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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 2005 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Feiel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Revision des A N in B, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. August 2014, Zl. W168 1428509-1/6E, betreffend Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts im Umfang der Anfechtung, sohin im Spruchpunkt A, aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der aus Somalia stammende Revisionswerber reiste am 25. September 2011 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 27. September 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
Im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Bundesasylamt führte er aus, am 31. Jänner 2010 seien "fünf Leute" der al-Shabaab in sein Geschäft gekommen und hätten von ihm US $ 200,-- an "Steuergeld" verlangt. Über Nachfrage hätten diese gesagt, dass dieses Geld für deren Soldaten bestimmt sei. Der Revisionswerber habe geantwortet, er verdiene dies nicht einmal in einem Jahr. Daraufhin habe ihm der Anführer ins Gesicht geschlagen und ihn am linken Ohr getroffen. Seitdem habe er "dort Probleme". Er sei von den Personen mitgenommen und in einen Container gesperrt worden. Nach fünf Tagen hätten sie ihn "vor ein Gericht" gebracht, das sich aus "mehreren Anführern" zusammengesetzt habe. Ihm sei vorgehalten worden, dass er US $ 500,-- zahlen müsse, ansonsten werde er mit 100 Peitschenhieben bestraft. Im Weiteren sei diesen Personen von seiner Mutter zugesichert worden zu zahlen. Er habe sodann zwei Monate im Container verbringen müssen, bis am 1. April 2010 von seiner Mutter das Geld gezahlt worden sei. Anschließend habe er bis 3. Dezember 2010 "Ruhe" gehabt. An diesem Tag seien allerdings wieder fünf Mitglieder der al-Shabaab zum Revisionswerber gekommen. Sie hätten von ihm verlangt, mit ihnen zu kämpfen. Für seine Entscheidung hätten sie ihm eine Bedenkzeit von einer Woche eingeräumt. Während dieser Bedenkzeit habe er sich bei einer Freundin seiner Mutter in Mogadischu aufgehalten. In der Folge seien Mitglieder der al-Shabaab wieder bei ihm zu Hause gewesen und hätten nach ihm gefragt, weil er sich nicht mehr gemeldet habe. Daraufhin habe er sein Heimatland verlassen.
Die jeweiligen Fragen des Bundesasylamtes, ob er in seinem Heimatstaat von einer Polizeibehörde, Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder sonstigen Behörde gesucht werde, jemals von der Polizei angehalten, festgenommen oder verhaftet worden sei, Probleme mit Behörden gehabt habe, Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen sei, von staatlicher Seite jemals wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden sei, beantwortete der Revisionswerber jeweils mit "Nein". Für den Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland befürchte er, von Mitgliedern der al-Shabaab getötet zu werden.
Das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) wies den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Somalia (gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) ab. Unter einem wurde der Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia ausgewiesen.
Begründend führte die Verwaltungsbehörde zusammengefasst aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre. Das Vorbringen eines Asylwerbers sei als "zentrales Entscheidungskriterium" heranzuziehen. Es obliege dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Es werde dem Revisionswerber geglaubt, dass er von staatlicher Seite nicht auf Grund seiner Rasse oder Religion verfolgt werde. Es werde ihm auch geglaubt, dass er wegen seiner politischen Gesinnung keine Probleme mit "der Behörde" seines Heimatlandes gehabt habe. Weiters werde ihm geglaubt, dass er in seiner Heimat aus politischen Gründen weder verfolgt noch gesucht werde und auch kein Mitglied einer politischen Partei sei. Es könne aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr für die Zuerkennung von Asyl relevant sein. Er habe im Verlauf des Verfahrens mit seinem Vorbringen eine konkrete und aktuelle bzw. drohende Verfolgung aus Gründen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) taxativ aufgezählt, nicht glaubhaft machen können. Die Bürgerkriegssituation im Heimatstaat allein indiziere noch nicht das Bestehen der Flüchtlingseigenschaft. Wesentlich für den Flüchtlingsbegriff sei, dass Furcht vor einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten Verfolgungshandlung bestehe.
Im Weiteren legte das Bundesasylamt noch dar, weshalb dem Revisionswerber auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen sei und die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu erfolgen hatte.
