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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §188;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der V GmbH & Co KG in W, vertreten durch die Dr. Gerd Eder Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsges.m.b.H. in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 27/7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 14. Dezember 2009, Zl. RV/2288-W/02, miterledigt RV/1031-W/06, betreffend Wiederaufnahme und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1990 bis 1994, Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 bis 1997, Gewerbesteuer für die Jahre 1990 bis 1993, Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1991 sowie Wiederaufnahme und Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH & Co KG, die im Streitzeitraum einen Verlag in Wien betrieb, hatte vier Kommanditisten, drei natürliche Personen und eine deutsche GmbH, die zugleich auch die Gesellschafter ihrer Komplementärgesellschaft waren. Die KG und ihre Komplementärgesellschaft waren die Gesellschafter einer GmbH & Co KG in Deutschland, die dort einen Verlag betrieb. Als Geschäftsführer dieses deutschen Verlages zeichnete der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Beschwerdeführerin, der zugleich auch einer der vier Kommanditisten der Beschwerdeführerin war.
Im Februar 1988 kamen die Gesellschafter - nach dem insoweit unstrittigen Sachverhalt - überein, den deutschen Verlag zu liquidieren. Die Komplementärgesellschaft der Beschwerdeführerin sollte in der Schweiz eine Aktiengesellschaft gründen und diese sollte - jedenfalls für den deutschen Markt - den Vertrieb zweier sehr bekannter Werke sowie einer wirtschaftlich weniger bedeutenden Buchreihe übernehmen.
Als Folge dieser Übereinkunft kam es im März 1988 mit Hilfe von Treuhändern zur Gründung einer Aktiengesellschaft in der Schweiz durch die Komplementärgesellschaft der Beschwerdeführerin und in der Folge zum Abschluss dreier Lizenzverträge. Mit dem ersten, von der Aktiengesellschaft im Februar 1990 angenommenen Vertrag erteilte ihr die Beschwerdeführerin als "alleiniger Inhaber aller Werknutzungsrechte sowie der Verlagsrechte" an der Buchreihe "die ausschließlichen Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung dieser Reihe für alle Länder ausgenommen Österreich". Mit dem zweiten, das ältere der beiden bekannten Werke betreffenden Vertrag erteilte die Beschwerdeführerin als "alleiniger Inhaber aller Werknutzungsrechte sowie der Verlagsrechte" daran der Aktiengesellschaft "ab 1.1.1991 die ausschließlichen Rechte zur Verbreitung dieses Werkes für die Bundesrepublik Deutschland". Mit dem dritten, das jüngere der beiden bekannten Werke betreffenden Vertrag erteilte der zu liquidierende deutsche Verlag als mit der Beschwerdeführerin gemeinsamer "Inhaber der Werknutzungsrechte" und (alleiniger) Inhaber des Vertriebsrechtes für die Bundesrepublik Deutschland (wohingegen die Beschwerdeführerin über das Vertriebsrecht für alle anderen Länder verfüge) der Aktiengesellschaft "ab 1.1.1991 die ausschließlichen Rechte zur Verbreitung dieses Werkes in der Bundesrepublik Deutschland". Die Annahme der im März 1991 gelegten Offerte zum zweiten und dritten Vertrag durch die Aktiengesellschaft erfolgte im April 1991.
Der Vertrieb (jedenfalls) des jüngeren der beiden bekannten Werke in Deutschland war zuvor durch die als Kommanditistin an der Beschwerdeführerin und auch als Gesellschafterin an deren Komplementärgesellschaft beteiligte deutsche GmbH erfolgt. Diesen Vertrag hatte der zu liquidierende deutsche Verlag im November 1989 "fristgerecht zum 31. Dezember 1990" gekündigt.
