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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde der W-Gesellschaft m. b.H. in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 9. November 1998, Zl. A 17-C-23.476/1998-2, betreffend Versagung einer Bewilligung zur Errichtung einer Werbe- und Ankündigungseinrichtung als Bauabplankung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einer am 24. März 1998 beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz eingelangten Anzeige gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie die Errichtung einer Werbe- und Ankündigungseinrichtung auf dem Grundstück EZ. 229 der KG A, Grundstück Nr. 374/3 und 374/5 in G, beabsichtige. Diese Einrichtung bestehe aus einer Fläche mit einer Länge von 33 m und einer (aus den vorgelegten Plänen ersichtlichen) Mindesthöhe von 3 m. Die Konstruktion dieser Plakatierungstafel bestehe aus Holz bzw. Metallstehern nach statischer Berechnung laut ÖNORM B 4014, die durch Holzstaffeln in der Stärke von 5 x 8 cm verbunden seien. Auf diese Rahmenkonstruktion würden GFM-Normelemente bzw. auf einen Streurahmen aufgebrachte Duplexplatten befestigt.
Diese Plakatwand war nach Mitteilung des Stadtplanungsamtes der Landeshauptstadt Graz im Zeitpunkt der Anzeige bereits errichtet. Mit Mitteilung vom 8. Mai 1998, der Beschwerdeführerin zugestellt am 13. Mai 1998, wurde diese von der Einleitung eines Baubewilligungsverfahrens in dieser Angelegenheit gemäß § 33 Abs. 5 Stmk. BauG in Kenntnis gesetzt und eine Stellungnahme des Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes eingeholt, der in seiner Stellungnahme vom 28. Juli 1998 ausführte:
"Die Plakatwand wurde bereits errichtet. Die örtliche Besichtigung ergab eine störende optische Barrierewirkung zwischen dem Straßenraum der R Straße und dem Siedlungsraum entlang des S Baches.
Die Plakatwand beeinträchtigt die Einheit und die Erfassbarkeit des Straßen- und Ortsbildes in diesem Bereich und widerspricht somit den §§ 33 Abs. 4 Z. 3 und 11 Abs. 1 Stmk. BauG 1995, wonach ein angezeigtes Bauvorhaben zu untersagen ist, wenn eine Beeinträchtigung der Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes festgestellt wird bzw. Einfriedungen so auszuführen sind, dass das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird.
Eine positive Begutachtung und Bewilligung für die angesuchte Plakatwand ist demnach nicht möglich."
Mit Bescheid vom 5. August 1998 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz gemäß § 29 des Steiermärkischen Baugesetzes das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Bewilligung der Errichtung einer Werbe- und Ankündigungseinrichtung als Bauabplankung auf den Grundstücken 374/3 und 374/5, jeweils der EZ. 229 der KG A im Wesentlichen unter Wiederholung der Ausführungen des Amtssachverständigen ab.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens keine Folge.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, es sei von der Beschwerdeführerin zugegeben worden, dass die Aufstellung der verfahrensgegenständlichen Werbeeinrichtung ohne Vorliegen einer Baugenehmigung und damit konsenslos bereits erfolgt wäre. In Übereinstimmung mit dem Berufungsvorbringen sei auch festzuhalten, dass hinsichtlich der schönheitlichen Interessen die Entscheidung, welche Interessen überwögen, in der Regel eine Wertentscheidung zu sein habe, weil die konkurrierenden Interessen nicht quantitativ bewertbar und damit berechen- und vergleichbar seien. Dies gerade erfordere aber, die für und gegen ein Objekt - wie das gegenständliche - sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüber zu stellen, um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen. Aus