Gegen diese Entscheidung erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Asylgerichtshof, in der er (ua. auch) die Durchführung einer Verhandlung beantragte. In der Beschwerde trat der Revisionswerber den Ausführungen der Verwaltungsbehörde entgegen und führte aus, sie habe nicht näher begründet, weshalb dem Revisionswerber keine Verfolgung und Zwangsrekrutierung durch die al-Shabaab drohe. Vielmehr fänden sich bereits in den von der Behörde zitierten Länderberichten Hinweise darauf, dass von dieser Organisation ein "großes Bedrohungspotential ausgehe und ein effektiver Schutz seitens der Regierung nicht gewährleistet" sei. Dass eine aktuelle Gefahr der Verfolgung des Revisionswerbers nach wie vor bestehe, ergebe sich auch daraus, dass ihm von seiner Mutter nunmehr mitgeteilt worden sei, dass sein Onkel am 1. Juli 2012 von den al-Shabaab erschossen und sein "kleiner" Bruder entführt worden sei, als beide gemeinsam "in der Stadt" gewesen seien. Der Onkel habe sich dagegen gewehrt, dass der Bruder des Revisionswerbers von Mitgliedern der al-Shabaab mitgenommen werde, weshalb er von diesen erschossen worden sei. Vom Verbleib des Bruders gebe es seitdem keine Nachrichten mehr. Die vorhandenen Berichte zum Heimatland des Revisionswerbers seien von der Verwaltungsbehörde "sehr einseitig" betrachtet und manche für die Richtigkeit des Revisionswerbers sprechenden Aussagen ausgespart worden. Des Weiteren führte der Revisionswerber weitere seine Auffassung stützende Beweismittel ins Treffen.
Das Bundesverwaltungsgericht tätigte zur Situation in Somalia ergänzende Erhebungen und gab dem Revisionswerber mit Schreiben vom 16. Juni 2014 Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen und ergänzende Ausführungen zu machen sowie weitere Beweismittel vorzulegen.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2014 erstattete der Revisionswerber daraufhin eine Stellungnahme, in der er neuerlich darauf hinwies, dass die Situation in Somalia nach wie vor "äußerst prekär" sei. Die Gefährdung bestünde auch im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsort oder nach Mogadischu. Aus den bisherigen Berichten gehe hervor, dass sich ein Teil der Hauptkräfte der al-Shabaab nach wie vor im Großraum Mogadischu, also der Herkunftsregion des Revisionswerbers, befinde. Auch werde durch diverse Berichte bestätigt, dass massive Zwangsrekrutierungen stattfänden. Somit sei davon auszugehen, dass Mogadischu "ebenfalls nicht sicher" sei.
Mit der nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogenen Entscheidung wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 sowie § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab (Spruchpunkt A). Im Übrigen wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 erster Satz zweiter Fall und zweiter Satz AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.
Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber sei in seinem Heimatland keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Es drohe ihm auch nicht die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder Todesstrafe.
Beweiswürdigend hielt das Bundesverwaltungsgericht dazu fest, das Bundesasylamt habe ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die seitens des Bundesasylamts getroffenen Erwägungen hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Revisionswerbers und der von ihm geschilderten Bedrohungssituation seien begründet und logisch nachvollziehbar. Zu Recht sei das Bundesasylamt von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens ausgegangen. Das Vorbringen sei durchgehend derart gestaltet, dass sich hieraus nachvollziehbar eine schlüssige plausible Ausführung einer aktuellen, konkret gegen den Revisionswerber gerichteten unmittelbar bestehenden Verfolgung nicht ableiten lasse.
Die Durchführung einer Verhandlung habe nach § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) unterbleiben können, weil eine Klärung des in diesem Verfahren seitens des Revisionswerbers erstatteten Vorbringens und/oder dessen Glaubwürdigkeit durch die Vornahme einer weiteren Verhandlung nicht zu erwarten gewesen sei. Auf Grund der Entscheidungsreife sei die Aufnahme weiterer Beweise nicht erforderlich gewesen.