Bereits im Oktober 1989 schloss die Aktiengesellschaft über alle drei Werke einen Vertrag mit einer deutschen Gesellschaft, der sie in diesem Vertrag - mit der ausdrücklichen Zusicherung, dazu berechtigt zu sein - "das ausschließliche Recht des Vertriebes" der drei Werke in Deutschland übertrug. Der Vertrag sollte hinsichtlich der Buchreihe zum 1. Jänner 1990, hinsichtlich der beiden bekannten Werke hingegen erst zum 1. Jänner 1991 in Kraft treten.
Im Dezember 1992 belastete der zu liquidierende deutsche Verlag die Beschwerdeführerin "für die Übertragung der Werknutzungsrechte" an dem jüngeren der beiden bekannten Werke mit DM 70.000,--. Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin für Exemplare, "die nach dem 31. Dezember 1992 geschickt werden", auch die Verpflichtung zu Zahlungen an die Erben des Urhebers übernehme.
Die Urheberrechte an diesem Werk erloschen erst 2004, diejenigen an dem älteren der beiden bekannten Werke schon 1994 und somit im Streitzeitraum. Eine rechtzeitig davor durch ein Team in Österreich erstellte Neubearbeitung wurde - soweit es die Entlohnung der Mitwirkenden betraf - von der Aktiengesellschaft finanziert, was zumindest zum Teil durch den nachträglichen Ersatz von der Beschwerdeführerin ausbezahlter Beträge geschah. Nur ein Teil der Mitwirkenden schloss schriftliche Verträge mit der Aktiengesellschaft ab.
In den Jahren 1990 bis 1994 leistete die Aktiengesellschaft Lizenzzahlungen an die Beschwerdeführerin, die im angefochtenen Bescheid mit jährlichen Gesamtbeträgen angegeben und nicht in Teilbeträgen den drei erwähnten Werken und den darüber abgeschlossenen Verträgen zugeordnet sind. Der für das Jahr 1990 angegebene Betrag ist sehr gering und scheint nur die Buchreihe zu betreffen. Für das Jahr 1991 ist etwa das Siebenfache, für die Jahre 1992 und 1993 etwa das Zehnfache, für das Jahr 1994 nur mehr etwa das Vierfache des für das Jahr 1990 angegebenen Betrages angeführt. In Bezug auf den für 1994 angegebenen Betrag heißt es im angefochtenen Bescheid, er habe nur die Buchreihe und das jüngere der beiden bekannten Werke betroffen. Hinsichtlich des älteren der beiden Werke - das nun in Neubearbeitung vorlag, wobei die Beschwerdeführerin und die Aktiengesellschaft davon ausgingen, letztere verfüge über die Rechte an der Neubearbeitung - legte die Aktiengesellschaft im Jahr 1994 der Beschwerdeführerin eine Rechnung.
Im Jahr 1995 begann bei der Beschwerdeführerin eine mit zwei Berichten vom Juli (für die Jahre 1993 und 1994) und August 1998 (für die Jahre 1990 bis 1992) abgeschlossene Betriebsprüfung. Die Prüfer kamen zu dem Ergebnis, die Aktiengesellschaft in der Schweiz habe "keinerlei Funktion". Da die Konstruktion nur der nachhaltigen, massiven Minderung der Besteuerungsgrundlagen in Österreich diene, seien die Gewinne und Rechte der Aktiengesellschaft der Beschwerdeführerin zuzurechnen.
Das Finanzamt folgte dieser Ansicht und zog mit Bescheiden vom September 1998 - zum Teil unter Wiederaufnahme von Verfahren - die (für sich genommen nicht strittigen) Konsequenzen daraus für die Feststellung von Einkünften, die Gewerbesteuer und den Einheitswert des Betriebsvermögens der Beschwerdeführerin für den Zeitraum von 1990 bis 1994.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin im Februar 1999 Berufung. Diese Berufung wurde im Juni 2001 der Finanzlandesdirektion als damals zuständiger Berufungsbehörde vorgelegt und später an die belangte Behörde weitergeleitet.