diesem Grunde habe die belangte Behörde auch ein ergänzendes Gutachten des Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes eingeholt. Dieses unter Beifügung einer umfassenden Fotodokumentation erstattete Gutachten entspreche den vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Kriterien eines Sachverständigengutachtens, da es auf einem ausreichenden Befund beruhe und den Denkgesetzen entsprechend jene Tatsachen erkennen lasse, auf welche sich das Urteil gründe; die gegenständliche Plakatwand beeinflusse die Einheit und Erfassbarkeit des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes im Bauplatzbereich durch ihre optische Barrierewirkung negativ. Insbesondere werde in diesem Gutachten darauf verwiesen, dass die gegenständliche Werbeeinrichtung mit ihrer Lage, Größe, Höhe, baulichen Geschlossenheit, Material- und Farbgebung ein Bauwerk von großer Aufdringlichkeit und Unmaßstäblichkeit darstelle, welches - bedingt durch die Größe (33 m Länge und bis zu 4,5 m Höhe), Proportionen und bauliche Geschlossenheit - den für bauliche Einfriedungen durch Zäune vorgegebenen Rahmen im Hinblick auf das am Aufstellungsort befindliche Straßenbild mit typischen Vorgartenzonen um ein Vielfaches sprenge. Die im Rahmen der Einräumung des Parteiengehörs von der Beschwerdeführerin abgegebene Stellungnahme zum Gutachten sei jedoch nicht geeignet, Zweifel an der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit desselben herbeizuführen, zumal es sich bei dieser Stellungnahme nicht um ein gleichwertiges Gutachten oder um eine auf gleicher fachlicher Ebene erstattete Gegenargumentation gehandelt habe. Allfällige, nicht mit der Frage schönheitlicher Rücksichten im Zusammenhang stehender Umstände hätten bei der Entscheidung nicht Eingang gefunden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die der gutachterlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen zu Grunde liegende Befundaufnahme sei unvollständig. Vielmehr wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, für die Klarstellung des Sachverhaltes in allen wesentlichen Punkten zu sorgen. Tatsächlich fehle eine vollständige Beschreibung des tatsächlichen Umfeldes der Anlage. Das Gutachten lasse eine Reihe weiterer Werbeanlagen im Nahebereich unberücksichtigt. Weiters werde die bildhafte Wirkung von in unmittelbarer Nähe befindlichen gewerblichen Betriebsanlagen völlig "ausgeblendet". So befinde sich am Haus R Straße 29 eine hellgelbe Reklametafel, im Haus R Straße 35 zwei an der Hausfassade angebrachte gelb-weiß gehaltene Werbetafeln im Ausmaß von jeweils 2 x 2 m sowie vor dem Haus ein etwa 3,5 m hoher Werbetafelständer mit einem 3 x 1,75 m großen Plakat. Auf der westlichen Straßenseite befinde sich weiter südlich von der gegenständlichen Anschlagtafel auf Höhe des Hauses R Straße 9 eine Plakatwand in der Länge von 10 m, auf der Höhe des Hauses R Straße 3/5 eine solche in der Gesamtlänge von 6 m. Vis a vis der beantragten Werbeeinrichtung befinde sich eine in gelb-grün gehaltene Werbetafel eines Reitklubes im Ausmaß von 1 x 1,5 m, sodann jene einer Tischlerei in der Größe von 1 x 2 m. Schräg vis a vis der beantragten Anlage befinde sich ein Diskontmarkt, der drei in rot-weiß gehaltene Werbetafeln in der Größe von 2,5 x 0,75 m bzw. 8 x 1 m aufweise. Vor dem Haus R Straße 10 stehe eine Werbetafel im Ausmaß von 2,5 x 1,5 m, vor dem Haus R Straße 14 eine 6 m hohe Tafel auf Holzpfeilern. Aus der vom Sachverständigen gewählten Formulierung seiner gutachtlichen Stellungnahme sei auch zu befürchten, dass dieser nicht ganz unbefangen vorgegangen sei. Die Unterstellung, die Beschwerdeführerin befleißige sich der