über eine Schulausbildung, sei bis zu seiner Ausreise in der elterlichen Landwirtschaft tätig gewesen und könne wieder bei seiner Familie Unterkunft nehmen. Weder aus dem Amtswissen noch aus dem Vorbringen des Revisionswerbers ergebe sich ein Sachverhalt, welcher seiner Rückkehr entgegenstünde. Da der Revisionswerber sein Heimatland, ohne verfolgt zu sein, verlassen habe, komme es auf das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative außerhalb der Heimatregion des Revisionswerbers nicht an.
Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Asylgerichtshof. Das Verfahren über die Beschwerde wurde gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführt.
In der Beschwerde verwies der Revisionswerber (ua.) darauf, die Namen der im Zuge der Ermittlungen im Heimatland befragten Dorfbewohner, die laut Erhebungsbericht alle Einwohner (außer ihn) kennen würden und von einer frei erfundenen Geschichte gesprochen hätten, seien ihm nicht genannt worden.
Mit der nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogenen Entscheidung wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab. Im Übrigen wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber sei Staatsangehöriger Pakistans und gehöre der Volksgruppe der Rajput sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität stehe nicht fest. Er sei ledig, gesund und habe bis zu seiner Ausreise im Herbst 2011 in Pakistan gelebt, wo er auch die Schule besucht und gearbeitet habe. Die Eltern und Geschwister des Revisionswerbers lebten nach wie vor in Pakistan. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber aus dem Dorf C oder der Region Azad Kashmir stamme. Er sei im Herbst 2011 aus Pakistan aus- und im September 2012 in Österreich eingereist, wo er sich seither ununterbrochen aufhalte. Er verfüge in Österreich über keine familiären oder sonstigen engen sozialen Bindungen.
Der Revisionswerber habe nicht glaubhaft dargelegt, dass er vor seiner Ausreise im Heimatland einer aktuellen, unmittelbaren, persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt gewesen sei oder dort im Falle seiner Rückkehr einer solchen ausgesetzt sein würde.
Im Rahmen der Beweiswürdigung legte das Bundesverwaltungsgericht dar, die Negativfeststellungen zur Örtlichkeit der Herkunft in Pakistan beruhe auf dem Ergebnis der vor Ort durchgeführten Recherchen des Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft Islamabad. Danach sei von vielen Einheimischen angegeben worden, weder den Revisionswerber noch dessen Familie zu kennen. Dem Erhebungsbericht zufolge sei auch mit mehreren Honoratioren - im Bericht würden etwa R F sowie einer der Dorfältesten R B namentlich genannt - gesprochen worden, die vom Revisionswerber noch nie gehört hätten. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, dass die befragten Personen nicht näher genannt "bzw. definiert" wären, erweise sich daher als unberechtigt.
Zu den vom Revisionswerber vorgebrachten Gründen für seine Ausreise hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, das Bundesasylamt habe im bekämpften Bescheid berechtigt darauf hingewiesen, dass sich nach dem genannten Erhebungsbericht die Angaben des Revisionswerbers als nicht den Fakten entsprechend und als widerlegt herausgestellt hätten. Es sei daher auszuschließen, dass indische Grenzposten in Anwesenheit bewaffneter Truppen auf beiden Seiten der Grenze die "Line of Control" überschreiten und in "irgendwelche" Häuser gehen würden, zumal dies eine schwere Grenzverletzung darstellen würde. Im Erhebungsbericht werde auch festgehalten, dass das Dorf C ungefähr 50 km von M entfernt am linken Flussufer des J und weit entfernt von der indischen Grenze liege, sodass der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die Lage des Ortes sei nicht näher bestimmt worden, unberechtigt sei. Die Rechtfertigung des Revisionswerbers, er hätte die Wahrheit gesagt und "die Leute" in seiner Heimat würden deshalb nicht die Wahrheit angeben, damit die "im Ausland befindlichen Leute" nicht nach Pakistan abgeschoben werden könnten, überzeuge das Bundesverwaltungsgericht - ebenso wie schon das Bundesasylamt - nicht. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die im Heimatort verbliebenen Bewohner eine Abschiebung wohl eher durch die Bestätigung der Angaben des Revisionswerbers hintanhalten könnten.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt - so das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz - könne nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in Pakistan und insbesondere "in der Herkunftsregion" des Revisionswerbers gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich dort aufhalte oder dorthin zurückkehre, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt sei. Ebenso könne auf Grundlage der vom Bundesasylamt herangezogenen Länderberichte die Deckung der existenziellen Grundbedürfnisse als zumutbar angenommen werden und sei auch die medizinische Grundversorgung gewährleistet. Das Bundesverwaltungsgericht verkenne nicht, dass das Leben in Pakistan teilweise von Korruption geprägt sei und eine wirtschaftlich und sozial durchaus schwierige Situation bestehe. Es gehe aus den Berichten jedoch keinesfalls hervor, dass die Lage für alle Personen ohne Hinzutreten von besonderen Umständen dergestalt wäre, dass das existenzielle Überleben gefährdet wäre. Der Revisionswerber habe sich bis vor seiner Ausreise in seiner Heimat aufhalten können und angegeben, sich nach dem Erdbeben im Jahr 2005 eine neue Existenz aufgebaut zu haben. Eine "Existenzbedrohung" sei bei einer Rückkehr nicht ersichtlich.