Mit Bescheiden vom November 2005 entschied das Finanzamt über die Feststellung von Einkünften für die Jahre 1995 bis 1997, wobei es zur Begründung darlegte, "laut Betriebsprüfungsbericht" von 1998 komme der Aktiengesellschaft "keinerlei Funktion zu". "Der Wareneinsatz der betreffenden Firma" sei "daher nicht anzuerkennen", woraus sich eine Gewinnerhöhung ergebe. Zu diesem "Ausscheiden bloß des Wareneinsatzes" legte das Finanzamt in der späteren Berufungsverhandlung dar, es sei "auf einen Lapsus zurückzuführen".
Gegen die Feststellungsbescheide für die Jahre 1995 bis 1997 erhob die Beschwerdeführerin im Dezember 2005 Berufung, die der belangten Behörde im Mai 2006 vorgelegt wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom Dezember 2009 wies die belangte Behörde - nach ergänzenden schriftlichen Erörterungen und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung im Juni 2009 - die Berufung gegen die Bescheide vom September 1998 als unbegründet ab. Die Bescheide vom November 2005 änderte sie zum Nachteil der Beschwerdeführerin "im Sinne der Gewinnkorrekturen für die Vorjahre" ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer von der Beschwerdeführerin mit einer Replik beantworteten Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin macht u.a. geltend, durch den angefochtenen Bescheid trete bei ihren Gesellschaftern "materielle Doppelbesteuerung ein", weil die Gewinne der Aktiengesellschaft in der Schweiz besteuert worden seien und die belangte Behörde es unterlassen habe, "auf die nunmehr in Österreich nacherhobene Steuer" die in der Schweiz entrichtete Steuer anzurechnen.
Die belangte Behörde hält dem in der Gegenschrift entgegen, wie die Aktiengesellschaft in der Schweiz und "als deren Mutter in Österreich" die Komplementärgesellschaft der Beschwerdeführerin besteuert würden, bleibe "auf der Ebene der Gewinnfeststellung bei der Kommanditgesellschaft außer Betracht". Die Komplementärgesellschaft sei "nicht identisch mit der KG". "Nicht die KG in ihrer Gesamtheit" sei "an der AG beteiligt, sondern eben bloß die Komplementärin" und somit ein von der Beschwerdeführerin "verschiedenes Steuersubjekt". Die "Gewinnadaptierung 1990-1997" habe nicht bei der Komplementär-GmbH, sondern bei der Beschwerdeführerin stattgefunden, "das formal in der Schweiz 'erwirtschaftete' Ergebnis" sei "nach den Feststellungen der belangten Behörde der Beschwerdeführerin zugute" gekommen.
Feststellungen dieses Inhalts sind dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht entnehmbar. Die belangte Behörde hat sich bei der Prüfung des Falles unter dem Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gemäß § 21 BAO mit der Frage, wem die von den Prüfern beanstandete Gestaltung "zugute" gekommen sei, vielmehr nicht auseinandergesetzt und nicht den Versuch unternommen, zu begründen, weshalb die Ergebnisse einer Aktiengesellschaft, an der nicht die beschwerdeführende KG, sondern nur deren Komplementärgesellschaft beteiligt ist, statt dieser der KG zuzurechnen seien. Ein solches Ergebnis ist auch nicht ohne Schwierigkeiten vorstellbar: Hat die beschwerdeführende KG, wie von der belangten Behörde angenommen und von der Beschwerdeführerin bestritten, für sie nachteilige Verträge mit einer Aktiengesellschaft in der Schweiz abgeschlossen, deren Aktien nicht von ihr selbst, sondern von ihrer Komplementärgesellschaft gehalten werden, so käme dies der Komplementärgesellschaft "zugute". Wurde die Aktiengesellschaft in der Schweiz, wie von der belangten Behörde weiters angenommen und von der Beschwerdeführerin ebenfalls bestritten, nur aus steuerlichen Gründen vorgeschoben und ist sie in Wahrheit "funktionslos", so ergäbe sich auch daraus noch nicht ohne Weiteres eine Zurechnung von Gewinnen und Rechten der Aktiengesellschaft an die beschwerdeführende KG. Nutznießerin der Gestaltung wäre auch unter diesem Gesichtspunkt in erster Linie die Komplementärgesellschaft.