Aufstellung von Plakatwandanlagen ohne entsprechende Bewilligungen als "offensichtlich übliche Vorgangsweise", ließe Zweifel an der Sachlichkeit und Objektivität des Gutachters aufkommen. Gehe nämlich der Sachverständige auch davon aus, in Summe sei der Eindruck einer "von Grün begleiteten Straße" in einem Wohngebiet gegeben, sei dem entgegen zu halten, dass davon angesichts der vielen Parkplätze und gewerblichen Betriebsanlagen nicht die Rede sein könne. Das Ortsbild bestehe nicht überwiegend aus Einfamilienhäusern und Kleinwohnhäusern, insbesondere seien nicht sämtliche Gebäude und Bauwerke im Gebietsbereich mit Vorgärten ausgestattet. Großräumig könne gerade in dieser Gegend vom Vorliegen eines noch teilweise intakten Straßen- und Ortsbildes nicht gesprochen werden. Die R Straße werde im Süden durch die A R Straße fortgesetzt, in der sich eine Supermarktfiliale mit vorgelagertem Parkplatz für 50 PKW und einer an der Ecke A R Straße/A befindliche 15 m lange Plakatwand befinde. Auch sei es unzutreffend, die Farben im Gebietsbereich als "zumeist gedeckt" zu beschreiben, da gerade die Häuser R Straße 13 bzw. 24 einen sonnengelben Fassadenanstrich, die Supermärkte auffällig weiß-rot gehalten seien und das Sonnenstudio eine blaue Neonbeleuchtung habe. Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht die Beschwerdeführerin - zusammengefasst - geltend, Werbung sei vom Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit umfasst und in der heutigen Zeit für das Wirtschaftsleben unumgänglich. In der Beurteilung der Werbung im Allgemeinen bzw. von Werbetafeln im Speziellen habe in letzter Zeit ein Wertewandel dahingehend stattgefunden, dass Werbung als solche nicht mehr als "störend" bzw. als "Beeinträchtigung" empfunden werde. Werbung innerhalb der städtischen Ortsbilder würde demnach keineswegs mehr als derart negativ angesehen, wie dies der Amtssachverständige bzw. die belangte Behörde getan habe. Gehe man überdies davon aus, dass ein bereits einigermaßen beeinträchtigtes Ortsbild nur dann noch schützenswert sei, sofern es überhaupt noch vorhanden sei, müsse darauf hingewiesen werden, dass gerade das Erscheinungsbild der R Straße im gegenständlichen Bereich von derart großflächigen Werbetafeln, Supermärkten und Parkplätzen geprägt sei, dass eine Verunstaltung oder Verfremdung des solchermaßen vorgegebenen Ortsbildes durch die gegenständliche Werbeeinrichtung nicht mehr möglich sei.
Diesen Ausführungen ist Folgendes zu entgegnen:
Nach § 20 Z. 3 lit. a des Steiermärkischen Baugesetzes, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG), sind Werbe- und Ankündigungseinrichtungen (Tafeln, Schaukästen, sonstige Vorrichtungen und Gegenstände, an denen Werbungen und Ankündigungen angebracht werden können, Bezeichnungen, Beschriftungen, Hinweise u. dgl.) anzeigepflichtig, soweit sich aus § 21 nichts anderes ergibt.
Die beschwerdegegenständliche Werbeeinrichtung unterliegt dieser Anzeigepflicht.
Das angezeigte Vorhaben gilt nach § 33 Abs. 6 Stmk. BauG. als genehmigt, wenn nicht binnen acht Wochen ab Einlangen der Anzeige ein Untersagungsbescheid erlassen wird.
Nach Abs. 5 leg. cit hat die Behörde, wenn nicht zeitgerecht beurteilt werden kann, ob eine Beeinträchtigung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes besteht, binnen acht Wochen nach Einlangen der Anzeige ein Baubewilligungsverfahren einzuleiten und den Anzeigenden hievon zu verständigen. Dies ist im Beschwerdefall geschehen, was auch von der Beschwerdeführerin zugestanden wird. Dies hatte weiters (wie sich aus dem Sinngehalt dieses Abs. 5 ergibt) zur Folge, dass die Bauanzeige fortan (ex lege) als Baugesuch zu behandeln war.