Rechtlich führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe "im Kern" als Fluchtgrund vorgebracht, von Angehörigen der al-Shabaab-Miliz entführt und gezwungen worden zu sein, für die Islamisten bzw. al-Shabaab-Miliz zu kämpfen. Dazu sei auszuführen, dass unspezifisch gegen alle Personen in einem bestimmten Gebiet gerichtete Erpressungen oder, wie auch in diesem Fall angeführt, Zwangsrekrutierungen noch keine individuelle Verfolgung darstellten, so nicht ergänzende weitere Elemente einer individualisierten Bedrohung oder Verfolgung hinzutreten. Maßgebliche Anhaltspunkte, dass im vorliegenden Fall versucht worden sei, den Revisionswerber gegen seinen Willen gerade oder aus ausschließlich ihn betreffenden Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe als Kämpfer in ihre Reihen zu rekrutieren, seien im gesamten Verfahren "eindeutig" nicht hervorgekommen. Gerade aus den Ausführungen des Revisionswerbers könne erschlossen werden, dass die Milizen der al-Shabaab wahllos Personen in den von ihnen besetzten Gebieten erpressten, entführten und unter Druck setzten, um ihnen Geld abzupressen oder wahllos Männer für den Kampf gegen die Regierung zu rekrutieren.
Aber selbst bei "Wahrunterstellung der vorgebrachten Gefährdungssituation" könne das Vorbringen nicht geeignet sein, eine "Schutzzuerkennung zu bewirken". Der Revisionswerber habe immer in Mogadischu bzw. einem Vorort von Mogadischu gewohnt. Den "unzweifelhaften Länderfeststellungen" sei zu entnehmen, dass diese Region unter Regierungskontrolle bzw. Kontrolle der AMISON-Truppen stehe. Somit sei "klar auszuführen", dass der Revisionswerber im Fall der Rückkehr nach Mogadischu bzw. seiner Heimatstadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht mehr neuerlich Bedrohungen seitens der al-Shabaab ausgesetzt sein könne. Wenn nunmehr vom Revisionswerber ausgeführt werde, dass Übergriffe und Anschläge dieser Milizen in ganz Somalia stattfänden, so sei darauf hinzuweisen, dass diese Situation in ihrer Allgemeinheit nicht zur Zuerkennung von internationalem Schutz führen könne. Die aus solchen Verhältnissen resultierenden Benachteiligungen träfen nämlich sämtliche dort lebende Bewohner; die gesamte Bevölkerung sei "diesen Beschränkungen und Bedrohungen" ausgesetzt. Sie könnten daher nicht als konkret gegen den Revisionswerber persönlich gerichtete Verfolgungshandlungen eingestuft werden.
Im Weiteren führte das Bundesverwaltungsgericht noch näher aus, weshalb dem Revisionswerber im Fall der Rückkehr in sein Heimatland auch nicht die Existenzgrundlage entzogen und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen sei.
Die Erhebung einer Revision sei nicht zulässig, weil die angegebenen Verfolgungsgründe als nicht glaubwürdig eingestuft worden seien und sich diese selbst bei "Wahrunterstellung" als nicht asylrelevant darstellten. Die gegenständliche Entscheidung weiche nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
Gegen diese Entscheidung erhob der Revisionswerber außerordentliche Revision, die sich ausdrücklich nur gegen deren Spruchpunkt A - der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz - richtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht sowie nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:
Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es entgegen den von der in der Rechtsprechung festgelegten Kriterien von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen habe. Zudem enthalte die Entscheidung widersprüchliche Ausführungen.
Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.
Den nachstehenden Ausführungen ist voranzustellen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits mit den Voraussetzungen zur Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG im Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, sowie mit der Frage der Asylrelevanz der versuchten Zwangsrekrutierung durch nichtstaatliche Akteure in den Erkenntnissen vom 28. November 2014, Ra 2014/01/0094, und vom 10. Dezember 2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, des Näheren auseinander gesetzt hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse verwiesen.