Des Weiteren legte das Bundesverwaltungsgericht noch dar, weshalb nicht festgestellt werden könne, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf Dauer unzulässig und sohin aufgrund der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen sei.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung habe im gegenständlichen Fall unterbleiben können, weil der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt gewesen sei und sich zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen zu einer aktuellen Bedrohung nicht den Tatsachen entspreche.
Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Entscheidung weiche weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehle es an einer solchen Rechtsprechung; die für den vorliegenden Fall maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:
Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die angefochtene Entscheidung weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab: Die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde habe die Identität des die Recherchen vor Ort durchführenden Ermittlungsbeamten und der von ihm befragten Personen nicht offengelegt. Die Verwaltungsbehörde habe die Beweisergebnisse verkürzt und unklar wiedergegeben, weshalb der Revisionswerber dagegen keine konkreten Einwendungen habe erheben können. Dadurch habe die Rechtsverletzung auch nicht durch die Berufungsmöglichkeit heilen können. Somit hätte das Bundesverwaltungsgericht seinerseits dem Revisionswerber Gelegenheit geben müssen, vollständige Kenntnis vom Ergebnis der Beweisaufnahme zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen.
Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Vorbringen des Revisionswerbers die Glaubwürdigkeit abgesprochen und dies zentral damit begründet, dass es nach dem Inhalt des Erhebungsberichtes des Vertrauensanwaltes nicht den Tatsachen entsprechen könne und die Rechtfertigung des Revisionswerbers - "die Leute" würden nicht die Wahrheit angeben, um eine Abschiebung der sich im Ausland befindenden Leute nach Pakistan zu vermeiden - nicht überzeuge.
Der Revisionswerber hat allerdings in der Beschwerde gerügt, dass ihm der Inhalt des Erhebungsberichtes nur unzureichend zur Kenntnis gebracht worden sei.
Es trifft nach der Aktenlage zu, dass die Identität des Vertrauensanwaltes und der von ihm befragten Personen dem Revisionswerber weder im Rahmen der Vernehmung vor der Verwaltungsbehörde noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt vor Erlassung der angefochtenen Entscheidung bekannt gegeben und ihm im gesamten Verfahren das Ermittlungsergebnis der vom Bundesasylamt veranlassten Recherchen nur in Auszügen vorgehalten wurde. Somit wurde der Revisionswerber zu keiner Zeit ausreichend in die Lage versetzt, zum (vollständigen) Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Der im Rahmen der Vernehmung am 22. November 2013 allgemein gehaltene Hinweis der Verwaltungsbehörde auf die Möglichkeit "Akteneinsicht im Rahmen des Parteienverkehrs" zu nehmen, reicht zur Wahrung des Parteiengehörs nicht aus. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten hat, besteht (zwar) das Recht der Partei des Verwaltungsverfahrens, in den Verwaltungsakt Einsicht zu nehmen. Die Verletzung des Rechts auf Parteiengehör kann aber dann nicht als saniert angesehen werden, wenn die Partei von ihrem Recht auf Akteneinsicht nicht Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang könnte allenfalls nur die ausdrückliche Aufforderung, zum Zwecke der Kenntnisnahme von konkreten Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Akteneinsicht zu nehmen, die Mitteilung dieser Ergebnisse ersetzen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. April 2011, 2011/01/0129, und vom 23. Dezember 1999, 99/06/0066, jeweils mwN).
Der Revisionswerber vermag auch die Relevanz des gegenständlichen Verfahrensfehlers aufzuzeigen. So bringt er (ua.) etwa vor, dass er, wären ihm die - erst durch die angefochtene Entscheidung bekanntgegebenen - Namen und der genaue Inhalt der Ermittlungen schon während des Verfahrens zur Kenntnis gelangt, hätte vorbringen können, dass er und seine Familie einige Kilometer vom Zentrum des Ortes C entfernt abgeschieden gelebt hätten. Der Weg dorthin sei nur zu Fuß zu erreichen. Die Unkenntnis eines Zeugen könnte auch auf dessen mangelnde Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten zurückgeführt werden.
Schon dieser Verfahrensfehler, bei dessen Vermeidung das Bundesverwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, belastet die angefochtene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) sieht vor, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der Verwaltungsgerichtshof hat für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen, die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung ermöglichenden Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint", in seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018 - auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - folgende Kriterien als maßgeblich angesehen:
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Nach dem Gesagten hat die Verwaltungsbehörde das Ermittlungsverfahren infolge dessen, dass sie das Recht des Revisionswerbers auf Parteiengehör in für das Ergebnis des Verfahrens relevanter Weise verletzt hat, nicht ordnungsgemäß geführt. Sohin waren die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung, deren Anberaumung im vorliegenden Fall vor diesem Hintergrund gemäß § 24 Abs. 1 zweiter Fall VwGVG auch ohne Vorliegen eines Antrages von Amts wegen geboten war, nicht gegeben. Davon, dass im Sinn des § 21 Abs. 7 zweiter Fall BFA-VG sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergeben hätte, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, kann - entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - schon angesichts der auch aus dem angefochtenen Erkenntnis hervorgehenden Notwendigkeit, beweiswürdigende Überlegungen anstellen zu müssen, keine Rede sein.
Die angefochtene Entscheidung war somit - infolge der rechtlich aufeinander aufbauenden Entscheidungen auch hinsichtlich der Entscheidung in der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie im Beschluss über die Zurückverweisung nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005 - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. Jänner 2015
Schlagworte
AkteneinsichtParteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelParteiengehör AllgemeinParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014190142.L00Im RIS seit
26.02.2015Zuletzt aktualisiert am
20.03.2015