Bei der Beurteilung, ob Untersagungsgründe vorliegen, hat die Behörde nach Abs. 8 leg. cit. auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Einlangens der Anzeige maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu entscheiden. Unstrittig ist, dass die gegenständliche Werbeeinrichtung im Zeitpunkt der Anzeige (bzw. in jenem der Einleitung des Bewilligungsverfahrens) schon errichtet war und sich in jenem Zustand befindet, der aus den im Akt einliegenden Lichtbildern ersichtlich ist.
Nach § 43 Abs. 1 Stmk. BauG muss jedes Bauwerk in all seinen Teilen nach den Regeln der Technik und den bautechnischen Vorschriften so geplant und ausgeführt werden, dass es nach seinem Verwendungszweck und den örtlichen Verhältnissen den in Abs. 2 angeführten Anforderungen entspricht. Nach Abs. 2 Z. 7 leg. cit. muss das Bauwerk derart geplant und ausgeführt werden, dass es in seiner gestalterischen Bedeutung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht wird. Diese rechtliche Voraussetzung sahen die Verwaltungsbehörden als nicht erfüllt an.
Ob eine Werbeeinrichtung in ihrem Erscheinungsbild im Orts,- Straßen- und/oder Landschaftsbild eine Störung verursacht, ist unter Beiziehung eines Sachverständigen zu beurteilen, der die konkrete örtliche Situation zu beschreiben hat. Die Behörde hat sodann das vom Sachverständigen auf dieser Grundlage zu erstattende Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Zwar bedeutet die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG, wonach die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (Grundsatz der freien Beweiswürdigung), nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, doch vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass die Beurteilung des (ergänzten) Sachverständigengutachtens und somit der für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Tatsachengrundlage unschlüssig sei oder den Denkgesetzen widerspreche.
Das (ergänzte) Sachverständigengutachten, auf das sich die belangte Behörde bezüglich der Beurteilung der Eingliederungsfähigkeit der in Rede stehenden Werbefläche in das Erscheinungsbild der näheren örtlichen Umgebung derselben stützte, hat ausführlich (unter Anschluss von Lichtbildern und Plänen) den Gebietscharakter im engeren Bereich des fraglichen Straßenzuges der R Straße und des Verlaufes des Schöcklbaches dargestellt. Auf diesem Befund aufbauend wurde auch schlüssig und nachvollziehbar begründet, worauf sich die Feststellung des (vorstädtischen) Gebietscharakters gründet. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die auf diesem Gutachten, insbesondere aber auch auf der diesem angeschlossenen Lichtbilddokumentation basierende Einschätzung der belangten Behörde, dass die von der Beschwerdeführerin bereits konsenslos aufgestellte, immerhin 33 m lange und - nach den Plänen - zumindest 3 m, nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde aber 4,5 m - hohe, schräg zur Straße verlaufende Plakatwand auf Grund ihrer ungewöhnlichen Ausmaße mit dem gegebenen Orts- und Landschaftsbild im Widerspruch steht.
