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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revision des D in W, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter, Dr. Martin Neuwirth und Dr. Jörg Bohmann, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Petersplatz 3, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 18. Juli 2014, Zl. VGW-031/049/5171/2014-4, betreffend Zurückweisung einer Berufung iA Übertretung der StVO (Partei im Sinne des § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Margareten, vom 10. April 2013 wurde über den Revisionswerber wegen einer Übertretung des § 19 Abs. 7 in Verbindung mit § 19 Abs. 4 und § 52 Z 24 StVO gemäß § 99 Abs. 2c Z 5 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Tage) verhängt.
Dieser Bescheid wurde nach einem Zustellversuch am 16. April 2013 beim zuständigen Postamt hinterlegt und ab dem 17. April 2014 zur Abholung bereitgehalten.
Die am 8. Mai 2013 zur Post gegebene Berufung (nunmehr: Beschwerde) des Revisionswerbers wurde mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes als verspätet zurückgewiesen.
Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe angegeben, vom 16. April 2013 bis zum 24. April 2013 nicht in Wien gewesen zu sein. Er sei "zunächst arbeitsbedingt abwesend gewesen und dann direkt weiter nach Deutschland gefahren". Erst ab dem 24. April 2013 habe er Kenntnis vom angefochtenen Bescheid gehabt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass eine vorübergehende Abwesenheit, welche die Anwendung des letzten Satzes des § 17 Abs. 3 ZustG nach sich ziehen würde, nur dann vorliege, wenn der Empfänger dadurch gehindert sei, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen. Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte arbeitsbedingte Abwesenheit von der Wohnung während des Tages sei keine vorübergehende Abwesenheit, weshalb die Zustellung durch Hinterlegung ordnungsgemäß erfolgt sei. Auf die Kenntnis des Empfängers von dieser Zustellung komme es nicht an.
Die Berufungsfrist habe daher am 17. April 2013 begonnen und am 2. Mai 2013 geendet, sodass die am 8. Mai 2013 eingebrachte Berufung verspätet sei.
In der gegen diesen Beschluss erhobenen außerordentlichen Revision macht der Revisionswerber geltend, dass das Verwaltungsgericht von der - in den Ausführungen der Revision zur Zulässigkeit näher dargelegten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei und begehrt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet. Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 17 Abs 3 Zustellgesetz gelten hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
2. Gemäß § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 VwGVG sind Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes (sofern es sich nicht um verfahrensleitende Beschlüsse handelt) zu begründen. § 17 VwGVG verlangt vom Verwaltungsgericht eine den §§ 58, 60 AVG entsprechende Entscheidungsbegründung; dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076).
Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht keine Feststellungen zur Abwesenheit des Revisionswerbers getroffen, sondern lediglich dessen Vorbringen wiedergegeben und dieses im Zuge der rechtlichen Erwägungen offenbar als wahr unterstellt (vgl. zur Wahrunterstellung das hg. Erkenntnis vom 12. November 2014, Zl. Ra 2014/20/0069).
3. Der Revisionswerber hat jedoch ausgeführt, dass er vom 16. April bis zum 24. April 2013 nicht in Wien gewesen sei; er sei am 16. April 2013 zunächst arbeitsbedingt abwesend gewesen und dann direkt weiter nach Deutschland gefahren.
Das Verwaltungsgericht hat dennoch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die arbeitsbedingte Abwesenheit von der Wohnung während des Tages keine vorübergehende Abwesenheit ist, die eine Zustellung durch Hinterlegung unzulässig machen bzw. die Anwendung des 3.Satzes des § 17 Abs 3 ZustG nach sich ziehen würde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2001/11/0130), die Auffassung vertreten, dass die Hinterlegung wirksam erfolgt sei.
Es hat dabei übersehen, dass nach dem - vom Verwaltungsgericht offenbar als wahr unterstellten - Vorbringen des Revisionswerbers dieser am 16. April 2013 nach der Arbeit nicht mehr an die Abgabestelle zurückgekehrt, sondern "direkt" nach Deutschland weitergefahren ist. Folgt man dem Vorbringen des Revisionswerbers, so lag daher keine "berufliche Abwesenheit von der Wohnung während des Tages" vor, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Anwendung des 3. Satzes des § 17 Abs 3 ZustG nach sich ziehen würde.
Ausgehend von der Auffassung, dass schon aufgrund der arbeitsbedingten Abwesenheit am 16. April 2013 die Hinterlegung wirksam wurde, hat es das Verwaltungsgericht daher auch unterlassen, zu prüfen, ob es sich bei der tatsächlich geltend gemachten Abwesenheit vom 16. April bis zum 24. April 2013 um eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle handelte, die bewirkte, dass der Revisionswerber nicht rechtzeitig im Sinne des § 17 Abs 3 ZustG vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einer Verkürzung der Berufungsfrist um die Hälfte nicht davon auszugehen, dass der Empfänger rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte; vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2013, Zl. 2012/08/0031).
4. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 13. Jänner 2015
Schlagworte
AllgemeinBegründung AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014020130.L00Im RIS seit
11.02.2015Zuletzt aktualisiert am
23.02.2015