Das von der belangten Behörde zusätzlich ins Treffen geführte Argument eines Missbrauchs im Sinne des § 22 BAO führt zu keinem anderen Ergebnis, wenn nicht begründet werden kann, dass die Gesichtspunkte, aus denen sich der Missbrauch ergibt, auch die Einbindung der inländischen Komplementärgesellschaft betreffen. Auf die im angefochtenen Bescheid herangezogene Ausnützung des Steuergefälles zwischen Österreich und der Schweiz trifft dies offenkundig nicht zu (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die Diskussionsbeiträge von Zorn bei Massoner in SWI 2009, 397 ff; zu Vorteilszuwendungen zwischen verbundenen Gesellschaften etwa Raab/Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, Die Körperschaftsteuer - KStG 1988, 25. Lfg (November 2014), § 8 Tz 38 ff und 328).
Das Fehlen einer Auseinandersetzung der belangten Behörde mit der erstmals - und in anderem Zusammenhang - in der Gegenschrift thematisierten Verschiedenheit der involvierten Gesellschaften, nämlich der die Aktien der Gesellschaft in der Schweiz haltenden Komplementärgesellschaft der Beschwerdeführerin und dieser selbst, belastet den angefochtenen Bescheid daher mit einem wesentlichen Begründungsmangel, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, dass zwar die belangte Behörde den Behauptungen des zuletzt eingeschrittenen Vertreters über die Rechte an den verfahrensgegenständlichen Werken (die Beschwerdeführerin habe an beiden bekannten Werken "keinerlei Rechte" gehabt, bei Liquidation des deutschen Verlages seien die Rechte "quasi übriggeblieben" u.dgl.m.) nicht folgen musste, die diesbezügliche Vertragslage - etwa betreffend den ursprünglichen Vertrieb des älteren Werkes in Deutschland - aber auch aus dem angefochtenen Bescheid nicht klar hervorgeht. Der angefochtene Bescheid enthält weiters keine konkrete Beweiswürdigung der Angaben des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft der Beschwerdeführerin und des aus der Schweiz stellig gemachten Verwaltungsrates in der Berufungsverhandlung, und die Behauptung einer "unentgeltlichen" Übertragung von Vertriebsrechten an die Aktiengesellschaft ist angesichts der im angefochtenen Bescheid dargestellten Inhalte der Lizenzverträge von 1990 und 1991 nicht verständlich.
Nicht nachvollziehbar ist auch der aus den Prüfungsberichten übernommene Vorwurf, Zustandekommen und Zweck der Umgestaltungen seien in einer Aktennotiz des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft der Beschwerdeführerin und einem gleichzeitig vorgelegten Schreiben der als Kommanditistin beteiligten deutschen GmbH widersprüchlich dargestellt worden (vgl. Seite 15 und 47 des angefochtenen Bescheides). Dieser Vorwurf beruht auf der Unterstellung, als "Anliegen" der deutschen GmbH sei in der Aktennotiz nicht nur das Unterbleiben einer Verlagerung nach Österreich behauptet worden, wobei außerdem verkannt wird, dass sich der in der Aktennotiz noch beschriebene Widerstand der deutschen GmbH nicht auf die Einschaltung der Aktiengesellschaft, sondern auf die Auswahl des dann mit dem Vertrieb in Deutschland betrauten Vertragspartners bezog.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 17. Dezember 2014
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2010130015.X00Im RIS seit
11.02.2015Zuletzt aktualisiert am
30.03.2015