Wenn die Beschwerdeführerin der Auffassung gewesen wäre, dass dem Gutachten eine unvollständige, weil selektive Befundaufnahme zu Grunde gelegt wurde und daher auch eine sachlich unrichtige Beurteilung vorgenommen worden sei, wäre es ihr freigestanden, dem Gutachten durch ein Gegengutachten, wenigstens aber durch konkrete Bemängelung der Sachverhaltsfeststellungen im Rahmen der Befundaufnahme, wie sie nun erstmals in der Beschwerde im Detail vorgenommen wurde, entgegenzutreten, was aber nicht geschehen ist. Die nicht weiter begründete Behauptung, in der R.-Straße gebe es eine Vielzahl von Plakatierungstafeln, die unbeanstandet seien, konnte den mit Fotos belegten Befund des Gutachtens nicht in Frage stellen. Wenn und insoweit die Beschwerdeführerin dieses Versäumnis nunmehr in der Beschwerde nachzuholen versucht, unterliegt sie mit ihrem Tatsachenvorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbot. Der Verwaltungsgerichtshof ist im Falle eines mängelfreien Verfahrens nicht berechtigt, auf erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattetes neues Tatsachenvorbringen Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass auf die Verfahrensrüge einer Partei nicht Bedacht zu nehmen ist, soweit diese trotz gebotener Gelegenheit im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 555, letzter Absatz zitierte Rechtsprechung) oder ihre Versäumnisse nachzuholen (vgl. Dolp, a. a.O., S. 556, erster Absatz). Die belangte Behörde hat im Übrigen im angefochtenen Bescheid zu den ins Treffen geführten Plakatierungstafeln in der R.-Straße insofern zutreffend Stellung genommen, als nach der hg. Judikatur eine bereits erfolgte Beeinträchtigung des Ortsbildes nicht weitere Beeinträchtigungen rechtfertigt, und dass der Nahbereich des Aufstellungsortes maßgeblich ist. Das Gleiche gilt für die in der Beschwerde aufgestellte Vermutung einer allfälligen Befangenheit des Sachverständigen, die sich überdies auf eine sprachliche Formulierung stützt, die zwar möglicherweise unnötig, aber ohne Einfluss auf die Sachentscheidung war.
In den beweiswürdigenden Erwägungen der belangte Behörde, die beschwerdeführende Partei sei dem Gutachten des Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, und der daran geknüpften Schlussfolgerung der Annahme der Schlüssigkeit dieses Gutachtens kann daher keine Verfahrensverletzung erblickt werden. Die belangte Behörde hat sich im Übrigen mit den Einwänden, die in der Stellungnahme vom 5. Oktober 1998 in Hinblick auf das Gutachten vom 9. September 1998 vorgetragen worden waren, auseinander gesetzt.
Bei dieser Sachlage muss im Übrigen auch nicht näher darauf eingegangen werden, ob die im Rahmen der Einräumung des Parteiengehörs abgegebene Stellungnahme vom 5. Oktober 1998 in Hinblick auf deren Unterfertigung überhaupt der Beschwerdeführerin zuzurechnen war.
Im Übrigen sind die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde genannten Beispiele weiterer in der Umgebung der gegenständlichen Werbeeinrichtung befindlicher Werbeträger, von ungleich geringeren Dimensionen. Sie können somit insbesondere dem von der belangten Behörde herangezogenen Argument der Überdimensionalität und Dominanz der beschwerdegegenständlichen Werbeeinrichtung nicht mit Erfolg entgegengehalten werden.
Da das Gutachten des Amtssachverständigen aus diesem Grunde als ausreichend nachvollziehbar und schlüssig anzusehen war, konnte die belangte Behörde rechtlich zutreffend zu dem Schluss gelangen, die von der Beschwerdeführerin errichtete Werbeeinrichtung bilde insbesondere durch ihre Größe und Aufdringlichkeit einen im Sinne des § 43 Abs. 2 Z. 7 Stmk. BauG unzulässigen Störfaktor.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes läge im Übrigen in einem allfälligen Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 und § 60 AVG eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nur dann vor, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung derselben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., S. 600, und die dort zitierte hg. Judikatur).