Ausgehend davon ist dem Bundesverwaltungsgericht der Vorwurf zu machen, dass dessen Beurteilung, die aus der Tätigkeit der al-Shabaab-Milizen hervorgerufenen Verhältnisse und resultierenden Benachteiligungen würden sämtliche dort lebende Bewohner betreffen und es sei die gesamte Bevölkerung diesen Beschränkungen und Bedrohungen ausgesetzt, weshalb sie (von vornherein ohne Notwendigkeit einer näheren Überprüfung) nicht als asylrelevante Bedrohung eingestuft werden könnten, zu kurz greift. Es ist vielmehr nach der oben zitierten Rechtsprechung entscheidend, mit welchen Reaktionen der Mitglieder der al-Shabaab der Revisionswerber auf Grund seiner Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, rechnen müsste und ob in seinem Verhalten eine - sei es auch nur unterstellte - politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird. Für diese Beurteilung ist es fallbezogen insbesondere nicht hinreichend, sich darauf zurückzuziehen, dass der Revisionswerber die Fragen, ob ihm von staatlicher Seite wegen seiner politischen Gesinnung oder aus anderen Gründen Verfolgung drohe, verneint hat. Vielmehr sind nach der Judikatur für die Beurteilung des Vorbringens eines Asylwerbers zu Zwangsrekrutierungen durch nicht staatliche Akteure die Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat einzubeziehen.
Infolge Verkennung dieser Rechtslage enthält die angefochtene Entscheidung aber keine ausreichenden Feststellungen, die eine solche Beurteilung ermöglichen würden. Die Feststellungen zu Zwangsrekrutierungen durch al-Shabaab und deren "Untergruppen" beschränken sich auf die Ausführungen, dass diese massiv durchgeführt würden, und enthalten ansonsten nur Aussagen zur Zwangsrekrutierung von Kindern. Demgegenüber ergeben sich allerdings aus den Feststellungen zum Verhalten von Mitgliedern der al-Shabaab in den von ihnen kontrollierten Gebieten gegenüber anderen Personen nicht zu vernachlässigende Hinweise dafür, dass Personen, die ihren Ansichten nicht folgten und Handlungen setzten, die von den al-Shabaab-Milizen nicht gutgeheißen werden, als "unislamisch" angesehen würden, der Spionage für die Regierung bezichtigt würden, und deswegen von Mitgliedern der al-Shabaab auch getötet würden.
Das Gesagte gilt sinngemäß auch für die verwaltungsbehördliche Entscheidung. Sohin wäre das Bundesverwaltungsgericht schon im Hinblick auf die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts gehalten gewesen, die beantragte Verhandlung durchzuführen.
Darüber hinaus geht das Bundesverwaltungsgericht - ohne nähere beweiswürdigende Überlegungen - von einer Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Revisionswerbers aus und führt dazu des Weiteren ins Treffen, das Bundesasylamt hätte eben diese Unglaubwürdigkeit in einer dem Gesetz entsprechenden Weise begründet. Derartiges ist dem Bescheid der Verwaltungsbehörde aber nicht zu entnehmen; in dieser Entscheidung findet sich kein Passus, wonach den Angaben des Revisionswerbers die Glaubwürdigkeit abgesprochen worden wäre. Vielmehr vertrat (auch) das Bundesasylamt die Rechtsmeinung, das Vorbringen des Revisionswerbers könne keine Relevanz aus asylrechtlicher Sicht entfalten, weshalb es sich der Würdigung der Richtigkeit seiner Angaben zu den Fluchtgründen enthalten hat.
Schließlich ist noch - mit Blick darauf, dass der Sache nach in der angefochtenen Entscheidung auch vom Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen wird, was aber in der Beschwerde mit konkreten Argumenten bestritten wird - darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht es für erforderlich erachtete, die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des Revisionswerbers zu aktualisieren. Die im Beschwerdeverfahren eingeräumte Möglichkeit, zum Inhalt der nunmehr herangezogenen Länderberichte und der zu treffenden Feststellungen schriftlich Stellung zu nehmen, kann allerdings die Durchführung einer Verhandlung in einem Fall, wie er hier vorliegt, nicht ersetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2014, Ra 2014/19/0101).
Vor dem Hintergrund des Gesagten kann sohin nicht davon ausgegangen werden, es wären die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG für das Unterbleiben der (beantragten) Verhandlung gegeben gewesen.
Das angefochtene Erkenntnis war sohin wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - im angefochtenen Umfang (wegen der rechtlich aufeinander aufbauenden Entscheidungen im Spruchpunkt A zur Gänze) - aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. Jänner 2015
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014190112.L00Im RIS seit
26.02.2015Zuletzt aktualisiert am
01.12.2015