Aber auch mit ihrer Rechtsrüge ist der Beschwerdeführerin kein Erfolg beschieden, weil nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auf der Grundlage des vom Sachverständigen im oben aufgezeigten Sinne mängelfrei erstellten Gutachtens die Rechtsfrage auch richtig beurteilt worden ist:
Nach der hg. Judikatur ist unter Ortsbild in erster Linie die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles einer Gemeinde, gleichgültig ob nun die Betrachtung von innen oder von einem Standpunkt außerhalb des Ortes erfolgt, zu verstehen. Geprägt wird dieses Ortsbild grundsätzlich von den baulichen Anlagen eines Ortes selbst. Damit ergibt sich aber zwangsläufig, dass auch der Schutz des Ortsbildes mit den baulichen Anlagen eines Ortes untrennbar verbunden ist, wenn auch in diesem Zusammenhang Gesichtspunkte miteinbezogen werden, die über die Wirkung dieser baulichen Anlagen hinausgehen und etwa auch noch die bildhafte Wirkung von Grünanlagen, Parklandschaften, Schlossbergen udgl. miteinbeziehen, die neben den baulichen Anlagen dem jeweiligen "Orts- und Stadtbild" das Gepräge geben (vgl. das Erkenntnis vom 24. März 1969, Slg. Nr. 7538/A). Für die Schutzwürdigkeit des Ortsbildes kommt es auf seine völlige Einheitlichkeit nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1992, Zl. 91/06/0153, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die von der Beschwerdeführerin aufgezeigte Tatsache, dass in der Umgebung der gegenständlichen Werbetafel nicht nur Einfamilienhäuser oder Kleinwohnhäuser mit Vorgärten vorhanden seien, sondern auch gewerbliche Betriebsanlagen, Supermärkte mit Parkplätzen und größere Wohnhäuser, spricht für sich allein noch nicht gegen das Vorhandensein eines schutzwürdigen Ortsbildes, weil es eben auf eine völlige Einheitlichkeit nicht ankommt. Die dem Gutachten angeschlossene Fotodokumentation untermauert den Eindruck des vorstädtischen Charakters der näheren Umgebung der gegenständlichen Werbetafel deutlich und lässt die darauf basierende rechtliche Annahme, dass die Plakatwand ein Störfaktor hinsichtlich des Orts- und Straßenbildes darstelle, nicht rechtswidrig erscheinen. Hinsichtlich der vom Sachverständigen ebenfalls als gegeben angenommene Störung des Straßenbildes bringt die Beschwerdeführerin nichts vor. Im Übrigen ist auch dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Foto nicht zu entnehmen, dass im näheren Umkreis des Aufstellungsortes eine Werbeeinrichtung vorhanden sei, die mit einer Länge von 33 m und einer Höhe von 3 bis 4,5 m eine derartige optische Dominanz aufweist.
Wenn die Beschwerdeführerin den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit im Hinblick auf Werbung ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die sich mittelbar aus der Abweisung des Bauansuchens der Werbeeinrichtung aus Ortsbildgründen ergebende Beschränkung in Bezug auf Werbung im Lichte des Art. 10 Abs. 2 MRK keine Bedenken hat. Eine gesetzliche Regelung, die ermöglicht, u.a. die Errichtung von Werbeeinrichtungen aus Gründen des Ortsbildschutzes nicht zu bewilligen, erscheint als eine der Aufrechterhaltung der Ordnung des Staates dienende Regelung gemäß Art. 10 Abs. 2 MRK zulässig. Aber auch die konkrete Entscheidung ist im Lichte der gemäß Art. 10 Abs. 2 MRK gebotenen Interessenabwägung zwischen den Interessen des Ortsbildschutzes und dem Interesse der Meinungsäußerungsfreiheit nicht zu beanstanden (siehe dazu Berka, Die Grundrechte, 1999, S 329 f Rz 569, und die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1988, Slg. Nr. 11.651, und vom 24. Juni 1992, Slg. 13.127).
Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. September 2000
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 OrtsbildSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtSachverhalt Mitwirkungspflicht VerschweigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998060237.X00Im RIS seit
07.08.2001Zuletzt aktualisiert am
30.09.2010